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Katastrophenwarnung Brauchen wir noch Sirenen?

Sirenen sind in Sachsen-Anhalt als Mittel zur Warnung der Bevölkerung auf dem Rückzug. Die SPD fordert, sie wieder stärker einzusetzen.

Von Alexander Walter 22.08.2017, 01:01

Magdeburg l Der Ton geht ins Mark: Hunde jaulen, ältere Menschen fühlen sich an dunkle Zeiten erinnert. – Wenn Sirenen heulen, ist Aufmerksamkeit sicher. So war es jedenfalls bis zum Ende des Kalten Krieges. Und so soll es auch am Dienstag wieder sein, zumindest im Jerichower Land.

In einer konzertierten Aktion löst der Landkreis Punkt 11 Uhr alle 131 Sirenen auf seinem Gebiet aus. Zu hören sein wird eine Minute lang das auf- und abschwellende Signal für allgemeine Gefahrenlagen, so wie es bei Überschwemmungen oder chemischen Unfällen zu hören wäre. Bürger sollten im Ernstfall dann die Wohnung aufsuchen, Fenster und Türen schließen sowie das Radio anschalten und auf Durchsagen achten, heißt es auf der Internetseite des Landkreises. Mit der Aktion will die Behörde die Einwohner an die Bedeutung des Warntons erinnern.

Das erscheint nicht unangebracht: Laut Antwort des Landtags auf eine kleine Anfrage der SPD wurde das Sirenennetz in Sachsen-Anhalt seit den 1990er Jahren deutlich ausgedünnt. Noch zwischen 2000 und 2016 sank die Zahl der installierten Geräte demnach von 2201 auf 2124. Während die ländlichen Regionen Altmarkkreis Salzwedel und der Kreis Stendal noch heute jeweils über deutlich mehr als 200 Sirenen verfügen, und ihre Kapazitäten teils sogar ausbauen, sind die Geräte aus großen Städten wie Halle völlig verschwunden. Magdeburg betreibt noch ganze fünf Sirenen.

Die Entwicklung hat mehrere Gründe: So sind laut Innenministerium die Landkreise und Gemeinden allein für die verwendete Technik und das Vorgehen bei der Warnung der Bevölkerung zuständig. Einheitliche Regelungen etwa zur Nutzung von Sirenen oder zur Bedeutung von Warntönen gibt es damit nicht. Parallel dazu übernehmen neue Systeme wie die Handy-Apps Nina oder Katwarn zunehmend die Warn-Funktion der Sirenen. Die Alarmierung der Feuerwehren erfolgt derweil längst über Funkgeräte, sogenannte Pieper. Aus Sicht von Helge Langenhan, Chef der Magdeburger Feuerwehr, haben sich die neuen Warnsysteme bewährt. Handy-Programme wie Nina arbeiteten zuverlässig, preisgünstig und würden im Notfall durch Rundfunk, Fernsehen oder auch Lautsprecherdurchsagen von Fahrzeugen aus ergänzt, sagt Langenhan.

Rüdiger Erben, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD, dagegen kritisiert den Bedeutungsverlust der Sirenen: „Kein System steht so flächendeckend zur Verfügung“, sagt er. Auch in den nächsten Jahren werde nicht jeder Einwohner auf jedem Dorf eine Warn-App auf dem Handy haben. Vor allem in den Nachtstunden seien Sirenen für die Warnung der Bevölkerung besser geeignet als etwa Handy-Apps.

Für das Innenministerium steht unabhängig von der verwendeten Technik die Wirkung im Vordergrund: „Es geht um den Weckeffekt“, sagt Sprecher Danilo Weiser. Sirenen hätten dabei auch künftig ihre Berechtigung. Soziale Medien wie Warn-Apps stünden aber zunehmend im Fokus: „Die Bürger müssen mehr Informationen erhalten, als die reine Sirenenwarnung.“