1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Sachsen-Anhalt droht neue Feldmausplage

Landwirtschaft Sachsen-Anhalt droht neue Feldmausplage

Sachsen-Anhalt droht im zweiten Jahr in Folge eine Mäuseplage. Die Nager sind trotz der Kälte im Februar gut über den Winter gekommen.

26.03.2021, 07:10

Bernburg/Prießnitz (dpa) l Andreas Lorenz stapft über den aufgeweichten Ackerboden bei Prießnitz im Burgenlandkreis. Dem Landwirt steht die Sorge ins Gesicht geschrieben. Ein Mauseloch reiht sich an das nächste. Andreas Lorenz bangt um die jungen Pflänzchen. "Hier sieht man gut, dass das Loch zu einem bewohnten Mäusebau führt", sagt er. Ein Rapsblatt, das von den Nagetieren halb in das Loch gezogen wurde, zeigt ihm, dass es hier Bewohner gibt.

Gemeinsam mit Frank Teßner vom Halleschen Amt für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten tritt er die Mauselöcher zu. Die sogenannte Lochtretmethode wird achtmal im Jahr überall im Land angewendet, um zu schätzen, wie groß die Mäusepopulation ist. "Wir machen das auf einem Areal von 250 Quadratmetern", erklärt Frank Teßner. "Am nächsten Tag kontrollieren wir, wie viele Löcher wieder geöffnet sind und können so Rückschlüsse ziehen, wie viele Mäuse auf dem Schlag leben."

Ab wann Maßnahmen ergriffen werden müssen, ist genau festgelegt. "Wir gehen davon aus, dass ab 5 bis 8 wiedergeöffneten Löchern Handlungsbedarf besteht", sagt Frank Teßner. Im vergangenen Sommer erreichten die Werte mit bis zu 350 wiedergeöffneten Löchern Rekordwerte.

Christian Wolff, im Landesamt für Landwirtschaft und Gartenbau für Pflanzenschutz zuständig, hat sich intensiv mit Feldmäusen beschäftigt. Für ein Forschungsprojekt wurden Mäuse gefangen und gechipt, ihre Bewegungen verfolgt. Dadurch ist bekannt, dass sie von den Feldrändern auf die Äcker einwandern.

Christian Wolff weiß, dass es immer wieder Massenvermehrungen gibt. "Üblicherweise bricht die Population aber dann wieder zusammen", berichtet Wolff. So war es auch nach den letzten Massengradationen 2012 und 2015. Damals wurden Spitzenwerte von 200 wiedergeöffneten Löchern gezählt. Im Landesschnitt lagen die Werte bei 30. Innerhalb weniger Monate schrumpfte das Mäusevolk wieder auf Normalgröße.

Nicht so in diesem Winter. "Im November hatten wir noch einen sehr großen Mäusebestand. Die Kälte im Februar steckten die Mäuse gut weg unter der wärmenden Schneedecke. Dort vermehrten sie sich munter weiter." Laut Christian Wolff wird ein Wechsel von Temperaturen, Nässe und Frost für die Feldmäuse unbequem. Das habe es diesen Winter aber nicht gegeben.

Im vergangenen Sommer waren etwa 16 Prozent der gesamten Anbaufläche im Land von Mäusefraß betroffen. Auf 150.000 Hektar gab es mittlere bis hohe Schäden, in den schlimmsten Fällen wurden Totalausfälle verzeichnet. Hauptschwerpunkte im Land waren die Börde, das nördliche und östliche Harzvorland sowie der gesamte Süden – überall dort, wo fruchtbare Böden gute Erträge versprechen.

In einem Großteil der Gebiete sind Feldhamster bzw. Haselmäuse zu Hause. Diese vom Aussterben bedrohten Arten sind streng geschützt, so dass keine Rodentizide eingesetzt werden dürfen. Auf anderen Flächen darf das Gift nur kornweise direkt in die Mäusebauten ausgelegt werden, so dass keine geschützten Tiere zu Schaden kommen. Christian Wolff empfiehlt Landwirten, den Boden tief zu bearbeiten, um so die Mäusenester zu zerstören.

Andreas Lorenz tut dies und nimmt die Nachteile in Kauf. Durch tiefe Bodenbearbeitung wird in dem ohnehin trockenen Gebiet vermehrt Wasser verdunstet und nimmt die Bodenerosion zu. Der Landwirt hat auf seinen Feldern immer mit Mäusen zu tun. "Wir leben mit den Mäusen", sagt er, "und wir richten unseren Anbau darauf aus, halten die Böden lange schwarz, bauen auch im Herbst Früchte an und grubbern tief, um das Ausbringen von Gift zu vermeiden."

Das wäre angesichts der jetzigen Zahlen erlaubt, denn auf einigen Arealen im Land sind bis zu 200 wiedergeöffnete Löcher gezählt worden. Der Schnitt liegt bei 30, so viel wie auf dem Höhepunkt der 2015-er Massenvermehrung. Allerdings: "Der Boden ist zu feucht", stellt Andreas Lorenz fest, "die Köder lösen sich auf und werden nicht gefressen."

Der Landwirt hofft, dass die Natur die Mäusepopulation einbrechen lässt. "Erfahrungsgemäß geschieht das nach solch starken Vermehrungsjahren", weiß Christian Wolff zu berichten. "Der Rückgang über den Winter war deutlich geringer als 2015 und war deutlich geringer als wir uns versprochen hatten." Pflanzenschutzexperte Christian Wolff geht davon aus, dass die große Population sich jetzt sehr stark vermehren kann und von den Feldrändern aus die Äcker in Besitz nimmt. Feldmausweibchen bringen nach 21-tägiger Trächtigkeit bis zu 13 Junge zur Welt. So droht es für die Landwirte ein weiteres schwieriges Jahr zu werden.