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Lichtspielhäuser Schwere Krise für Kino-Branche

Sachsen-Anhalts Kinos leiden unter den schlechtesten Besucherzahlen seit rund 25 Jahren. Die Betreiber kleinerer Kinos wollen kämpfen.

Von Janette Beck 26.02.2019, 00:01

Magdeburg l Kassensturz! Alle Jahre wieder ziehen die Kinos anlässlich der Berlinale Bilanz. Die Branche, das zeigen die Ergebnisse der vergangenen Jahre, ist starken Schwankungen unterworfen. So gibt es mal schlechte und mal gute Nachrichten. Frei nach dem Motto: Das Kino ist tot, es lebe das Kino! Dass es in Bezug auf Besucher und Umsatz aktuell die schlechtesten Zahlen seit 1992 zu vermelden gab, ließ die Alarmglocken aber doch etwas lauter schrillen. Tenor: Das deutsche Kino steckt in der Krise.

Auch Sachsen-Anhalt, egal, ob Multiplex-Kino, „normale“ Lichtspieltheater oder Programmkino, ist da keine Ausnahme: Kamen im „Boomjahr“ 2015 rund 3,1 Millionen Besucher, waren es im Vorjahr ein Viertel weniger (2,3 Millionen). Allein zwischen 2017 und 2018 sank die Zahl um mehr als 330.000. Eklatant ist auch der Umsatzeinbruch von gut 15 Prozent von 22,4 (2017) auf 19,1 Millionen Euro (2018).

Die „Global-Player“ in der Region halten sich zur Situation allerdings bedeckt. Auf die Anfragen der Volksstimme im CinemaxX und CineStar in Magdeburg heißt es aus den Zentralen beider Kinos, man wolle keine Angaben zu Ticketverkäufen und Besucherzahlen 2018 machen – „aus Wettbewerbsgründen“.

Das Kino „Burg Theater“ in Burg, betrieben vom gemeinnützigen Verein „Weitblick“, macht dagegen kein Geheimnis aus seiner Bilanz. Der Vorstandsvorsitzende Bernd Goldbach erklärt: „Im Vorjahr zählten wir 16.447 Besucher, das waren 1322 weniger als 2017.“ Auch das Uppstall-Kino in Stendal, seit 2008 zur K-Motion-Gruppe gehörend, liegt im Trend: „Wir haben seit zehn Jahren im Schnitt rund 100.000 Besucher pro Jahr – mal mehr oder wie im vergangenen Jahr, mal weniger“, gibt Kinoleiter Günther Tyllack preis. In Zahlen ausgedrückt: 2017 wurden 103.000 Besucher gezählt, 2018 waren es 85.000.

„Über die Gründe lässt sich trefflich streiten“, meinen nicht nur Tyllack und Goldbach, sondern auch Frank Salender, Chef des Studiokinos in Magdeburg und Barbara Bode, Inhaberin des Filmpalastes in Salzwedel. Auch Letztere hatte 2018 mit Besucherschwund zu kämpfen. Bode beziffert das Minus auf 16 Prozent. Unabhängig davon, dass alle vier Kinochefs auf unterschiedlichen Wegen unterwegs sind und nach wie vor versuchen, mit Spezial-Angeboten wie zum Beispiel Schul-Kino-Wochen (Burg), Kino für Kenner (Stendal), Independent-Filme (Studiokino Magdeburg) oder Kino-Kaffee-Nachmittag (Salzwedel) „ihr“ Publikum anzusprechen – in einem sind sie sich mit Bode einig: „2018 war ein schlechtes Kinojahr. Aber das gibt es immer mal wieder. Es kam eben alles zusammen. Und nicht zuletzt haute auch das Filmangebot keinen so richtig vom Hocker.“

Das Kino-Jahr 2019 müsse zeigen, ob Kulturpolitikerin Monika Grütters (CDU), Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, mit ihrer Aussage Recht behält. Die Kulturstaatsministerin hatte den bundesweiten Einbruch bei den Besucherzahlen gegenüber 2017 um 14 Prozent nicht als Trend, sondern als „eine Momentaufnahme“ verkauft. Die Gründe seien plausibel: „Es gab eine Fußball-Weltmeisterschaft und einen heißen und langen Sommer. Das merken die Kinos sofort.“

Auch Stendals Kino-Leiter Tyllack urteilt: „Das Filmangebot war 2018 sehr durchwachsen.“ Als Beweis führt er den „Verkaufsschlager“ 2015 an: „Honig im Kopf‘ hatte allein in Stendal mehr als 10.000 Besucher. Der erfolgreichste Film 2018 - „Hotel Transsilvanien 3“ – zog indes gerade mal 3710 Altmärker ins Kino.

Hinzu kommt die stärker werdende Konkurrenz durch Streamingdienste wie Netflix, Amazon Prime & Co. Ihr großes Angebot für das „Kino im heimischen Wohnzimmer“ setzt die Kinos unter Druck. So schaffte es im vergangenen Jahr selbst von den erfolgreichsten Filmen keiner über die Marke von vier Millionen Besuchern. Das war 2017 noch drei Filmen gelungen.

Dass die Streamingdienste angesagt sind, hat auch einen finanziellen Hintergrund. Für knapp 11 Euro im Monat werden top-aktuelle Filme und Serien in HD-Qualität für die ganze Familie frei Haus geliefert. Das erscheint günstig im Vergleich zu einem einmaligen Kinobesuch einer vierköpfigen Familie: Da gehen für Ticket, Popcorn, Eis und Cola mal eben 50 Euro übern Tisch.

Umso mehr müsse das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmen, sind sich Sachsen-Anhalts Kino-Chefs einig. „Wer heute Kino als reine Abspielstätte betreibt, hat schon verloren“, glaubt Tyllack. Beim komplizierten Spagat zwischen Mainstream und Filmen mit Anspruch seien Mut, Ideen und Programmvielfalt gefragt. „Blockbuster hin oder her - Kino muss ein Gemeinschafts-Erlebnis sein und bleiben“, gibt sich der Altmärker kämpferisch.

Auch seine Kollegin in Salzwedel will den Kopf nicht in den Sand stecken. Bode: „Erst war es das Fernsehen, später Video, nun sind es die Streamingdienste - immer hieß es: Das Kino stirbt. Ich sage: Konkurrenz belebt das Geschäft.“ Sie hofft, dass alle – Kinobetreiber, wie Verleiher und auch Filmemacher – „wachgerüttelt und kreativ werden“. Und es werde Zeit, dass Kino von der Politik als Kulturort gesehen wird, „der genauso gefördert werden sollte wie Theater oder Museen“.

Dass die Rettung eines Kinos im ländlichen Raum honoriert wird, zeigt das „Kino-Schmuckkästchen“ in Burg. Das „Burg Theater“ stand 2009 aufgrund eines enormen Investitionsstaus vor dem Aus. „Aber Totgesagte leben bekanntlich länger“, freut sich Bernd Goldbach, der mit 30 ehrenamtlichen Helfern den Betrieb im ältesten Kino Deutschlands am Laufen hält. Der Kampf und das Setzen auf Tradition als Familienkino lohne sich: „Mit der Umstellung von analog zu digital ging es steil bergauf. Seit 2013 haben sich die Zuschauerzahlen fast verdoppelt.“ Allerdings: Mit dem Ticketverkauf allein würde sich das Ganze nicht rentieren: „Wir sind auf die Einnahmen im gastronomischen Bereich angewiesen“, so Goldbach.

Das Kino am Leben zu erhalten, ist und bleibe ein Kraftakt: „Das Ganze funktioniert nur, weil wir nie die Seele des Kinos verkauft und das Einzigartige bewahrt haben“, erklärt der als Chirurg tätige Kino-Enthusiast mit Blick auf die kultige Visionsbar aus den 1980er Jahren. Ebenso einzigartig: „Kasse, Bedienung, Reinigung – das machen wir alles selbst, um die Personalkosten gering zu halten. Deswegen ist Verstärkung jederzeit willkommen.“

Auch Studiokino-Inhaber Frank Salender hält nichts von Krisen-Szenarien. Der Kenner der Szene sagt aber auch: „Kino lebt nur, wenn wir es leben!“ Ohnehin dürfe man Äpfel nicht mit Birnen vergleichen. Multiplex-Kinos seien rein kommerziell ausgerichtete Unternehmen, die den Mainstream bedienen müssen. „Wir Programmkinos leben einen kulturellen Auftrag und haben ähnlich dem Stadttheater ein treues Stammpublikum.“

Der Bedarf an anspruchsvollen Filmen, so seine Erfahrung als Chef eines kleinen Programmkinos mit wechselnden Themenabenden, sei nach wie vor da. Seine Intention: „Kino ist mehr als die Abspielplattform der Unterhaltungsindustrie.“ Es biete Raum für Empathie und kulturelle Erfahrungen, und Kino ist ein Ort „mit vielen sozialen Funktionen und einem großen Bildungsauftrag“. Deshalb sehe er das Kino auch nicht in der Krise: „Ich würde eher von Veränderung sprechen und einem neuen Zeitgeist, dem wir uns anpassen müssen.“