Fluchtversuch Kedings Rückhalt schwindet
Im Justiz-Skandal um den Fluchtversuch in der JVA Halle schwindet der Rückhalt von Justizministerin Anne-Marie Keding (CDU).
Magdeburg (dpa) l Die Fraktionschefinnen der mitregierenden SPD und Grünen vermieden am Mittwoch ein klares Bekenntnis zur Ministerin und kündigten an, deren Auftritt vor dem Rechtsausschuss am Donnerstag abzuwarten.
CDU-Fraktionschef Siegfried Borgwardt nahm die Ministerin, wenn auch etwas halbherzig, in Schutz. Auf die Frage, ob Keding als Ministerin noch tragbar sei, antwortete Borgwardt mit den Worten: "Ich würde sagen ja". Der Fluchtversuch sei nur möglich gewesen, weil die Justizvollzugsanstalt (JVA) Halle die richtigen Anweisungen Kedings missachtet habe, betonte Borgwardt. "Frau Keding hat den Mann nicht bewacht", dafür sei das Personal der JVA zuständig, sagte Borgwardt. Das habe neben den Regeln zur Bewachung auch die Informationsketten missachtet.
Keding hatte vorige Woche mitgeteilt, dass der Attentäter am Pfingstwochenende einen Freigang im Hof der JVA Halle für einen Fluchtversuch genutzt hatte. Fünf Minuten lang war der Gefangene aus dem Sichtfeld seiner Bewacher verschwunden, bevor er wieder aufgegriffen wurde. Keding machte am Dienstag die JVA Halle für den Zwischenfall verantwortlich. Die Gefängnis-Verwantwortlichen hätten Sicherheitsvorgaben ihres Ministeriums ohne Einverständnis gelockert.
Die Fraktion der Linken hatte Keding daraufhin einen Autoritätsverlust bescheinigt und den Rücktritt der Ministerin gefordert. Kritik erntete Keding auch dafür, dass sie den Vorgang per Pressemitteilung bekannt gab, ohne vorher die Abgeordneten des Landtags ins Bild zu setzen. Am Donnerstag soll die Ministerin in einer Sondersitzung des Rechtsausschusses Rede und Antwort stehen.
Dort werde sie deutlich mehr Fragen zu beantworten haben als am Dienstag vor der Presse, kündigte Grünen-Fraktionschefin Cornelia Lüddemann an. Die Kommunikation der Ministerin sei nicht akzeptabel. "Ich finde das alles schwierig", sagte Lüddemann. Auch die Vorsitzende der SPD-Fraktion Katja Pähle kritisierte den Informationsfluss und sagte zudem, dass der Vorfall "ein ganz, ganz schlechtes Bild" von Sachsen-Anhalt zeichne. Der Prozess gegen den Terrorverdächtigen sei nicht nur Landessache, sondern habe nationale und internationale Bedeutung. "Der Umgang mit diesem Menschen hätte auf allen Ebenen Chefsache sein müssen".
Die Bundesanwaltschaft wirft dem 28-Jährigen zweifachen Mord und 68-fachen Mordversuch "aus einer antisemitischen, rassistischen und fremdenfeindlichen Gesinnung heraus" vor. Der Täter versuchte, am 9. Oktober vorigen Jahres schwer bewaffnet in die gut besuchte Synagoge in Halle einzudringen. Als das misslang, erschoss er zwei Menschen in der Nähe und verletzte auf seiner Flucht mehrere Menschen, ehe er festgenommen wurde. Der Prozess gegen den Sachsen-Anhalter soll voraussichtlich am 21. Juli starten.