Flüchtlinge „Kampf gegen wandernde Engpässe“
Ein CDU-Mitglied bekommt von Linken-Politikern nicht oft Applaus. Frank-Jürgen Weise gelingt das ausgerechnet beim Thema Flüchtlinge.
Als Frank-Jürgen Weise, langjähriger Leiter der Bundesarbeitsagentur, im September 2015 auch noch Chef des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) wurde, stellte sich die Republik verwundert die Frage: Geht das überhaupt? Die Antwort heute: Offensichtlich. Auch weil er im Flüchtlingsamt zwar den Rahmen setzt, alles Übrige aber den dortigen Fachleuten überlässt.
„Ich habe Mitte 2015 gefragt, mit vielen Flüchtlingen müssen wir in der Bundesarbeitsagentur rechnen? Darauf gab es keine Auskunft“, beschreibt Weise den versammelten Linken-Abgeordneten bei ihrem Parlamentariertag in Magdeburg die Vorgeschichte.
Ein Alarmsignal für Weise. Es seien zunächst gemeinsame Stäbe der Behörden, die beide in Nürnberg sitzen, gebildet worden. Als dann Bamf-Chef Manfred Schmidt zurücktrat, ging alles ganz schnell: Arbeitsvermittler Weise war plötzlich auch der oberste deutsche Flüchtlingskommissar. Wenn er sagt, dass „die Ausgangslage nicht gut“ war, so ist das sehr eine zurückhaltende Beschreibung des desolaten Zustandes des überforderten Migrationsamtes. Hunderttausende unbearbeitete Asylanträge schob die Behörde vor sich hin.
Man müsse in ruhigen Zeiten angespannt arbeiten, damit man in schwierigen Zeiten ruhig bleiben könne, beschreibt Weise seine Maxime: „Beim Bamf war es umgekehrt.“
Weise analysierte, rechnete und strukturierte um. So wurde mangels Übersetzern bei Gesprächen mit Antragstellern das Dolmetschen per Video eingeführt. Statt eines Gerätes für die Passkontrolle gibt es jetzt diese Apparate jetzt überall, Dokumente werden eingescannt, um sie rascher an die Rechtsinstanzen weiterzuleiten. „Ich arbeite gegen wandernde Engpässe“, fasst der Behördenchef sein Arbeitsfeld zusammen.
Doch der Schlüssel, um zu schnelleren Bearbeitungszeiten zu kommen, ist deutlich mehr Personal für das Bamf. Während sich weit bis ins Vorjahr hinein 2000 Mitarbeiter mit Rückständen und wachsenden Flüchtlingsströmen abmühten, sollen bis Mitte 2016 insgesamt 6300 Leute zur Verfügung stehen. Ihr Job wird es sein, rund 370 000 Asylanträge, mit denen das Bamf im Rückstand ist, 300 000 bis 400 000 aktuelle Anträge sowie all jene Asylbegehren, die durch neue Flüchtlinge in den kommenden Monaten gestellt werden, zu entscheiden. Wie viel das sein werden, kann auch Weise nicht prognostizieren, „vielleicht 500 000“, sagt er. Alles in allem werden in diesem Jahr damit über eine Million Entscheidungen angepeilt, jede über ein persönliches Schicksal.
Bei der Rekrutierung der neuen Mitarbeiter gibt es jedoch Ärger mit dem Personalrat, der die Qualifikation nach einer „Schnellbesohlung“ infrage stellt. Weise gibt ruhig und bestimmt seine Gegenposition wieder: Für die neuen Stellen habe es 45 000 Bewerber gegeben, aus denen die neuen Mitarbeiter ausgewählt werden. Gute Leute sollen so bald wie möglich einen unbefristeten Vertrag erhalten.
Drei Gruppen gebe es im Bamf: Sachbearbeiter, Anhörer und schließlich die Entscheider. Nicht jeder müsse also eine juristische Qualifikation haben. Im Konflikt mit dem Personalrat sei für ihn das „höherwertige Ziel“, den Rückstand bei der Antragsbearbeitung abzubauen. Dennoch: „Das Risiko einer Überforderung ist völlig klar.“
Einen „Durchbruch“ gar verspricht sich Weise vom neu eingeführten Ankunftsausweis für Flüchtlinge: „Jeder, der kommt, erhält einen Ausweis.“ Wäre dies schon früher so gewesen, hätte einer der Paris-Attentäter nicht mit verschiedenen Identitäten in Deutschland leben können, erläutert Weise.
Man möchte ihm gern glauben, dass Flüchtlingsaufnahme und Asylverfahren auf dem skizzierten Weg tatsächlich in geordnete Bahnen kommen. Der Praxistest läuft jeden Tag.