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Prozess 31-Jähriger soll kiloweise Drogen in altem Pferdestall gelagert haben

Ein 31-jähriger Schönebecker muss sich seit Mittwoch (28. Juli) am Magdeburger Landgericht wegen Drogenhandels verantworten. Er habe über „EncroChat“ gehandelt.

Von Matthias Fricke 29.07.2021, 05:00
Der Angeklagte versteckt sich im Magdeburger Landgericht hinter einer  Fernsehzeitschrift.
Der Angeklagte versteckt sich im Magdeburger Landgericht hinter einer Fernsehzeitschrift. Foto: Matthias Fricke

Magdeburg - Als am 19. März dieses Jahres die Fahnder des Landeskriminalamtes das Drogen-Lager von Tommy A. und seinem gesondert verfolgten Komplizen im Magdeburger Stadtteil Ottersleben aufsuchen, wird es ein langer Arbeitstag für die Ermittler. Für den 31-Jährigen endet er hinter Gittern.

Seit Mittwoch sitzt er auf der Anklagebank des Magdeburger Landgerichtes und schützt sein Gesicht vor den Fotografen mit einer Fernsehzeitung. Wenn es nach dem Staatsanwalt geht, dürfte der Familienvater auch in der Zukunft genug Zeit fürs TV im Justizvollzug haben. Dem Angeklagten droht im Fall einer Verurteilung nämlich eine Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren.

Das Drogenlager im Erdgeschoss eines historischen Pferdestalles hat nur einen Zugang. Was die Beamten in den beiden dort befindlichen Tresoren finden, füllt eine größere Liste. Darunter sind 9,3 Kilogramm Marihuana, 3,3 Kilogramm Kokain, 7,8 Kilogramm Amphetamine, 9,5 Kilogramm Ecstasytabletten und rund 500 Gramm Methamphetamine.

In einer gelben Metalltonne, die nur mit einem Deckel abgedeckt gewesen sein soll, finden die Ermittler eine im Stoffbeutel versteckte halbautomatische Pistole. Im Magazin stecken drei Patronen. Der Staatsanwalt erklärt: „Diese Waffe konnte er ohne nennenswerten Zeitaufwand ergreifen.“ Damit kommt auch ein bewaffneter Drogenhandel als Verbrechen infrage.

Gelungen ist den Magdeburger Kriminalisten der Schlag vor allem, weil französische und niederländische Fahnder Anfang 2020 das Kommunikationsnetzwerk „EncroChat“ gehackt und live die Unterhaltungen von zumeist Schwerkriminellen in ganz Europa mitverfolgen konnten.

Der Server von „EncroChat“ wurde damals von mehr als 60 000 Kunden genutzt. Im April 2020 erhielt das Bundeskriminalamt (BKA) über Europol Datensätze mit deutschem Bezug. 2250 Ermittlungsverfahren wurden deutschlandweit eingeleitet. Unter den Daten waren auch die Nachrichten von Nutzern mit dem Nicknamen „newbrook“ bzw. „noisydove“. Beide sollen dem Angeklagten und dem gesondert verfolgten Mittäter, mit dem er das Lager geführt haben soll, gehören. Die extra umgebauten sogenannten Kryptohandys hatten völlige Abhörsicherheit versprochen. Vor allem aus diesem Grund trafen meist Kriminelle ganz ungeniert und offen alle Absprachen über dieses verschlüsselte Netzwerk.

Erst in dieser Woche ist in Magdeburg ein Drogen-Kurier zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Mann über „EncroChat“ alle seine Lieferaufträge teilweise im zweistelligen Kilogramm-Bereich abgewickelt hat.

So ähnlich soll der Handel, zumindest aus Sicht der Staatsanwaltschaft, auch in diesem Verfahren abgelaufen sein. Ein Beispiel: Irgendwann im April 2020 kam eine Bestellung bei den Magdeburgern an. Die Käufer verhandelten mit Nicknamen wie „underpaidpike“ und „mysticfire“. Es ging um fünf Kilogramm Marihuana. Der Angeklagte soll daraufhin den Stoff nach Leipzig geliefert haben. In einem unter einer Eisenbahnbrücke geparkten blauen Fahrzeug habe er die Drogen abgelegt, nachdem er das dort hinterlegte Geld mitnahm. Die Fahrzeugschlüssel lagen, wie verabredet, auf einem der Räder. Solche Übergaben soll es laut Anklage auch am Jersleber See, in Hermsdorf und in der Nähe von Meitzendorf in Größenordnungen von jeweils bis zu 35 Kilogramm gegeben haben.

Insgesamt beantragte die Staatsanwaltschaft die Einziehung von rund 100 000 Euro beim Angeklagten. Dieser schwieg bisher. Einer seiner Anwälte erklärte aber, dass sein Mandant zu einem späteren Zeitpunkt Stellung nehmen werde. Der Prozess wird nächste Woche fortgesetzt.

Eine kleine Menge Kokain.
Eine kleine Menge Kokain.
Foto: dpa