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Kinderbuch Ein Magdeburger Autor und seine Brotdose

Schriftsteller Thilo Reffert aus Berlin schreibt Kinderbücher und Hörspiele. Für eine Lesung besuchte er seinen Geburtsort Magdeburg.

Von Julia Irrling 02.04.2019, 03:00

Magdeburg l Der Berliner Dramatiker, Kinderbuchautor und Autor von Hörspielen Thilo Reffert war zu Gast in der Grundschule Stadtfeld in Magdeburg. Der gebürtige Magdeburger las aus seinem Buch "Fünf Gramm Glück", welches 2017 erschienen ist. Im Volksstimme-Interview sprach er über das Schreiben für Kinder, Litera-Schallplatten und die "Magdeburger Schnauze".
Volksstimme: Herr Reffert, welche Bücher haben Sie in Ihrer Kindheit am meisten geprägt?
Thilo Reffert: Ich habe letztens einen Workshop gemacht zu Benno Pludra und Ottokar Domma. Das waren schon wichtige Autoren für mich. Damals habe ich das gar nicht so wahrgenommen, aber es hat sich gezeigt, dass ich mich an viele Details der Geschichten erinnern konnte. Wichtiger als das Lesen waren aber für mich aber die Litera-Schallplatten, auf denen Märchen zu Hörspielen dramatisiert worden waren, mit der totalen Crème de la Crème der Ost-Schauspieler. Die habe ich hundertfach gehört.
Wie sind Sie dazu gekommen, Kinderbücher zu schreiben?
Ich hatte ja ein erstes Leben als Autor, in dem ich nur Theaterstücke geschrieben habe. Allerdings kann kein Mensch davon leben, nur Theaterstücke zu verfassen. Eines Tages schlug meine Verlegerin vor, ein Kinderbuch zu schreiben. Inzwischen hatte ich selber Kinder, also hab ich das ausprobiert. Es ging ganz gut und ich stellte fest, dass nicht nur das Schreiben Spaß macht, sondern auch das Vorlesen. Ich habe erst meinen eigenen Kindern vorgelesen und dann auch beruflich. Seit ungefähr zehn Jahren machen ich das mittlerweile.
Wo nehmen Sie die Ideen für Ihre Bücher, Hörspiele und Theaterstücke her?
Manchmal sind das ganz äußerliche Sachen, die auf mich zukommen. Zum Beispiel schreibe ich zurzeit über ein Mädchen aus Graz. Ich hatte einen kennengelernt, der über sie einen Roman verfasst hatte. Ich kannte die Leute in Graz im Theater und habe dann gefragt, ob wir nicht zusammenarbeiten wollen. Manchmal ist es aber auch etwas, was mich schon lange beschäftigt. Wie zum Beispiel bei meinem neuen Buch "Linie 912". Da wird zehn mal die gleiche Geschichte erzählt, aus unterschiedlichen Perspektiven. Das fand ich total wichtig zu erzählen und nicht bloß zu sagen "wir sind alle unterschiedlich", sondern mal zu zeigen, wie das ist, wenn alle unterschiedlich sind. Und dazu braucht man nicht von einem anderen Kontinent zu kommen oder gar von einem anderen Stern.
In "Fünf Gramm Glück" erzählen Sie aus dem Leben einer Brotdose. Wie sind Sie auf diese ungewöhnliche Idee gekommen?
Ich habe jeden Morgen vier Brotdosen für meine Familie gemacht und das summiert sich mitterweile auf über mehr als 10.000 Brotdosen. Ich hab mich für einen Fachmann gehalten und gedacht, "Wenn einer über Brotdosen erzählen kann, dann ich".
Was unterscheidet das Schreiben für Kinder von dem für Erwachsene?
Maxim Gorki soll gesagt haben: "Für Kinder muss man schreiben wie für Erwachsene, nur besser." Da ist etwas dran. Denn die Kinder nehmen nur die Geschichte, denen ist das egal, ob man von anderen Leuten für ein Künstler gehalten wird oder ob man berühmt ist. Da sind sie auch nicht bereit, Zugeständnisse zu machen. Entweder es interessiert sie und es packt sie oder eben nicht. Daran muss man denken. Mit Erwachsenen kann man alles anstellen. Die kann man auch langweilen, wenn man das will.
Das Zweite ist, dass man eine Verantwortung hat, wenn man für Kinder schreibt. Ich würde nie ein Buch schreiben, in dem es für das Kind total trostlos und hoffnungslos ausgeht. Erwachsene müssen das aushalten, aber als Autor für Kinder ist man verpflichtet, ihnen zu zeigen, wie man Sachen bewältigen und überstehen kann.
Wie lange braucht es im Schnitt von der Idee bis zum fertigen Buch, Hörbuch oder Theaterstück?
Das ist wirklich ganz unterschiedlich. Manchmal ist in einer Woche alles fertig. Und dann gibt es Sachen, wie beispielsweise "Linie 912", die mich seit Jahren bewegen. Dann geht man es mal an und kommt wieder von ab und irgendwann findet die Idee eine Form. Von dem Punkt an dauert es etwa ein Jahr, bis ein Buch fertig ist.
Wie ist denn das Feedback ihrer kleinen Leser bei Vorlesungen?
Manchmal bereiten die Lehrer das vor. Gerade die Geschichte der Brotdose eignet sich besonders als Schreibanlass für die Kinder. Ich habe schon wahnsinnige Geschichten bekommen, von einem Kugelschreiber, von einem Fahrrad und so weiter. Die Kinder haben die Erzählweise für sich übernommen und das ist toll.
Als gebürtiger Magdeburger, was gefällt Ihnen an dieser Stadt am meisten? Was verbinden Sie mit der Stadt?
Ich schreibe ja auch für den MDR den Radiotatort, der in Magdeburg spielt. Die Ermittler im Landeskriminalamt sprechen hochdeutsch, klar. Und dann haben die hier in der Gegend mit anderen Menschen zu tun, mit Verdächtigen, Zeugen und so weiter. Es ist wahnsinnig schwer, Leute zu finden, die diese Magdeburger Schnauze sprechen. Weil das total gering geschätzt wird und alle gewöhnen sich das ab. Aber ich finde, das ist so eine Art Geradeaus zu sein, die ich sehr bewundere.
Das jüngste Werk von Thilo Reffert "Linie 912" ist seit Februar 2019 erhältlich.
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