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Landespolitik Bei Beiträgen für Straßenausbau umdenken?

Eine Abschaffung der Straßenausbaubeiträge könnte Sachsen-Anhalt jährlich rund 27 Millionen Euro kosten.

11.09.2019, 07:53

Magdeburg/Berlin (dpa) | Der Verband Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN) will im Oktober die sachsen-anhaltischen Bürgerinitiativen gegen Straßenausbaubeiträge unter einem Dach bündeln. "Das erhöht noch einmal den politischen Druck auf die Landesregierung", sagte VDGN-Präsident Christian Gräff der Deutschen Presse-Agentur. Vor allem die CDU wehre sich auf Landesebene vehement gegen die Abschaffung der umstrittenen Beiträge. Gräff fordert ein Umdenken in der Landespolitik.

Warum sind die Straßenausbaubeiträge den Grundstückseignern so ein Dorn im Auge?
Straßenausbaubeiträge, die oft fünfstellige Höhen erreichen, sind unsozial und ungerecht. Wir leben im Zeitalter allgemeiner Mobilität. Auch kommunale Straßen werden von der Allgemeinheit genutzt und müssen deshalb von der Allgemeinheit bezahlt werden. Betroffene können dagegen juristisch vorgehen und erhalten beim VDGN auch rechtlichen Beistand gegen die Erhebung dieser Beiträge.

Über welche Summen reden wir in Sachsen-Anhalt in diesem Zusammenhang eigentlich?
Eine Abschaffung der Straßenausbaubeiträge würde das Land nach Angaben der Linken jährlich 27 Millionen Euro kosten. Von 2015 bis 2017 sind pro Jahr im Schnitt lediglich zehn Millionen Euro an Beiträgen eingenommen worden. Die Gründe: Die Kommunen halten sich wegen befürchteter Bürgerproteste zurück und es fehlen Baukapazitäten beim Straßenausbau. Diese Summen sind aber nichts im Vergleich zum Investitionsstau im Verkehrsbereich: Dieser liegt alleine bei den Kreisstraßen mittlerweile bei 800 Millionen Euro. Für diese Summe muss das Land in voller Höhe aufkommen, da diese Straßen nicht dem Straßenausbaubeitragsgesetz unterliegen. Es muss generell ein Umdenken in der Landespolitik stattfinden, was die Modernisierung und Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur angeht.

Sie wollen jetzt Bürgerinitiativen bündeln, die eine Abschaffung der Beiträge fordern. Was versprechen Sie sich davon?
Wir wollen primär den zahlreichen Bürgerinitiativen in den Kommunen mit unseren Erfahrungen helfen – wie etwa zuletzt in Thüringen. Deshalb sind wir deren Wunsch gefolgt, die Arbeit auf Landesebene zu unterstützen und zu koordinieren. Erste Demonstrationen vor dem Landtag im Frühjahr haben die Geschlossenheit der Bürgerinitiativen bereits gezeigt. Die Übergabe von 30 000 Unterschriften ist in Vorbereitung wie auch die Gründung eines Dachverbandes der Bürgerinitiativen auf Landesebene. Das erhöht noch einmal den politischen Druck auf die Landesregierung.

Wo sehen Sie derzeit die größten Hindernisse, mit Ihrer Forderung durchzukommen?
Ausschließlich die CDU hält mit einem beispiellosen Starrsinn an den Straßenausbaubeiträgen fest und stellt sich damit gegen die vielen Kommunalpolitiker und Bürgermeister aus der eigenen Partei. Ministerpräsident Haseloff und die von der Union geführten Ministerien wie auch die CDU-Landtagsfraktion haben die Abschaffung der Beiträge auch jüngst nach unseren Schreiben erneut abgelehnt. Von einer Landesregierung kann man einfach mehr Bürgernähe erwarten.


Mit welchen Fraktionen im Landtag haben Sie bisher schon Gespräche aufgenommen und welche Rückmeldungen haben Sie bekommen?
Wir haben speziell mit den Freien Wählern, der SPD und den Linken positive Gespräche geführt und setzen diesen Dialog weiter fort. Auch alle anderen Parteien mit Ausnahme der CDU haben erklärt, dass sie für die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge sind. Wir hoffen, dass die Union ihre Blockadehaltung in dieser Sache demnächst aufgibt.

Wie handhaben andere Bundesländer die Sache mit den Straßenausbaubeiträgen?
Sechs Bundesländer haben diese Beiträge mittlerweile abgeschafft, zuletzt Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. In Thüringen steht es bevor. In sieben Bundesländern können die Gemeinden selbst entscheiden, ob sie diese Beiträge erheben. Aktuell gibt es nur noch zwei Bundesländer, die diese Beiträge verpflichtend erheben. Das ist neben Sachsen-Anhalt noch Nordrhein-Westfalen. Auch hier wackelt die Zwangsabgabe. Dort haben fast eine halbe Million Bürger eine Volksinitiative für die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge unterschrieben.

ZUR PERSON: Christian Gräff wurde am 14. Juni 2019 auf dem Verbandstag in Berlin einstimmig zum neuen Präsidenten des VDGN gewählt. Er wurde im Berliner Stadtbezirk Pankow geboren, ist 40 Jahre alt, selbstständiger Kaufmann und führt ein Unternehmen zur Entwicklung ländlicher Räume. Er gehört der CDU an und ist seit 2016 Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses. Von 2006 bis 2016 war er Bezirksstadtrat von Marzahn-Hellersdorf.