1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Lastwagenfahrer händeringend gesucht

Logistik Lastwagenfahrer händeringend gesucht

Lkw-Fahrer sorgen für volle Supermärkte, für Handwerk und Industriebetriebe in Sachsen-Anhalt. Doch der Alterschnitt steigt.

02.04.2018, 08:06

Halle (dpa) l Viele Logistikunternehmen in Sachsen-Anhalt stehen vor einem echten Problem: Ihnen gehen die Fahrer aus. Die Männer hinter den Lenkrädern werden immer älter und der Nachwuchs fehlt, wie Zahlen der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen der Bundesagentur für Arbeit in Halle zeigen. Waren 2013 noch knapp 25 Prozent der Fahrer älter als 55 Jahre, waren es 2017 fast 28 Prozent.

"Die Fuhrbetriebe spüren jetzt schon ganz deutlich den demografischen Wandel. Ihre Belegschaften altern und es gibt wenig jüngere Beschäftigte, die nachfolgen", erklärte der Chef der Arbeitsagenturen in Sachsen-Anhalt, Kay Senius. "Viele Unternehmen würden gerne neue Fahrer einstellen, sie finden aber keine."

Landesweit waren Mitte 2017 laut Regionaldirektion rund 20.500 sozialversicherungspflichtig beschäftigte Lastwagenfahrer registriert. Das seien ähnlich viele gewesen wie noch 2013. Davon waren nach der Statistik rund 330 unter 25 Jahre alt und am oberen Ende der Altersskala rund 250 genau 65 Jahre oder älter. Dass die Transportunternehmen zusätzliche Kräfte suchen, wissen die Arbeitsagenturen auch aus den Stellenmeldungen der Firmen. 2013 waren im Jahresdurchschnitt 338 Stellen für Lastwagenfahrer gemeldet, 2017 dann schon rund 600.

Der Geschäftsführer des Landesverbandes des Verkehrsgewerbes Sachsen-Anhalt, Matthias Schollmeyer, hält das Problem für noch viel größer. "Viele Unternehmen melden freie Stellen schon gar nicht mehr." Sie wüssten, dass sich ohnehin keine Leute dafür finden. Schollmeyer spricht von einer "Riesen-Überalterung". Das hohe Durchschnittsalter sei auch deshalb problematisch, weil viele wegen der körperlichen Belastung schon mit Anfang 60 in Rente gehen.

Die Zahl der arbeitslosen Lastwagenfahrer schrumpfe stetig, so die Regionaldirektion. 2013 seien im Schnitt 1230 Menschen mit dem Ziel des Berufskraftfahrers arbeitslos gemeldet gewesen, im vergangenen Jahr dann nur noch 634. Das entspreche einem Minus von gut 48 Prozent. Der Rückgang bei den Arbeitslosen insgesamt sei mit minus 27 Prozent prozentual geringer ausgefallen.

Nach Angaben von Senius haben viele der Fahrer einen Job gefunden, viele seien aber auch schlichtweg in die Rente gegangen. "Diejenigen Fahrer, die jetzt noch von Arbeitslosigkeit betroffen sind, haben häufig größere individuelle Schwierigkeiten bei der Integration. Etwa weil sie schon lange arbeitslos, gesundheitlich eingeschränkt oder weniger mobil sind."

Der Markt an brauchbaren Bewerbern sei leergefegt, unterstreicht Schollmeyer. Der Verband werbe an Schulen und auf Berufsmessen – allerdings auch viele andere Berufsgruppen. Das Problem liege allerdings nicht nur bei den Bewerbern – es bildeten auch zu wenige Unternehmen in Sachsen-Anhalt aus.

"Fast 90 Prozent der Unternehmen haben maximal zehn Mitarbeiter, da können sie eine Ausbildung innerbetrieblich oft gar nicht organisieren." Also versuchten die Unternehmen mit allen Mitteln, ihre Fahrer bei der Stange zu halten – mit meist ordentlichen Löhnen, betrieblicher Altersversorgung und Gutscheinen.

Der Job des Lastwagenfahrers ist kein einfacher: Touren durch Europa seien nichts Ungewöhnliches, erläuterte die Regionaldirektion. Der Termindruck sei groß. Fahrer müssten sich mit Zollformalitäten auskennen und profunde IT-Kenntnisse mitbringen, sagt auch das Transportgewerbe.

Arbeitsmarkt-Experte Senius befürchtet ein ernstzunehmendes Problem für den immer wichtiger werdenden Logistikstandort Mitteldeutschland. Und auch aus Schollmeyers Sicht ist die Perspektive für die Branche höchst schwierig: "Definitiv wird es so sein, dass der Markt schrumpft." Große Unternehmen würden voraussichtlich größer, kleine würden vom Markt verschwinden – auch, weil sich keine Nachfolger finden. Unternehmen aus Ost-Europa seien auch keine Lösung, weil auch sie das demografische Problem hätten.

Die Arbeitsagenturen und Jobcenter versuchen laut Regionaldirektion gegenzusteuern und qualifizieren Arbeitslose und gering qualifizierte Beschäftigte zum Lastwagenfahrer. Zwischen Dezember 2016 und November 2017 etwa hätten mehr als 1300 Männer und Frauen eine geförderte Weiterbildung begonnen. Sie machten Gefahrengutscheine, Staplerscheine oder andere Weiterbildungskurse.

Aus Schollmeyers Sicht könnten Geflüchtete das Problem lindern – allerdings gebe es noch große Hürden. Beschleunigte Qualifikationen könnten die Zugewanderten bislang nur auf Deutsch erlangen – sprachlich sei das zu schwierig. Schollmeyer wünscht sich daher, dass Qualifizierungen in Fremdsprachen wie Arabisch möglich sind.