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Ulrich Pape aus Samswegen lädt seit der Fußball-WM 2010 zum gemeinsamen Spielegucken ein Kuhstall-Club: "Jetzt geht\'s looos!"

Von Bernd Kaufholz 08.06.2012, 03:16

Vuvuzelas blöken, Trompeten tröten, Arme über schwarz-weiß-rot behütete Köpfe gerissen, Händeklatschen, ein ohrenbetäubender Toooooorschrei hallt von den Wänden des alten Kuhstalls zurück. Ulrich Pape und seine Freunde wärmen sich für den EM-Anstoß auf.

Samswegen l Die Geschichte des Samsweger Kuhstall-Clubs begann vor drei Jahren. Ulrich Pape erinnert sich: "Champions-League-Finale 2009 zwischen Barcelona und Manchester United. Mein Sohn wurde am selben Tag 18, und er hatte Freunde eingeladen. Alles Fußballverrückte wie er selbst."

Nach den Rückmeldungen der Feiergäste sei der Sohn zerknirscht zu ihm gekommen und habe gesagt: "Papa, ich habe ein Problem. Mein Gäste wollen entweder vor dem Spiel kommen oder erst danach."

Pape besorgte eine Sat-Schüssel und schaffte Platz im ehemaligen LPG-Kuhstall gleich neben seinem Haus. Die Party war gerettet und die Fußballverrückten, von denen selbst viele aktiv beim SSV Samswegen sind, kamen zu ihrem Recht.

30 Freunde sollt ihr sein

So richtig los ging es dann jedoch bei der Heim-WM 2010, sagt der 60-Jährige. Schnell hatte es sich herumgesprochen, dass sich neben dem alten Küchenbuffet, den Postern an den Wänden, zwischen Fanartikeln, vor den ausgemusterten Stühlen und Tischen auf einer 3,8 mal 3 Meter großen Beamerleindwand prima in Gruppe Fußball gucken lässt.

Bei Spitzenbegegnungen fiebern seitdem knapp 30 Freunde zwischen 17 und 64 Jahren mit den deutschen Clubteams oder der Nationalelf mit. "Fußballfan" Desdemona war beim ernüchternden 0:1 am 9. Juli 2011, durch das die deutsche Frauennationalmannschaft im Viertelfinale aus der WM flog, sogar von der eigenen Geburtstagsfeier in den alten Kuhstall umgezogen.

"Die Spiele gemeinsam anzusehen, das hat doch was", sagt sie und erntet im Kreis derer, die am Mittwochabend im Bördedorf "vorglühen", beifälliges Nicken. Schmalzstullen und Gurken gehören zum Gemeinschaftserlebnis genauso dazu wie eine Kiste Bier.

Bedauerlich nur, dass "Rita" tot ist. War doch das Hornvieh nicht nur eine herkömmliche Ziege. Sie war wie der leider viel zu früh von uns gegangene Krake Paul ein wahrer Seher. Er konnte Spielausgänge vorhersagen.

"Na so doll war das aber nicht", wirft Kerstin Pape ein. "Wir haben das mit zwei Kartoffeln gemacht. Eine links, eine rechts. Aber sie hat immer von links zu fressen angefangen."

Doch Ritas Nachfolgerin "Gerda" vom Wildpark Weißewarte in der Altmark steht ab heute bereit, um Sieg und Niederlage vorauszusagen. "Aber irgendwie müssen wir das mit dem Futterangebot diesmal anders machen", meint Ehemann Ulrich. "Damit wir zu tragfähigen Ergebnissen kommen."

Noch nicht das Bügeln gelernt

Gewettet wird auch im Samsweger Kuhstall-Club. Doch damit hat Ulrich Pape bisher kein Glück gehabt. Bei der letzten WM lag er mit seinen Voraussagen weit hinten. Da war es auch kein Trost, dass ihm der Sohn auf die Schulter geklopft und getröstet hatte: Wahre Experten liegen mit ihren Tipps zumeist ganz daneben.

Seinen 2010er Wetteinsatz hat Pape allerdings bis heute nicht eingelöst. "Ich habe versprochen, bei meiner Frau das Bügeln zu lernen. Aber die Zeit ..."

Natürlich sind sich die Gruppen-Gucker alle einig, dass es nur einen Europameister geben kann: Deutschland. Sabine Kaiser: "Wir drücken unserer Mannschaft ganz doll die Daumen."

Nur das "gebrannte Kind" Ulrich Pape ist etwas zurückhaltender: "Hmmm, Gastgeber sind ja immer ein Geheimtipp. Man darf Polen nicht unterschätzen."

Oben, auf dem ehemaligen Getreideboden, stehen ein Billard und ein Kicker. In der Halbzeitpause toben sich die jungen Leute dort aus. "Wir Oldies werten lieber das Spiel aus", sagt der Hausherr. Und das kann auch schon mal "mit einer Träne im Knopfloch" passieren, wenn das Spiel der deutschen Elf in die Hose geht.

Der Torschrei klappt schon ausgezeichnet. Das Bier steht kalt. Und dem ersten Gemeinschaftserlebnis des Kuhstall-Clubs steht heute Abend nichts mehr im Wege.