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Justiz Flut von Asylklagen legt Gerichte lahm

In Magdeburg und Halle gibt es mehr als 4500 unbearbeitete Asylverfahren. Besserung ist nicht in Sicht - im Gegenteil.

31.07.2017, 23:01

Magdeburg l In Sachsen-Anhalt hat sich bei den Verwaltungsgerichten eine nie dagewesene Zahl von Asylverfahren angestaut. Zum 30. Juni waren 4568 Verfahren an den Standorten in Magdeburg und Halle offen.

Allein im ersten Halbjahr 2017 sind 3990 neue Asylklagen eingegangen – im gesamten Jahr 2016 waren es 4839. „Wir gehen in diesem Jahr von rund 8000 Eingängen aus. Die Belastung ist enorm“, sagte Lars Becher, Sprecher des Oberverwaltungsgerichts, der Volksstimme. Tritt die Prognose ein, hätte sich die Zahl der Asylklagen innerhalb von fünf Jahren verzehnfacht (2012: 788 Fälle).

Die Verwaltungsrichter beschäftigen sich zu 70 Prozent nur noch mit Asyl. Andere Verfahren wie Auseinandersetzungen zum Rundfunkbeitrag oder Baustreitigkeiten treten vorerst in den Hintergrund.

Ein Asylbewerber, der einen ablehnenden Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nicht akzeptiert, landet automatisch beim Verwaltungsgericht. Der Anstieg der Klagen ist die Folge von Hunderttausenden Asylanträgen in den vergangenen Jahren, die das BAMF derzeit abarbeitet. „Es klagen eigentlich fast alle, die abgelehnt worden sind“, sagt der Magdeburger Rechtsanwalt Ulrich Koehler. Besonders bei Menschen aus Afghanistan sei die Bleibechance sehr hoch, sagt er. „Ich würde schätzen, das 60 bis 70 Prozent mit ihrer Klage Erfolg haben.“

Koehler kritisiert, dass die Qualität der Bescheide des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge stark schwanke. „Das BAMF neigt schon dazu, auf die Bremse zu treten und die Sache dann letztlich den Gerichten zu überlassen“, so der Fachanwalt für Verwaltungsrecht.

Die Kosten – auch für die Dolmetscher – trägt das Land, da Asylverfahren gerichtskostenfrei sind. Die Richter müssen in jedem einzelnen Fall die Fluchtgründe der Kläger prüfen. Diese individuelle Ursachenforschung ist mühsam – auch deshalb, weil das BAMF nicht an den Verhandlungen teilnimmt und keine Rückfragen zur Entscheidung der Behörde gestellt werden können.

Die durchschnittliche Verfahrensdauer liegt in Sachsen-Anhalt derzeit bei rund acht Monaten. Im Vergleich zum Vorjahr (9,5 Monate) ist das eine leichte Verbesserung – das Justizministerium hat personell nachgelegt. Doch Gerichtssprecher Becher dämpft die Hoffnungen, dass der Trend anhalten wird. „Da aufgrund der Menge der eingehenden Verfahren derzeit massiv Bestände aufgebaut werden, wird die Verfahrensdauer perspektivisch erheblich steigen“, erklärte Becher. Die Abarbeitung werde sich vermutlich über Jahre hinziehen.