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Landesparteitag Bei der AfD ist Druck auf dem Kessel

Sachsen-Anhalts AfD wählt an diesem Wochenende in Magdeburg einen neuen Landesvorstand. Insider erwarten einen turbulenten Landesparteitag.

Von Michael Bock 08.06.2018, 01:01

Magdeburg l Nach dem Rücktritt von André Poggenburg ist der Bundestagsabgeordnete Martin Reichardt klarer Favorit für die Wahl des neuen Landesvorsitzenden. In dem nach wie vor zerstrittenen Landesverband wird der 48-Jährige – zackig im Auftreten, dröhnende Stimme – in allen Lagern geschätzt. Alles andere als ein gutes Wahlergebnis wäre eine faustdicke Überraschung.

Reichardt ist seit 2015 AfD-Mitglied. Zuvor war der in Hermsdorf (Börde) lebende Vater von drei Kindern bereits in der SPD, bei den Republikanern und bei der FDP politisch tätig. Poggenburg hatte Anfang März seinen Rücktritt als Partei- und Fraktionschef erklärt. Er begründete dies mit dem medialen Echo und großen Druck nach seiner Rede beim politischen Aschermittwoch. Er hatte die türkische Gemeinde in Deutschland als „Kümmelhändler“ und „Kameltreiber“ bezeichnet.

Geplant ist jetzt, den Landesvorstand von acht auf 13 Mitglieder zu vergrößern. Voraussetzung dafür ist, dass die Satzung geändert wird. Die Besetzung der Vorstandsposten wird spannend. Unterschiedliche Charaktere aus unterschiedlichen Flügeln treffen aufeinander. „Es sind hitzige Debatten zu erwarten“, sagt ein Parteikenner.

Auf der Internetseite des AfD-Landesverbandes war bis gestern nicht eine Bewerbung zu finden. Offiziell herrscht – dröhnendes Schweigen. Hinter den Kulissen aber gibt es viel Geflüster und Geraune, Geschiebe und Gemauschel. Es wird intrigriert, Lager formieren sich. Die Stimmung ist aufgeheizt, ist immer wieder zu hören. Die Karten werden neu gemischt. Klar ist nur: Vieles ist unklar. Einer sagt: „Es ist mächtig Druck auf dem Kessel.“

Fest steht allerdings: André Poggenburg, in der Partei kürzlich noch allmächtig, jetzt tief gefallen, tritt nicht mehr für den Vorstand an. Das bestätigte er der Volksstimme. Auch Poggenburgs Lebensgefährtin Lisa Lehmann und deren Vater Mario Lehmann wollen sich aus dem Gremium zurückziehen.

Für den Vorstand bewirbt sich Jan Wenzel Schmidt. Der Landeschef der Nachwuchsorganisation „Junge Alternative“ möchte Schriftführer werden, bestätigte er der Volksstimme. Der Magdeburger Kreischef Ronny Kumpf, politischer Ziehsohn Poggenburgs, sagte, er werde wieder für das Amt des Vize-Parteichefs (zurzeit zwei) kandidieren.

Auch Kay Uwe Ziegler (Eisleben) kündigte im Volksstimme-Gespräch an, für den Vize-Landesvorsitz kandidieren zu wollen. Ziegler ist einer der Sprecher der „Alternative Mitte Sachsen-Anhalt“, des als gemäßigt geltenden Parteiflügels. Noch im Frühjahr 2017 war er ins Visier der Parteispitze geraten. Poggenburg warf ihm und anderen vor, einer Verschwörergruppe anzuhören, die den Vorstand kippen will. Er sprach von „subversivem Verhalten“. Ziegler hat das stets bestritten. Nach Poggenburgs Aschermittwochsrede revanchierte sich die „Alternative Mitte“. Sie warf ihm „Gossenniveau“ vor und sprach von einer „absoluten Fehlbesetzung“ für den Landesvorsitz.

Avancen auf den Vize-Parteivorsitz werden auch Hans-Thomas Tillschneider nachgesagt. Der Landtagsabgeordnete gilt als Rechtsaußen in der Partei und sympathisiert mit der rechtsextremen Identitären Bewegung. Allerdings: Zuletzt war bekannt geworden, dass große Teile der AfD-Basis im Saalekreis – dort ist Tillschneider Kreischef – gegen ihren Vorsitzenden rebellieren. „Der steht unter Feuer“, heißt es. Mehr als 30 Mitglieder haben die Abwahl des Vorstands unter Tillschneiders Führung gefordert. Tillschneider war gestern nicht zu erreichen.

Der Bundestagsabgeordnete Frank Pasemann bestätigte der Volksstimme, dass er wieder für das Amt des Landesschatzmeisters antreten werde. Doch in der AfD gibt es starke Kräfte, die eine Wiederwahl des Magdeburgers verhindern wollen.

Der Bericht der zwei Kassenprüfer könnte ihnen gute Argumente liefern. Nach Volksstimme-Informationen wollen diese dem Parteitag empfehlen, den Landesvorstand nicht zu entlasten. Grund: Die von Pasemann für das Jahr 2017 vorgelegten Unterlagen seien für eine ordentliche Prüfung ungeeignet. Erzählt wird, der Schatzmeister habe die Prüfer arrogant behandelt und immer wieder hingehalten.

Pasemann-Gegner bringen sich in Stellung. Sie sehen in ihm einen Blender und Scharlatan. Pasemann polarisiert schon immer. Bei Parteitagen wird der Schatzmeister, der durchaus als gewiefter Strippenzieher gilt, von Gegnern gern lautstark und öffentlich als „Paselüg“ beschimpft.

Pasemann sagte der Volksstimme Donnerstag, er kenne den Bericht der Rechnungsprüfer nicht. Er ist auch Vize-Schatzmeister der Bundes-AfD. Sollte er sein Amt in Sachsen-Anhalt verlieren, sei er in dieser Funktion in Berlin nicht zu halten, hoffen Pasemann-Gegner.