1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Der heiße Stuhl bleibt kalt

EIL

Landtag Der heiße Stuhl bleibt kalt

Neuauflage des "heißen Stuhls" in Sachsen-Anhalts Landtag: Abgeordnete fragen direkt Kabinettsmitglieder.

Von Michael Bock 21.06.2018, 01:01

Magdeburg l Es ist gestern kurz nach 12 Uhr, Premiere im Landtag. Abgeordnete sollen dem Ministerpräsidenten und den Ministern auf den Zahn fühlen. Schnelle Frage, schnelle Antwort – zack, zack, so soll es laufen. Nachfragen sind erlaubt. Etwas Ähnliches gab es schon mal vor Jahren. Es hieß der „heiße Stuhl“, wurde aber 2013 von der schwarz-roten Koalition abgeschafft.

Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch (CDU) erklärt das Prozedere. Fragen werden am Saalmikrofon gestellt, die Antwort kommt vom Pult – mit Blick in die Abgeordnetenreihen. Nicht alle hören zu. Die Präsidentin, von Beruf Erzieherin, muss streng werden. Markus Kurze darf die erste Frage stellen. Thema: Probleme bei der Verteilung von UKW-Frequenzen.

Nichts, was Staatsminister Rainer Robra (CDU) Schweißperlen auf die Stirn treibt. Nicht mal ein „heißes Stühlchen“ ist das.

CDU-Mann Kurze gehört wohl zu denen, die zuvor nicht ganz so genau zugehört haben. Er steht gleich am falschen Mikrofon. Die Präsidentin weist ihn nach der Rede freundlich darauf hin. „Ohhh“, sagt Kurze und lacht verlegen. „Das ist die Aufregung.“ Da ist zumindest ihm mal heiß geworden.

Grillen möchte Thomas Lippmann, Fraktionschef der Linken, am liebsten den Ministerpräsidenten. Reiner Haseloff hat die Linken zuvor mit ihrer Forderung auf eine Regierungserklärung zur Asylpolitik abblitzen lassen. Das war so zu erwarten. Darum soll er jetzt hier, auf dem „heißen Stuhl“ (tatsächlich stehen alle) ins Schwitzen kommen. Also wärmt Lippmann mächtig vor. Er geißelt das „rücksichtslose und von Wahlkampfgetöse getriebene Auftreten einer bayerischen Regionalpartei“.

Es gehe um die Frage, ob die Regierungen der Länder zur Geltung und Einhaltung der europäischen Normen stünden, oder ob „der nationale und rechtswidrige Alleingang des Innenministers zur Abschottung der deutschen Binnengrenzen“ von ihnen unterstützt werde. Lippmann: „Es muss Klarheit hergestellt werden, auf welcher Seite Sachsen-Anhalt steht.“

Große Teile des CDU-Landesverbandes stehen hinter den Positionen von Bundesinnenminister Horst Seehofer, darunter Parteichef Thomas Webel und CDU-Vize André Schröder – beide sitzen auch als Minister im Kabinett. Haseloff lässt sich nicht aus der Reserve locken. Sachsen-Anhalts Regierung habe keinen Anlass, „einen internen Konflikt in der Bundesregierung zu kommentieren“, blockt der Ministerpräsident kühl ab. Erst bei einer grundlegenden Änderung des Asylrechts werde sich die Landesregierung positionieren. Derzeit sehe er keinen Handlungsbedarf.

Bei Haseloff gibt es viele Nachfragen, vor allem von der Linken. Das macht die Sache munterer. Wie ist denn das mit den Anti-Merkel-Positionierungen seiner Minister? Sind die alle irrelevant?, fragt Wulf Gallert. Wenn sich etwa Thomas Webel als Landeschef oder andere CDU-Mitglieder parteipolitisch zur Asylpolitik äußern würden, dann sei das „legitim“, sagt Haseloff. „Wir haben eine Parteien-Demokratie.“ Und überhaupt: Es sei doch die Linke, die in der Flüchtlingsfrage innerlich zerrissen sei.

Nur einmal wirkt Haseloff ein wenig genervt. Da ruft er dem Linken-Parlamentarier Stefan Gebhardt zu: „Wollen Sie nun meine Antwort haben, oder soll ich mich setzen?“ Da wird es heißer im Parlament – ein ganz kleines bisschen.