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Tag der Freundschaft Sachsen-Anhalts Kinderbeauftragter: Digitale Freunde nicht alles

Holger Paech erklärt im Interview, welchen Einfluss die Corona-Pandemie auf Kinder und Jugendliche hatte und wie Kinder neue Freunde finden.

Von Tom Szyja 30.07.2021, 00:15
Holger Paech, Kinder- und Jugendbeauftragter des Landes Sachsen-Anhalt.
Holger Paech, Kinder- und Jugendbeauftragter des Landes Sachsen-Anhalt. Foto: Kaya Krahn

Herr Paech, am 30. Juli feiern Menschen auf der ganzen Welt den Tag der Freundschaft. Was genau bedeutet das Konzept Freundschaft für Kinder und Jugendliche?

Holger Paech: Mit Freunden schafft man einfach alles. Über einzelne gemeinsame Erlebnisse und Interessen wachsen Sympathien und nachhaltiges Vertrauen. Und ehe du dich versiehst, durchläufst du über einen sehr langen Zeitraum eine gemeinsame Entwicklung. Besonders langlebige und innige Freundschaften werden schon im frühen Kindesalter geschlossen. Die sogenannten „Sandkasten-Freundschaften“ sind oftmals die stabilsten.

Wie unterscheidet sich das Finden neuer Freunde im Kindesalter von dem Prozess unter Erwachsenen?

Bei Kindern läuft das viel spielerischer ab. Sie sind offen für alles Neue – kennen keine Scheu. Da kann schon ein buntes T-Shirt, ein Lächeln, eine Handbewegung ausreichen, dass Kinder aufeinander zugehen. Kinder ziehen auch einfach los und suchen Freunde – etwa in der Nachbarschaft. Wir Erwachsene wissen doch manchmal gar nicht, wer noch so alles im Hauseingang wohnt. Kinder sind auch entwaffnend offen und ehrlich. Sie können einander eher verzeihen als Erwachsene, wenn es zwischen ihnen mal richtig kracht. Auch drucksen sie nicht lange rum, wenn es gar nichts mehr wird. Lange Trauer gibt es dann nicht. Vielmehr heißt es: Auf ein Neues.

Gibt es Unterschiede zwischen Freundschaften, die zwischen Mädchen geschlossen werden, und denen unter Jungs?

Das weiß ich nicht wirklich. Aber egal, ob Mädchen oder Junge: Freundschaften werden über gemeinsame Werte und Interessen geschlossen. Man hält in schwierigen Zeiten zusammen, geht durch dick und dünn. Da spielt es dann keine Rolle, was für ein Geschlecht die andere Person hat.

In den vergangenen 1,5 Jahren wurden Freundschaften auf eine harte Probe gestellt: Die Corona-Pandemie sorgte für eine strikte Reduzierung sozialer Kontakte. Was hat es mit Kindern gemacht, dass sie über lange Zeit ihre Freunde nicht, oder wenn nur im Video-Chat, sehen konnten?

Corona hat Kinder extrem eingeschränkt. Schulen und Kitas waren lange Zeit geschlossen. Freunde konnten nicht getroffen werden, das gemeinsame Sporttreiben fiel aus. Die Grundrechte von Kindern und Jugendlichen wurden extrem beschnitten. Nicht wenige Kinder sind vereinsamt, haben jetzt größere Probleme in der Schule. Hier muss die Erwachsenen-Welt ran und für Kinder und Jugendliche mehr tun und auch mehr Geld aufwenden als bislang.

Konnte die digitale Kommunikation die soziale Kälte etwas abfedern?

Sicherlich nutzen Kinder und vor allem Jugendliche die sozialen Medien mehr als ich zum Beispiel. Dennoch kann diese Art der virtuellen Kommunikation nicht das persönliche Treffen ersetzen. Kommunikation ist mehr als Reden. Wir spüren, fühlen, riechen, sehen jeden Wimpernschlag. Mir haben aber auch Kinder erzählt, dass die Corona-Pandemie einen positiven Effekt hatte: Sie haben erfahren, wer wirkliche Freunde sind oder wer sich allein wegen der Hausaufgaben meldet.

Ich habe nur zwei richtig enge Freunde, aber denen kann ich zu 110 Prozent vertrauen

Holger Paech

Auch unabhängig von der Pandemie werden immer mehr Freundschaften über das Internet geknüpft oder über die digitale Welt gehalten, vor allem über unterschiedliche soziale Netzwerke. Sehen Sie die „Facebook-Freundschaft“ eher als Fluch oder Segen?

Ich will die sozialen Medien nicht verteufeln. Dennoch ist eine digitale Freundschaft nicht gleichzusetzen mit einer realen. Die emotionale Reaktion unserer Freunde geht in der virtuellen Welt verloren. In der heutigen Zeit gehören aber offenbar beide Welten zu einer Freundschaft.

Der 30. Juli ist seit 2011 von den Vereinten Nationen als offizieller Internationaler Tag der Freundschaft anerkannt. Wie sollten wir Ihrer Meinung den Tag zelebrieren?

Bei Freundschaften ist es wichtig, auch über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen. Vor kurzem haben Kinder und ihre Familien in Deutschland durch verheerende Unwetter Verwandte oder ihr ganzes Hab und Gut verloren. Diese Menschen können aktuell jede Hilfe gebrauchen. Freundschaft heißt auch helfen – etwa mit Sachspenden. Wer weiß, vielleicht entstehen durch solche Hilfsmaßnahmen auch neue Freundschaften.

Zum Abschluss noch eine persönliche Frage: Was zeichnet für Sie eine gute Freundschaft aus?

Ich gehöre zu jenen Menschen, die viele Dinge eher mit sich selbst ausmachen, gerade wenn es mir nicht gut geht. Und doch habe ich zwei sehr gute Freunde, die ich schon lange kenne. Wir gucken uns nicht gegenseitig in den Kochtopf. Wir können wirklich alles miteinander besprechen. Wir sind nicht immer einer Meinung. Wir akzeptieren unsere Verschiedenheit. Selbst wenn wir uns lange Zeit nicht gesehen haben. Jede Begegnung ist so, als hätten wir uns gerade gestern gesprochen. Auf meine Freunde kann ich mich zu 110 Prozent verlassen – in guten wie in schlechten Zeiten. Dafür bin ich dankbar.