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Experimente Was Musikhören mit uns macht

Ngoc Nguyen wird im Februar bei „Schüler experimentieren“, der Juniorensparte des Wettbewerbs „Jugend forscht“, teilnehmen.

Von Anne Toss 28.01.2016, 08:11

Stendal l Die 13-jährige Ngoc Nguyen sitzt in einem Klassenzimmer des Hildebrand-Gymnasiums in Stendal. Sie kann ihre Umwelt weder sehen noch hören. Ihre ganze Aufmerksamkeit gilt der Musik, die über Kopfhörer Eingang in ihr Gehör findet. Fast fünf Minuten sitzt sie regungslos auf einem Stuhl und lauscht dem Lied „Hello“ von Adele. Sobald das Stück vorbei ist, nimmt die Siebtklässlerin rasch Kopfhörer und Schlafmaske ab, und misst zusammen mit Biologielehrerin Anke Stüwe ihren Blutdruck. „Das ist auf jeden Fall eine Veränderung zu deinen Werten davor“, sagt Stüwe. Doch woran liegt das? Etwa an der Musik? Diesem Phänomen geht die 13-jährige Schülerin in ihrem Projekt auf den Grund.

Ngoc maß bei 36 Personen aus verschiedenen Altersgruppen den Blutdruck. Ebenso notierte sie sich Geschlecht und Stimmung. „Es gab wirklich unterschiedliche Ergebnisse“, verrät sie. So hatte ein Mitschüler beispielsweise einen Puls von 136 zu 90, bevor er Adeles „Hello“ hörte. Nach dem Lied sank sein Blutdruck auf 117 zu 85. „Er hat sich also entspannt“, vermutet Ngoc.

Bei dem Volkslied „Das Wandern ist des Müllers Lust“ zeigt sich hingegen ein anderes Bild: „Eine Versuchsperson hatte einen Blutdruck von 105 zu 70. Nach dem Hören stieg der aber auf 119 zu 94“, erzählt Ngoc. Es passiert also etwas mit unserem Puls, wenn wir Musik hören. Aber reagieren Jungen und Mädchen gleich? Und spielt das Alter eine Rolle?

„Nachdem Ngoc mit ihrer Idee auf mich zukam, habe ich natürlich auch angefangen zu recherchieren“, sagt Anke Stüwe. So sei sie zwar auf Studien gestoßen, die beispielsweise untersuchen, ob Menschen unterschiedlich auf Klassik und Rock reagieren. „Aber ich habe keine Arbeit gefunden, die Alter und Geschlecht aufgreift“, berichtet Stüwe, „daher ist Ngocs Ansatz auch so interessant.“ Die Projektidee hatte das Mädchen übrigens selbst: „Wir haben zusammen nur an den Feinheiten gefeilt“, sagt Anke Stüwe.

Eine gewisses Interesse für verschiedene Musikrichtungen hat Ngoc aber: „Ich spiele selbst Blockflöte und höre allgemein gerne Musik.“ Beim Autofahren mit ihren Eltern sei oft klassische Musik zu hören, sie selbst mag vor allem englisch-sprachigen Pop.

Seitdem sich Ngoc entschieden hat, bei „Schüler experimentieren“ mitzumachen, hat sie allerdings einen deutlichen Mehraufwand zu bewältigen. „In letzter Zeit bin ich schon ein bisschen im Stress“, erzählt sie, „aber jetzt habe ich schon fast zehn Seiten geschrieben“.

Bemerkenswert ist nicht nur, mit welchem Eifer die Schülerin dabei ist, sondern auch wie schnell sie sich in Stendal und am Hildebrand-Gymnasium eingelebt hat. „Ich und meine Familie leben seit November 2013 in Stendal“, erzählt die 13-Jährige, „aber gebürtig komme ich aus Hanoi, der Hauptstadt Vietnams.“ Den Kontakt zu Verwandten in Vietnam hält Nguyens Familie vornehmlich über das Internet – Skype und Facetime ersetzen das persönliche Gespräch. „Seitdem wir in Stendal leben, waren wir nicht mehr in Hanoi“, berichtet Ngoc, „die Flüge sind einfach sehr teuer.“

Wenn also Ende Februar der Regionalwettbewerb von „Jugend forscht“ im Musikforum der Katharinenkirche stattfindet, wird auch Nguyen dabei sein und ihr Projekt den Juroren in einem kurzen Vortrag vorstellen. Sollte sie Regionalsiegerin werden, würde sie sich sogar für den Landeswettbewerb qualifizieren.