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Kriminalität 5200 Fälle für die Gen-Kommissare

Immer häufiger kommt die Polizei über die DNA Verbrechern auf die Spur. LKA-Experten untersuchen tausendfach genetische Fingerabdrücke.

Von Matthias Fricke 24.11.2016, 00:01

Magdeburg l Was der Laie mit bloßem Auge nicht sieht, kann Gabriele Domnick im Landeskriminalamt unter speziellem Licht und einem Mikroskop gut erkennen: Es ist eine winzige biologische Spur aus einem Sexualverbrechen. Vorsichtig schneidet die technische Assistentin ein kleines Stück aus einem Hemd und gibt eine Stofffaser in ein Gefäß. Diese soll später der Fallstrick für den Täter werden, auch wenn am Ende die winzige Spur nur ein paar billionstel Gramm schwer sein dürfte.

„In diesem Fall ist es sogar noch recht einfach. Wir haben nur diese Unterwäsche zu untersuchen“, sagt die Sachverständige Andrea Wächter. Zu einem Verfahren gehören im Durchschnitt fünf bis sechs zu untersuchende Asservate. In diesem Jahr werden die „Gen-Detektive“ in mehr als 5200 Fällen die Spuren von Ermittlungen aus dem gesamten Land bearbeitet haben. Mehr als eine Million Euro kosteten die Untersuchungen allein im vergangenen Jahr, inklusive der Fremdvergaben an andere Labore. Ein Rekordstand seit dem Jahr 2005. Damals hatten die Experten jährlich nur 2000 Fälle auf dem Tisch.

Die Leiterin des DNA-Labors, Uta Pich, erklärt: „Wir untersuchen hier Spuren von einfachen biologischen Anhaftungen an Zigarettenkippen bis zu komplexen Kapitaldelikten.“ Entsprechend groß ist der Druck, denn jeder Kriminalist möchte so schnell wie möglich eine Antwort auf seine Frage: Ist die Spur verwertbar und war der Verdächtige am Tatort?

„Aus diesem Grund ordnen wir die Fälle nach der Dringlichkeit. Kapitalverbrechen und Haftsachen werden vorgezogen. Denn anders als in den amerikanischen Krimi-Serien können wir nicht per Knopfdruck analysieren“, sagt Pich. Die Realität sieht anders aus: Theoretisch sei eine schnellstmögliche Untersuchung innerhalb von 24 Stunden möglich.

Biologin Andrea Wächter erklärt: „In der Regel haben wir pro Spur aber mehr Aufwand.“ Je umfänglicher sie ist, desto länger dauert es. Das kann auch schon „einige Tage in Anspruch nehmen“.

Im DNA-Labor ist jeder spezialisiert. So gibt es sogar einen Sachverständigen extra für Haare. Wächter: „Die mikroskopische Analyse ist hier besonders aufwändig.“ Durchschnittlich nur jedes zehnte Haar führt zu einem Treffer.

In den vergangenen zehn Jahren seien nicht nur die Geräte, sondern vor allem die Methoden besser geworden.

Sie vergleicht es gerne mit einem Nebelscheinwerfer. „Früher konnte man mit normalem Licht nur einige Meter weit sehen. Der Nebel ist zwar heute immer noch da, die speziellen Scheinwerfer strahlen jetzt aber in einem Winkel unter den Nebel, so dass man weiter gucken kann“, erklärt sie. So sei es auch mit der DNA. Heute reiche ein viel geringeres Ausgangsmaterial zur Analyse.

Ein Verdächtiger ist damit aber noch lange nicht gefunden. Dazu benötigen die Experten, wie auch bei einem normalen Fingerabdruck, ein Gegenstück. Dieses könnte sich zum Beispiel in einer speziellen Datenbank des Bundeskriminalamtes befinden. Darin sind etwa eine Million an Tatorten gesicherte Spuren und Personen mit ihren DNA-Daten gespeichert.

Sachsen-Anhalt ist aktuell mit 18 500 Personen und 12 500 Spuren in der bundesweiten DNA-Datenbank vertreten. Weil Straftäter auch über europäische Grenzen hinweg agieren, gibt es nachts einmal einen Abgleich mit den Nachbarländern. Aktuell sollen es etwas mehr als ein Dutzend Länder an dem Verbund beteiligt sein.

Der Abgleich kann somit mehrere Tage dauern. Und auch dann erhalten die Ermittler noch immer keinen Namen zur DNA. Aus rechtlichen Gründen werden die betroffenen Polizeidienststellen nur darüber informiert, dass es eine Übereinstimmung mit der DNA in der Datenbank gab. Die Kriminalisten müssen sich miteinander direkt verständigen und kommen so erst zu einem Namen oder einer weiteren Spur. LKA-Chef Jürgen Schmökel: „Die Hürden sind aus Datenschutzgründen sehr hoch gesetzt.“

Doch wie kommen Personen mit ihrer DNA in die Datenbank? Wird ein Verdächtiger nach einer Straftat gefasst, erfolgt oft auch eine „erkennungsdienstliche Erfassung“. Neben einem Lichtbild und einem Fingerabdruck kann bei schwereren Straftaten wie Brandstiftung, Vergewaltigung, Raub oder Mord auch die DNA per Speicheltest genommen werden. Dabei muss als Voraussetzung auch eine schriftliche Gefahrenprognose für künftige Taten vorliegen. Diese erstellt die zuständige Ermittlungsbehörde. Sollte es keine freiwillige Zustimmung des Verdächtigen für eine DNA-Probe geben, ist außerdem ein richterlicher Beschluss erforderlich.

Inzwischen ist die von Gabriele Domnick gesicherte DNA-Probe mit Roboter-Hilfe analysiert. In dem Gutachten wird später eine Übereinstimmung mit der Vergleichsprobe des bereits von der Polizei ins Visier genommenen Verdächtigen festgestellt. „Das funktioniert leider nicht immer. Eine gutachterliche Verwertbarkeit ist bei etwa 40 Prozent der hier eingehenden Spuren nicht möglich“, sagt die Labor-Chefin.