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Kriminalfall Planenschlitzen im Akkord in Sachsen-Anhalt

Auf den Autobahnen in Sachsen-Anhalt haben die Diebstähle durch Planenschlitzer drastisch zugenommen. Ein europaweites Projekt soll helfen.

Von Matthias Fricke 10.10.2018, 01:01

Magdeburg l Ein polnischer Lkw parkt in der Nacht zum Mittwoch in einer Reihe mit anderen Lastern auf dem Parkplatz Ihlegrund an der A 2 in Fahrtrichtung Berlin. Als der Fahrer am Morgen zu seinem Sattelzug zurückkehrt, ist die halbe Ladung weg. Planenschlitzer haben acht Paletten mit 300 Kinderspielzeug-Küchen aus dem Auflieger geräumt. Die Spedition schätzt den Schaden auf rund 15.000 Euro.

Die Beamten der Autobahnpolizei entdecken auch an anderen Sattelzügen noch weitere aufgeschlitzte Planen. Insgesamt sind es 46. „Das sind sogenannte Kontrollschlitze“, erklärt einer der Ermittler. Durch diese sehen sich die Diebe die Ladung an. Allein durch die Schlitze sollen weitere 2000 Euro Schaden entstanden sein. Erst in der Nacht zum 30. September hatten Unbekannte auf der A 14 bei Könnern 228 Fernseher aus einem Lkw entwendet. Fünf Tage davor entwendeten die Täter von einem Sattelauflieger 200 Autoreifen.

Doreen Günther, Sprecherin der Autobahnpolizei Börde: „Im Sommer hatten wir die ganze Zeit Ruhe, doch jetzt geht es wieder los.“ Das kann auch das Landeskriminalamt (LKA) Sachsen-Anhalt bestätigen. Während es im August auf den Autobahnen des Landes lediglich zwei solcher Fälle gab, waren es im September 52. Die Kriminalisten gehen davon aus, dass vor allem das bevorstehende Weihnachtsgeschäft für die Konjunktur der Planenschlitzer sorgt. „Gestohlen wird alles, was sich später wieder gut verkaufen lässt“, erklärt LKA-Sprecher Andreas von Koß. Die Zahl der Fälle in diesem Jahr hat dieses Jahr schon die von 2017 überschritten. Die Beute betrug rund 3,5 Millionen Euro.

Die Diebesbanden gehen europaweit hochorganisiert an den Autobahnen vor. Während die Spähtrupps über Kontrollschlitze nach den Ladungen sehen und einer Person in der „Zentrale“ melden, entscheidet diese über den Diebstahl. Voraussetzung ist immer eine gute Absatzmöglichkeit und ein lohnenswerter Gewinn. Der Leiter des Projektes „Cargo“, Kriminaldirektor Guido Sünnemann, zur lukrativen Masche: „Da lohnt sich kein Banküberfall mehr. Ein Lkw, zum Beispiel mit Parmesankäse beladen, hat 1,2 Millionen Euro an Bord.“ Die Strafen für Diebstahl sind verhältnismäßig gering.

Die meist aus Polen oder Osteuropa stammenden Banden verursachen europaweit millionenschwere Schäden. Die deutsche Versicherungswirtschaft geht von jährlich über 300 Millionen Euro direkter Schäden aus. Aus diesem Grund ist in diesem Jahr das Projekt „Cargo“ unter Führung des Landeskriminamtes Sachsen-Anhalt ins Leben gerufen worden.

Mit Unterstützung von Europol und Eurojust (Polizei und Justiz auf europäischer Ebene) soll den Banden in Zukunft besser das Handwerk gelegt werden. Eine Auftaktveranstaltung gab es bereits Anfang September im niederländischen Den Haag. Das Projekt ist vorerst für einen Zeitraum von drei Jahren angelegt. Sieben Kriminalisten arbeiten aktuell in der Magdeburger Projektgruppe. Sie erfassen die über die Landeskriminalämter gemeldeten Fälle und werten sie in einer operativen Datenbank aus. So können zum Beispiel Zusammenhänge schneller erkannt und an die Polizeidienstellen der Bundesländer weitergegeben werden. Eine sehr enge Zusammenarbeit gibt es laut Sünnemann auch mit Polen, Tschechien, Frankreich, Schweden, Dänemark und den Niederlanden.