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Krankenkasse Rolle rückwärts bei Kassenbeiträgen

Die CDU ist nun offen für die paritätische Finanzierung der Krankenkassen. Andere Parteien staunen, die Wirtschaft sagt Nein.

07.09.2017, 19:00

Magdeburg l CDU-Spitzenkandidatin Heike Brehmer hatte am Volksstimme-Lesertelefon eine Überraschung parat: Arbeitnehmer und Arbeitgeber sollen Krankenkassenbeiträge künftig wieder zu gleichen Teilen finanzieren. CDU und FDP hatten 2011 die faire Kostenteilung gestoppt. Seitdem zahlen Arbeitnehmer mehr als die Unternehmen.

Die neue Linie bei der CDU lässt den Koalitionspartner SPD staunen. Sachsen-Anhalts SPD-Chef und Spitzenkandidat Burkhard Lischka sagte der Volksstimme: „Wir haben in der zu Ende gehenden Wahlperiode mehrfach versucht, die Parität wieder herzustellen. Dies wurde jedoch von Frau Brehmer und der CDU verhindert.“ Wenn sich die Union nicht gesperrt hätte, würde ein Durchschnittsverdiener in Sachsen-Anhalt bereits heute 200 Euro pro Jahr mehr im Portemonnaie haben, so Lischka.

Aktuell zahlen Arbeitnehmer und Arbeitgeber jeweils die Hälfte des allgemeinen Beitragssatzes (7,3 Prozent). Den jeweiligen Zusatzbeitrag der Krankenkasse müssen die Versicherten jedoch aus eigener Tasche finanzieren (siehe Infokasten).

Brehmer sprach sich dafür aus, das 2011 von Schwarz-Gelb eingeführte Modell wieder zu kippen. „Die Sonderbeiträge für die Arbeitnehmer wurden eingeführt, um die Unternehmen zu entlasten. Im Moment geht es der Wirtschaft jedoch sehr gut, so dass eine Rückkehr zur paritätischen Finanzierung denkbar ist.“

Der Magdeburger CDU-Gesundheitspolitiker Tino Sorge bestätigte, dass das Thema in seiner Partei derzeit „breit diskutiert“ wird: „Die Arbeitnehmer sollten nicht über Gebühr belastet werden, da ist eine Veränderung denkbar.“ Sorge sitzt im Bundestag im Gesundheitsausschuss. Allerdings plädiert er für Änderungen mit Augenmaß. „Die Arbeitgeber tragen durch die Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall schon jetzt viele Belastungen.“

Von Seiten der Unternehmer hagelt es deutliche Kritik am Vorstoß der CDU. „Es gibt überhaupt keinen Grund, an der Finanzierung zu rütteln“, sagte der Sprecher der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände in Sachsen-Anhalt, Jan Pasemann. Die Lohnnebenkosten seien für die Unternehmen bereits eine erhebliche Größe.

Die Linken hingegen wollten schon immer eine paritätische Finanzierung der Kranken- und Pflegeversicherung. Spitzenkandidatin Petra Sitte erklärte: „Wenn die CDU jetzt die Initiative ergreift, ist das gut. Ich fürchte nur, dass sie sich gegen die Wirtschaftslobby nicht durchsetzen wird.“

Auch die AfD will Arbeitnehmer entlasten. Spitzenkandidat Martin Reichardt sagte der Volksstimme: „Dass die CDU jetzt beim Thema Beiträge umschwenkt, ist wahlkampfbedingt. Wenn wir das tun würden, würde man uns sofort Populismus vorwerfen.“

Ähnlich sehen das die Grünen. Spitzenkandidatin Steffi Lemke sagte: „Es war ein großer Fehler, aus der Parität bei der Krankenversicherung auszusteigen. Es ist ein billiges Wahlkampfmanöver der CDU, wenn sie verspricht, diese wieder einzuführen, nachdem sie jahrelang für Abschaffung plädiert hat.“ Die Grünen setzen auf eine Bürgerversicherung für alle.

Die FDP zeigt sich von den Aussagen Heike Brehmers „irritiert“, wie Spitzenkandidat Frank Sitta sagte. „Im Wahlprogramm der CDU findet sich dazu nichts.“ Er verteidigt das Zusatzbeitrag-Modell, das einst von Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) umgesetzt wurde. „Die jetzige Finanzierung ist aus gutem Grund eingeführt worden.“