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Kriminalität Politische Straftaten nehmen weiter zu

Polizei in Sachsen-Anhalt hat im Jahr 2016 2466 politisch motivierte Straftaten registriert. So viel, wie lange nicht mehr.

Von Matthias Fricke 23.03.2017, 10:06

Magdeburg l Das dritte Jahr in Folge ist die Zahl der politisch motivierten Straftaten angestiegen, teilte Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) mit. Im Einzelnen ergibt die Bilanz folgendes Bild:

 Mit knapp 150 Fällen ist in dem Bereich ein neuer Höchststand erreicht worden. Es gab fünf versuchte Tötungsdelikte mit rechtsradikalem Hintergrund, fast so viele wie in den Jahren 2006 bis 2015 zusammen. Erst am Dienstag dieser Woche sind zwei Rechtsextreme im Alter von 20 und 23 Jahren wegen versuchten Totschlags vom Landgericht Dessau zu sechs bzw. vier Jahren Haft verurteilt worden. Sie hatten auf dem Bahnhof in Zerbst einen 34-jährigen Pakistaner als „Scheiß Ausländer“ beschimpft, ihn getreten und geschlagen. Dabei stürzte der Mann ins Gleisbett. Als sich die Regionalbahn in Richtung Magdeburg in Bewegung setzte, ließen sie das Opfer auf dem Gleis. Dieses konnte sich zwar gerade noch vor dem herannahenden Zug retten, wurde aber vom Puffer erfasst und schwer verletzt. Sowie dieser Fall konnten in diesem Bereich Dreiviertel aller Straftaten aufgeklärt werden.

Diese sind im Vergleich zum Vorjahr von 1749 auf 1660 zurückgegangen. Sie machen zwei Drittel der gesamten Kriminalitätsbilanz politisch motivierter Straftaten aus. Der größte Teil davon, mit 1050 Fällen, sind so genannte Propagandadelikte. Diese reichen vom Zeigen des Hitlergrußes bis zur Hakenkreuzschmiererei. Einen Rückgang gab es bei den Volksverhetzungen von 179 auf 99 Taten.

 

Die Täter kamen fast ausnahmslos in den Nachtstunden und warfen hauptsächlich mit Steinen die Fensterscheiben ein oder sprühten ausländerfeindliche Parolen an die Wände. Drei der insgesamt 60 Fälle im vergangenen Jahr waren Brandstiftungen. In einem Fall wurde eine geplante Unterkunft sogar beschossen. Nur im Vorjahr war die Zahl mit 71 Angriffen noch höher.

Dazu zählen alle Straf­taten, die sich gegen Menschen aufgrund ihrer Nationalität, Hautfarbe, Herkunft oder Weltanschauung richten. Mit 446 Fällen wurde der zweithöchste Wert der vergangenen zehn Jahre erreicht. Nur 2015 gab es mit 574 Delikten noch mehr.

Sie richtet sich gegen Personen, die vor allem als „fremd“ oder „anders“ deklariert werden. Dazu zählen vor allem auch Beleidigungen und Bedrohungen im Internet. Stahlknecht machte für diese Straftaten und auch die steigende Gewalt den „Werteverfall“ vor allem auch in den sozialen Netzwerken verantwortlich. „Das ist im Internet wie eine militärische Lang­distanzwaffe. Da sitzt man irgendwo, drückt auf den Knopf und 100 Kilometer weiter schlägt die Bombe ein. Diejenigen machen sich kaum Gedanken darüber, was sie mit ihren Beleidigungen und Drohungen anrichten“, sagt er. Aus diesem Grund will der Innenminister noch im April sein Konzept der angekündigten Internetstreifen vorstellen. Die Gespräche mit dem Datenschutzbeauftragten stünden aber noch aus.

 

In diesem Bereich gibt es einen Anstieg. Die Zahl der Fälle stieg um 51 auf 281 Delikte. Zwar machen die Hälfte aller linksmotivierten Straftaten Sachbeschädigungen aus, es gab mit 52 Gewalttaten aber noch fast so viele wie im Jahr 2015. So wird der Brandanschlag auf das Landeskommando der Bundeswehr in Magdeburg dazu gerechnet. Mehrere Soldaten, die in der Unterkunft schliefen, konnten sich im Dezember vergangenen Jahres noch rechtzeitig retten. Es entstand aber ein Schaden von rund einer viertel Million Euro. Zuvor hatten Unbekannte im September am Hauptbahnhof in Magdeburg 18 Fahrzeuge angezündet, darunter sieben der Bundespolizei. Beide Taten wurden nicht aufgeklärt. Insgesamt konnte hier nur jede dritte Straftat aufgeklärt werden.

 Die meisten rechten Straftaten gab es auf 100.000 Einwohner berechnet in den Landkreisen Jerichower Land, Stendal, Dessau-Roßlau und Halle. Die geringste Belastung hatte der Landkreis Harz. Bei den linksextremen Straftaten führen Magdeburg, Salzwedel und das Jerichower Land. Auch hier ist der Harz Schlusslicht.