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Kriminalität Alles eine Sache der Interpretation

Warum Kriminalstatistiken nicht viel über die tatsächliche Kriminalitätsentwicklung sagen. Eine Betrachtung.

Von Alois Kösters 15.03.2017, 00:01

Magdeburg l Kriminalstatistiken werden sowohl von populistischen Hasspredigern als auch von naiven Schönrednern missbraucht. Die Problematik der Kriminalstatistik lässt sich am besten an der viel diskutierten Ausländerkriminalität aufzeigen. An dieser Stelle sei die Fragwürdigkeit der Klassifizierung von Straftaten und Tätergruppen nur erwähnt. Allein der Unterschied zwischen „Zuwanderern“ und „Nicht Deutschen“, zu denen auch mobile Verbrecherbanden oder Fernfahrer gehören, verändert schon das Gesamtbild. Aber selbst wenn die Kategorien sauber verglichen werden, sind bei  jeder Veröffentlichung der Zahlen zwei völlig gegenteilige Aussagen zutreffend: „Der Anteil der Ausländerkriminalität ist niedriger, als die Statistik zeigt“ und „Der Anteil der Ausländerkriminalität ist viel höher, als die Statistik anzeigt“.

Die erste Aussage ist sehr einfach zu belegen. Ausländerrechtliche Verstöße können nur Ausländer begehen. Sie bilden aber den höchsten Anteil der Ausländerkriminalität und sind zum Teil auch dem bürokratischen Dickicht des deutschen Ausländerrechts geschuldet. Obwohl Fälschungsdelikte bereits von höherer krimineller Energie zeugen, könnte man fairerweise auch Passfälschungen zu den Delikten zählen, die in besonderer Weise mit dem Aufenthaltsstatus zusammenhängen. Alles Delikte, die den sozialen Frieden kaum gefährden.

Größte Brisanz dagegen haben „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“, auch wenn ihr Anteil an der Gesamtkriminalität sehr gering ist. Ausländer sind durchschnittlich häufiger in diesem Bereich gelistet. Ein Rechenbeispiel: Drei Prozent der Hamburger waren 2016 Flüchtlinge und Migranten. Sie stellen aber 5,8 Prozent der Verdächtigen. Bei schlimmeren Delikten wie Vergewaltigungen und Nötigungen, die auch in der Statistik Sachsen-Anhalts nicht extra ausgewiesen werden, sind es aber schon 12 Prozent Verdächtige. 

Andererseits ist statistisch erwiesen, dass die Neigung, Ausländer zu verdächtigen, viel höher ist. Und bei nicht einmal zehn Prozent aller angezeigten Vergewaltigungen kommt es überhaupt zu einem Urteil. Der  Kriminalitätsforscher Christian Pfeiffer weist auch zu Recht darauf hin, dass verglichen mit Deutschen der höhere Anteil von jungen Männern unter den Zuwanderern bei einer fairen Betrachtung berücksichtigt werden sollte. Seine Zahlen: Vergewaltigungen haben zwischen 2004 und 2015 um etwa ein Fünftel abgenommen. Obwohl der Ausländeranteil stark gestiegen ist.

Bei Diebstahl, Einbruch und Drogendelikten hat die Statistik den geringsten Aussagewert. Das liegt vor allem an der geringen Aufklärungsquote.  Bei richtiger Gewichtung der Daten ist dort die Kriminalität von Ausländern weit höher, als  Statistiken zeigen, die nur ermittelte Täter berücksichtigen.

So wird Taschendiebstahl fast nur von Ausländern begangen. In Berlin sind es in über 86 Prozent der Fälle ausländische Verdächtige. Es werden aber nur in knapp sieben Prozent der Fälle Täter ermittelt. Zudem werden viele  Fälle gar nicht angezeigt. Rechnet man den Befund hoch, ist der Anteil Deutscher kaum noch messbar. 

Ausländische Banden sind überall in Deutschland für den Großteil  aller Einbrüche verantwortlich. Aber wie kann das sein? Laut Statistik dominieren in Sachsen-Anhalt die Deutschen dieses Geschäft. Von den 696 ermittelten Tätern sind nur 75 nicht deutscher Herkunft. Der wahre Befund verbirgt sich hinter den 73,7 Prozent der nicht ermittelten Täter, die in der Statistik nicht berücksichtig werden.

Unter den erwischten Dieben sind überdies überdurchschnittlich viele Deutsche. Sie entstammen der  zweiten wesentlichen Tätergruppe, die viel leichter zu fassen ist. Es sind junge, oft drogenabhängige Männer, die vor Ort leben und sich den Ermittlungen nicht so gekonnt entziehen wie mobile professionelle Täter.

Gar nicht von der Statistik erfasst wird die nicht angezeigten Kriminalität unter Ausländern, die häufiger Opfer etwa von Schutzgelderpressungen unter Landsleuten werden, aber eine geringere Neigung haben, Strafanzeige zu stellen.

Hinzu kommt die organisierte Kriminalität. Laut Bundeskriminalamt sind auf diesem Gebiet rund 80 Prozent der in Deutschland ermittelten Täter ausländischer Herkunft. Osteuropäer und Türken beherrschen das Geschäft.

Gleichzeitig wird hier die Fragwürdigkeit eines Vergleichs des Ausländeranteils am Kriminalitätsgeschehen deutlich. Ähnlich wie bei Einbrecherbanden handelt es sich meistens um Ausländer, die gar nicht in Deutschland leben. Verbrechen ist eine Profession, der sie in ganz Europa und darüber hinaus nachgehen. Sicher eine Folge der offenen Grenzen, aber nur bedingt die Folge eines höheren Ausländeranteils der deutschen Wohnbevölkerung.

Die große Zahl der Verbrechen, die sie zur Statistik beitragen, sagen nichts über die Kriminalität von syrischen Flüchtlingsfamilien aus, die eher unterdurchschnittlich ist.

Je tiefer man in die Statistiken eindringt, umso unübersichtlicher wird der Befund. Deutsche Mädchen begehen häufiger Ladendiebstähle als türkische. Wer hätte das gedacht? Die Nachfahren vietnamesischer Flüchtlinge sind weniger kriminell und höher gebildet als die Deutschen. Gleichzeitig gibt es gefürchtete vietnamesische Banden. Nicht einmal zwei soziologische Gruppen einer Ethnie lassen sich vergleichen. 

Das Bundeskriminalamt fügt seinen Statistiken einen wichtigen Hinweis bei: „Diese Daten dürfen nicht mit der tatsächlichen Kriminalitätsentwicklung gleichgesetzt werden. Sie lassen auch keine vergleichende Bewertung der Kriminalitätsbelastung von Deutschen und Nichtdeutschen zu."