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Lehrermangel Bleiben wieder Lehrerstellen frei?

Es gibt Zulagen für schwer besetzbare Lehrerstellen in Sachsen-Anhalt - und gelockerte Vorgaben. Trotzdem bleiben Stellen frei.

Von Alexander Walter 30.05.2018, 01:01

Magdeburg l 1000 Lehrer will Bildungsminister Marco Tullner (CDU) 2018 einstellen – so viele wie nie. Im Interview mit Volksstimme-Reporter Alexander Walter erklärt Linken-Fraktionschef Thomas Lippmann, warum das nicht reichen wird und es einen Mentalitätswandel im Ministerium braucht.

Volksstimme: Herr Lippmann, Bildungsminister Marco Tullner (CDU) nimmt für sich in Anspruch, die Trendwende beim Lehrermangel eingeleitet zu haben. Hat er Recht?

Thomas Lippmann: Eine Trendwende haben wir durch die seit Jahren wieder steigenden Schülerzahlen. Jeder Minister hätte darauf und auf den sinkenden Lehrkräftebestand mit mehr Neueinstellungen reagieren müssen. Aber unter Herrn Tullner geht der Personalabbau ungebrochen weiter, der Mangel wird größer und nicht kleiner. Er erledigt seine Hausaufgaben nicht.

Wirklich nicht? Immerhin hat er angekündigt, 2018 1000 Stellen auszuschreiben. Erst am Freitag ist die größte Einzelausschreibung in der Geschichte des Landes für 610 Stellen zu Ende gegangen...

Er hätte die 1000 Stellen jetzt alle zum Sommer ausschreiben müssen, da sind die 610 wieder viel zu wenig. Wir brauchen die neuen Lehrkräfte zum Schuljahresbeginn und nicht irgendwann zum Jahresende oder im zweiten Halbjahr. Dazu kommt, dass nach allen bisherigen Erfahrungen regelmäßig ein Drittel der ausgeschriebenen Stellen nicht besetzt werden kann.

Welche Folgen sehen Sie?

Vor den Klassen werden noch einmal weniger Lehrkräfte stehen als in diesem Schuljahr. Denn: Die Einstellungen wiegen die Zahl der Altersabgänge, Langzeiterkrankten und Lehrer in Elternzeit nicht auf. Ich rechne mit mindestens 200 Lehrern effektiv weniger – und das bei einem Zuwachs von schätzungsweise 2000 Schülern. Das ist ein neuer Tiefststand für die Unterrichtsversorgung.

Der Minister verweist darauf, dass er an den Haushalt gebunden ist. Wie soll er zu immer mehr Lehrern kommen?

Der Haushalt muss dem Bedarf folgen und nicht umgekehrt. Um zumindest die vorhandenen Stellen besser besetzen zu können, wäre mehr Flexibilität bei den Stellenausschreibungen erforderlich.

Maßnahmen gab es: Der Minister hat eine Online-Bewerberplattform eingeführt, Fächer spielen bei Ausschreibungen eine geringere Rolle als früher, für schwer vermittelbare Stellen etwa auf dem Land soll es Zulagen geben...

Die Online-Bewerbung hat für den Erfolg bei den Einstellungen nicht viel gebracht. Und bei der Flexibilisierung sind die Schritte viel zu klein. Die Tore für neue Lehrkräfte stehen immer noch nicht richtig offen. Die Schulverwaltung verhält sich immer noch so, als müssten sie sich die Bewerber vom Leib halten, anstatt sie zu gewinnen.

Wie geht es besser?

Der Minister muss den Großteil der Stellen ganz frei ausschreiben, also ohne Bindung an Fächer und konkrete Schulen. Über den genauen Einsatz muss man dann mit den Bewerbern reden, aber das geht nicht mit einer Online-Plattform. Außerdem sollten schon längst Vorverträge mit den Lehrkräften in unseren Lehrerseminaren abgeschlossen werden. Da ist bis heute nichts geschehen. In jeder Ausschreibung werden voll ausgebildete Lehrkräfte abgewiesen, weil irgendetwas nicht passt. Das muss aufhören.

Aber kann man einen Griechisch-/Lateinlehrer einstellen, wenn man ein ganz anderes Fach braucht?

Ja, da muss man mit ihm klären, was er von dem, was gebraucht wird, unterrichten kann. Die jungen Leute können ja nicht nur ausschließlich die Fächer, die sie studiert haben. Das war schon immer so. Die Alternative wäre doch, gar keine Lehrer zu haben. Die Zeiten des Lehrerüberflusses sind lange vorbei. Was wir brauchen, ist ein Mentalitätswandel.

Mit Hochschulabsolventen ohne Pädagogikabschluss gibt es allerdings auch Alternativen zu voll ausgebildeten Lehren...

Diese Seiteneinsteiger können aber voll ausgebildete Lehrer nicht ersetzen, da gibt es im Hinblick auf die Qualität in unseren Schulen auch Grenzen.

Die Linke war Mitinitiatorin einer Volksinitiative, die 2017 70 000 Unterschriften für mehr Personal in den Schulen gesammelt hat. Nach der Ankündigung des Ministers 1000 Lehrer einzustellen, ist es ruhig um das Bündnis geworden. Ändert sich das gerade?

Mit der aktuellen Ausschreibung werden die Versprechen nicht eingelöst, die der Volksinitiative gegeben wurden. Wenn auch mit dem neuen Landeshaushalt für 2019 keine Weichen gestellt werden, muss über einen neuen Anlauf für ein Volksbegehren gesprochen werden. Damit würde man der Bevölkerung die Möglichkeit geben, den Personalbedarf direkt in das Schulgesetz hineinzuschreiben.