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Kirchen Zahl der Pfarrer sinkt rapide

Seit 1990 hat sich die Zahl der Pfarrer in Sachsen-Anhalt halbiert. Das hat gravierende Folgen. Ein Pfarrer aus Colbitz gibt einen Einblick.

21.12.2017, 23:01

Magdeburg l Dieter Kerntopf ist Pfarrer mit Leib und Seele. Seit 1974 dient er seiner Kirche, zuerst als Sozialpädagoge in der Jugendarbeit, seit 1991 als Pfarrer. In den vergangenen Jahren hat sich sein Beruf massiv verändert. „Nach der Wende war ich für zwei Gemeinden zuständig: Colbitz und Lindhorst. Heute sind es acht“, sagt der 63-Jährige. „Ich verbringe sehr viel Zeit im Auto.“

Obwohl die Zahl der Christen insgesamt sinkt, muss sich Kerntopf um immer mehr Menschen kümmern. Anfang der 90er Jahre betreute er in seinen Gemeinden 750 Mitglieder, heute sind es mehr als 1200. „Alle Erwartungen kann man so nicht mehr erfüllen. Man kann immer nur an einem Ort sein“, sagt der Colbitzer (Landkreis Börde).

So wie Dieter Kerntopf geht es vielen Pfarrern im Osten. In der Evangelischen Kirche Mitteldeutschland (EKM), zu der weite Teile Thüringens und Sachsen-Anhalts gehören, hat sich die Zahl der Stellen seit 1990 von rund 2000 auf nun noch 930 Pfarrer reduziert. „Weniger Mitglieder, weniger Einnahmen, die demografische Entwicklung – die Gründe liegen auf der Hand“, sagt EKM-Personaldezernent Michael Lehmann. „Es gibt Pfarrer, die jetzt auf einer Stelle sind, wo früher drei waren.“ In der EKM betreut ein Geistlicher im Schnitt 1000 Mitglieder. Dies sei vergleichsweise aber noch ein guter Wert, erklärt Lehmann. „In Hannover ist ein Pfarrer zum Beispiel für 2500 Mitglieder zuständig.“

Auch bei den Katholiken ist die Entwicklung ähnlich. Im Bistum Magdeburg gibt es nur noch 44 Pfarreien. 1990 waren es noch 170. In der kleineren Evangelischen Landeskirche Anhalts (Ballenstedt, Zerbst, Güsten) gibt es noch 43 Pfarrstellen – etwa halb so viele wie 1990. Im gleichen Zeitraum ist die Zahl der Gemeindeglieder von rund 65.000 auf 33.900 gesunken. „Inzwischen gibt es immer wieder vakante Pfarrstellen, vor allem auf dem Lande. Der finanziellen und strukturellen Sicherheit des Pfarrberufs steht die zweifellos hohe Arbeitsbelastung gegenüber“, sagt Pressesprecher Johannes Killyen.

Der Colbitzer Pfarrer Dieter Kerntopf teilt sich seine Stelle mit seiner Frau, „um die Dinge annähernd leisten zu können“. Trotzdem schaffe er Besuche bei kranken und älteren Menschen manchmal nicht, bedauert er. Auch die Zahl der Gottesdienste wurde reduziert. In manchen Orten ist Kerntopf nur noch einmal im Monat. „Trotzdem macht mir dieser Beruf viel Spaß. Jesus hat vor 2000 Jahren auch nicht alle erreicht – und trotzdem hat sich die Botschaft, dass Gott alle Menschen liebt, auf der ganzen Welt verbreitet.“

In eineinhalb Jahren geht Kerntopf in den Ruhestand. Obwohl auf dem Gebiet der EKM in den nächsten Jahren bis zu 50 Pfarrer pro Jahr ausscheiden werden, ist der Kirche in puncto Nachwuchs nicht bange. Laut Personaldezernent Lehmann gäbe es an den Theologischen Fakultäten in Halle und Jena genug Interessenten für den Pfarrberuf.