1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Magdeburger Studenten forschen in Nepal

Katastrophenhilfe Magdeburger Studenten forschen in Nepal

Vor drei Jahren erschütterte ein Erdbeben Nepal. Jetzt untersuchen Magdeburger Studenten, wie die Katastrophenhilfe organisiert war.

Von Elisa Sowieja 16.01.2018, 00:01

Kathmandu/Magdeburg l Shankar Sigdel und seine 74-jährige Mutter hausten wochenlang in einem Zelt. Das Erdbeben im April 2015 hatte ihr altes Lehmhaus völlig zerstört. Ihr größtes Problem aber war es, an Essen zu kommen. In der Region, aus der sie sonst ihren Reis bezogen, waren Felder und Straßen verwüstet, die Versorgung lag lahm. Die beiden hatten noch halbwegs Glück, erzählt der heute 34-jährige Sigdel, der inzwischen in Magdeburg lebt und eine Ausbildung zum Altenpfleger macht. „Unser Dorf ist 35 Kilometer von Kathmandu entfernt, da kam noch etwas Hilfe an. In manchen Dörfern, die sehr weit weg von der Stadt sind, gab es keine Hilfe.“

Was der Nepalese berichtet, deckt sich mit den Theorien, die eine Gruppe von Magdeburger Studenten aufgestellt hat und im Februar vor Ort überprüfen will. Im Rahmen eines Master-Seminars in Friedens- und Konfliktforschung nehmen sie bei einer zweiwöchigen Forschungsreise die Katastrophenhilfe nach dem Erdbeben unter die Lupe, bei dem damals 9000 Menschen starben und 2,8 Millionen weitere ihr Zuhause verloren – in einem ohnehin bitterarmen Land. Die Studenten wollen Interviews sowohl mit großen Hilfsorganisationen wie dem Roten Kreuz oder Brot für die Welt als auch mit kleinen lokalen Organisationen führen.

„Wir vermuten, dass die Hilfe wegen bürokratischer Hürden nicht jeden erreicht hat“, sagt Anna Nagel, die zu dem sechsköpfigen Team gehört. Damit meint sie etwa sprachliche Barrieren: Anträge auf Hilfsmittel von Regierung und großen Hilfsorganisationen seien meist auf Englisch formuliert, doch das würden viele Nepalesen nicht verstehen. Weiterhin nehmen die Studenten an, dass Gruppen, die mehr Hilfe gebraucht hätten als andere, diese Extra-Unterstützung nicht erhielten. Das betrifft vor allem Frauen und Kinder. „Babys zum Beispiel brauchten Impfungen gegen Polio“, erklärt Nagel.

Auch hier deckt sich die Vermutung mit dem Eindruck von Shankar Sigdel: „Die Frauen bei uns sind körperlich schwächer als die Männer, aber sie hatten nicht mehr Hilfe.“ Diese Schwäche hängt auch damit zusammen, erklärt er, dass Frauen in Nepal gesellschaftlich schlechter gestellt sind. Sie müssen sehr hart arbeiten und sind teils schlechter ernährt. Für die ungleiche regionale Verteilung sieht Sigdel einen Grund in schlechter Kommunikation. „Die Regierung wusste nicht, wo was gebraucht wurde. Und die Menschen wussten oft nicht, wo es Hilfe gab“, sagt er. So hätten gerade in abgelegenen Regionen viele nur Unterstützung von Privatleuten erhalten. Außerdem sieht er noch einen ganz anderen Grund, warum nicht bei allen etwas ankam: „In Nepal gibt es viel Korruption.“

Insgesamt habe es neben Essen und medizinischer Versorgung vor allem an sauberem Wasser gefehlt. „Die Menschen haben sogar aus Pfützen und dreckigen Flüssen getrunken.“

Bei ihrer Forschung werden die Magdeburger von Studenten der Universität in Kathmandu unterstützt. Sie helfen, Kontakte zu Organisationen herzustellen und übersetzen bei den Interviews. Mit der Auswertung wollen die Sachsen-Anhalter nächsten Herbst fertig sein. Die Ergebnisse stellen sie ins Internet. Auf ihrer Forschungsreise werden sie auch jetzt noch auf viele Spuren des Erdbebens stoßen. Das Lehmhaus von Shankar Sigdels Mutter etwa liegt bis heute brach. Die alte Frau kommt bei ihrem zweiten Sohn unter, der auch im Dorf lebt, die beiden teilen sich ein Schlafzimmer. „Sie hat zwar Geld von der Regierung bekommen“, sagt der 34-Jährige, „aber das reicht nicht, um ihr Haus aufzubauen.“

Einen Infoabend zum Projekt gibt‘s am 17. Januar ab 18 Uhr im interkulturellen Büro Ikus (Walther-Rathenau-Str. 19, Magdeburg).