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Katrin Budde „Bei Wirtschaftspolitik Luft nach oben“

Am Volksstimme-Telefon war SPD-Chefin Katrin Budde eine gefragte Frau. 19 Leser kamen in den anderthalb Stunden durch. Hier ein Auszug.

Von Jens Schmidt 26.02.2016, 00:01

Wann werden endlich die Ost-Renten ans Westniveau angeglichen? Das wollten Marlies Söder aus Magdeburg und Helmut Kratochwil aus Eilsdorf wissen.

Katrin Budde: Wir haben im Bund mit der CDU vereinbart, dass dies schrittweise bis 2019 geschieht. Ich habe von Sozialministerin Andreas Nahles die feste Zusage, dass sie im Sommer den Plan zur Angleichung vorlegt.

Ich finde es auch falsch, dass es 25 Jahre nach der Einheit immer noch Unterschiede gibt. Bereits die letzte schwarz-gelbe Bundesregierung hatte die Angleichung versprochen, aber nicht umgesetzt. Auf Druck der SPD ist das endlich angepackt worden.

Gerhard Pustal, Magdeburg: Warum haben Sie so lange Herrn Bullerjahn gestützt? Er hat so viele Stellen bei Lehrern und Polizisten abgebaut.

Die Konsolidierung der Landesfinanzen war unsere gemeinsame Sache. An einigen Stellen – wie bei den Unis – habe ich korrigierend eingegriffen. An weiteren Stellen haben wir auf die veränderte Lage reagiert und wir werden das auch weiter tun. Wir haben den Einstellungskorridor bei den Lehrern angepasst, doch leider wollen nicht alle Lehrer in jedem Ort auf dem Land, so dass es an manchen Schulen zu Engpässen kommen kann.

Auch bei der Polizei haben wir die Einstellungsmöglichkeiten erhöht. Wir haben zudem einen weiteren Vorschlag gemacht, um kurzfristig Wachtmeister einzustellen, die durch Weiterqualifizierung vollwertige Polizeibeamte werden. Doch den hat die CDU abgelehnt. Bei der Polizeipräsenz vor Ort ist einiges schief gelaufen. Das muss sich ändern.

... in der Wirtschafts- und Armutstatistik steht das Land oft hinten. Sie waren doch in der Koalition. Warum haben Sie das nicht geändert?

Das lässt sich nicht einfach dadurch ändern, dass man einen Hebel umlegt. Aber in der Wirtschaftspolitik ist wirklich noch Luft nach oben. Es war ein Riesenfehler, dass das Land lange mit Niedriglöhnen geworben hat. Davon müssen wir wegkommen. Das geht auch, man muss es nur wollen.

Martin Düster, Salzwedel: Wollen Sie die Wirtschaft wieder destabilisieren wie zu Zeiten der Höppner-Regierung?

Ich will die Wirtschaft nicht destabilisieren, sondern weiterentwickeln. Haben Sie ein Beispiel, was für Sie konkret damals falsch gelaufen ist?

Das wissen Sie doch selber. Sie haben den Mittelstand unter Druck gesetzt.

Wir haben mit Wirtschaftsminister Schucht und danach auch unter meiner Verantwortung damals viele mittelständische Betriebe angesiedelt: Autozulieferer, Nahrungsmittelhersteller – auch in der Altmark. Es wurden bei Ihnen viele Ortsumfahrungen gebaut, die ICE-Strecke wurde fertig und der Weiterbau der A 14 wurde damals angemeldet.

Erich Benecke, Osterweddingen: Ich habe gehört, dass Andrea Nahles für 12,50 Euro Mindestlohn plädiert. Wie sollen wir Mittelständler denn das bezahlen?

Ich bin klar für einen Mindestlohn. Ich habe bei seiner Einführung im vorigen Jahr die 8,50 Euro unterstützt, aber nicht die Forderungen nach 10 Euro und mehr. Künftig sollen die Fachleute der Unabhängigen Kommission entscheiden, wie es mit dem Mindestlohn weitergeht, nicht die Politiker. Von mir werden Sie keine Lohnhöhe hören.

Hubertus Kamin, Vehlitz: Was halten Sie von einer Mindestrente?

Diese Idee ist bei uns Beschluss, wir konnten uns aber im Bund bei den Koalitionsverhandlungen mit der CDU 2013 damit nicht durchsetzen. Aber 2017 steht die Solidar-Rente auf dem Programm; bei der Bundestagswahl brauchen wir deshalb viele Stimmen. Wer sein ganzes Leben lang gearbeitet hat, muss eine Rente bekommen, die klar über dem Hartz-IV-Satz der Grundsicherung liegt.

Hans-Otto Hornemann, Langenweddingen: Auf Ihren Plakaten steht: „Es wird Zeit für gute Löhne“. Was heißt für Sie „gute Löhne“?

Sachsen-Anhalt darf sich nicht mehr als Billiglohnland verkaufen. Wir brauchen Unternehmen, die Tarife bezahlen. Bei Erziehern können wir das als Land verbindlich regeln, bei den eigenen Bediensteten wie Polizisten oder Lehrern sowieso. Bei medizinischen Berufen – wie etwa bei Physiotherapeutinnen und -therapeuten – wollen wir die Krankenkassen an einen Tisch bitten. Wenn die Kassen gute Einnahmen haben wollen, brauchen sie auch gute Verdiener. In der Wirtschaft kann und soll die Politik nicht die Löhne bestimmen, aber wir können über eine ordentliche Ansiedlungspolitik erreichen, dass vor allem die Unternehmen ins Land kommen, die Tarife zahlen.

Ulrich Weimeister, Deetz: Können Schullandheime nicht wieder besser gefördert werden?

Wir wollen von der unsicheren Projektförderung wegkommen und Einrichtungen wie die Schullandheime wieder kontinuierlich institutionell fördern. Die Voraussetzungen müssen wir aber noch klären.

Cornelia Madle, Ilsenburg: In der Klasse meiner Enkelin sind 25 Kinder. Weil zu wenige Lehrer da sind, gibt es sehr große Schulklassen und Unterrichtsausfall. Was wollen Sie dagegen tun?

Beim Unterrichtsausfall muss man genau hinschauen, woran es liegt. Es gibt Schulen auf dem Lande, die zwar freie Stellen haben, aber nicht genügend Pädagogen bekommen. Wir haben auch kleine Schulen, wo sich schon zwei Krankheitsausfälle heftig auswirken. Auf Vorrat können wir keine Lehrer einstellen. Aber wir haben etwas Neues gemacht: Es gibt seit geraumer Zeit eine Stellen-Reserve für die Landkreise; darauf bewerben sich Lehrerinnen und Lehrer, die dann bei Ausfällen an den betroffenen Schulen aushelfen.

Eva Galle, Magdeburg: Ich habe einen Wahlkampf-Flyer von Ihnen, aber für Senioren steht da fast nichts drin.

Schauen Sie bitte auch in unser Wahlprogramm, die SPD-Arbeitsgemeinschaft 60plus hat dort sehr viele Ziele und Angebote aufgeschrieben. Wenn Ihnen etwas fehlt, schreiben Sie mir bitte Brief oder Mail, das können wir dann zur Vorbereitung der Koalitionsverhandlungen nutzen.

Fritz Rikow, Zerbst: Deutschland hat Armut und die Renten sind immer noch nicht angeglichen – trotzdem will Deutschland jetzt viel Geld für andere geben. Finden Sie das richtig?

Die Rentenangleichung kommt zu spät und wir haben noch zu viele Niedriglohnjobs, da gebe ich Ihnen Recht. Aber: Wir haben ein ausgeprägtes Sozialsystem, wir haben Krankenkassen, wir haben die Rente mit 63 nach 45 Versicherungsjahren eingeführt, wir haben in Sachsen-Anhalt keine Studiengebühren. Deutschland ist auch ein starkes Land, wir können auch anderen helfen.

Christine Büchner, Magdeburg: Warum wird der Verband der Allergie- und Asthmakranken nicht besser vom Land unterstützt? Bei Fördermitteln müssen wir seitenlange Anträge schreiben.

Erster Ansprechpartner für finanzielle Hilfen sind die Krankenkassen. Aber ich nehme Ihren Hinweis auf, und wir werden darüber reden, wie wir Ihnen darüber hinaus helfen können. Aber ganz ohne Antrag geht es nicht, da bei öffentlichen Geldern der Rechnungshof die Verwendung genau prüft.

Horst Päschel, Magdeburg: Die Reichen werden reicher, die Armen immer ärmer. Wie wollen Sie das in den Griff bekommen?

Wir müssen die Steuern für die Reichen anheben, aber ohne die Mittelschicht zu belasten. Für die Älteren fordern wir eine Solidar-Rente. Und wir werden zunehmend mehr Steuergelder für die Renten einsetzen müssen.

Klaus-Dieter Mager, Alsleben: Geht das Schulsterben auf dem Land weiter?

Schulen mit mindestens 60 Schülern bleiben bestehen. Wenn sie 58 Kinder haben, müssen wir nicht darüber reden, dafür gibt es Ausnahmen – aber Schulen mit 38 Kindern sind zu klein. Am liebsten hätte ich überall Ganztagsschulen.

Peter Hanke aus Zerbst und Rolf Knackmuß aus Farsleben: Warum werden in Sachsen-Anhalt nachträglich Abwasser-Beiträge erhoben, obwohl das gegen das Grundgesetz verstößt?

Wir wollen, dass das rechtlich schnell geprüft wird. Ein neuer Landtag muss das Problem ein für allemal klären. Die SPD wollte, dass die Verjährungsfrist ab 2015 gilt, dann wären keine Bescheide verschickt worden. Leider war das mit der CDU nicht machbar, darüber ärgere ich mich sehr. Verschlimmert wurde die Lage noch durch die blödsinnige Anweisung des Innenministeriums an die Verbände, das alles 2015 einzutreiben. Die meisten Verbände wollten das gar nicht.

Rüdiger Schaper, Magdeburg (per Mail): Was wird aus der SPD, wenn die AfD mehr Wählerstimmen erreicht als die Sozialdemokraten?

So weit darf es nicht kommen. Der Wahlkampf geht bis zum 13. März, 17:59 Uhr.