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Luftfahrtindustrie Der geplatzte Traum vom Düsenjet made in DDR

Mit der „Baade 152“ sollte eine weltmarktfähige Flugzeugindustrie starten - bis ein Absturz alles zunichte machte.

Von Steffen Honig 22.09.2018, 01:01

Magdeburg l Nicht nur der erste Deutsche im All kam mit Siegmund Jähn aus der DDR, auch der erste deutsche zivile Düsenjet war eine DDR-Entwicklung. Das Passagierflugzeug namens „Baade 152“ war 31,40 m lang, 800 km/h schnell, sollte 2000 km weit fliegen können und den Grundstock für eine eigene Luftfahrtindustrie bilden.

Am 4. Dezember 1958 absolvierte das Flugzeug erfolgreich seinen Erstflug. In Dresden, wo das Strahlflugzeug zusammengesetzt wurde, paarten sich bei den Flugzeugbauern Freude und Erleichterung. Das Tor zur Serienfertigung schien offen. Gedacht war es für den zivilen Bedarf der Sowjetunion, die 100 Maschinen des neuen Typs abnehmen wollte.

Nach gut zwei Jahren aber war es vorbei mit dem volkseigenen Flugzeugbau. Die dafür gegründete Industrievereinigung wurde aufgelöst.

Dass es in der DDR überhaupt zu dem Luftfahrt-Anlauf kam, stand im Widerspruch zum Potsdamer Abkommen. Die Siegermächte hatten darin festgelegt, die gesamte deutsche Flugzeugindustrie zu zerschlagen. Jetzt kamen aber sowjetische Interessen ins Spiel. Die Russen wollten, dass das Know-how der deutschen Konstrukteure für Tausende Experten 1946 zwangsweise in die Sowjetunion gebracht wird, die fortan in Stalins Auftrag zu arbeiten hatten.

Geplant war die Entwicklung eines Bombenflugzeuges. Das Projekt wurde aber eingestellt, viele deutsche Ingenieure wurden wieder in die Heimat entlassen. Die verbleibenden deutschen Spezialisten sollten sich nun an einer Passagiermaschine mit Düsenantrieb versuchen. Das Team stand unter Leitung von Brunolf Baade, im Dritten Reich einer der führenden Entwickler von Kriegsflugzeugen in den Dessauer Junkerswerken. 1954 kehrte auch diese Gruppe in die DDR zurück.

Baade war bereit, als General-Konstrukteur den Aufbau einer ostdeutschen Flugzeugindustrie zu managen. Er wurde der Kandidat des ZK der SED. Parteichef Walter Ulbricht organisierte die Mittel, die reichlich aus der Sowjetunion flossen, einschließlich des Bauauftrages für die „152“. Dieser Jet basierte auf den Unterlagen für den Bomber 150, mit dem sich die Deutschen in der UdSSR beschäftigt hatten.

Der Erstflug des Prototyps war für das 3. Quartal 1956 geplant. Baade baute jedoch ein kompliziertes Organisationsgeflecht und verhedderte sich in den VEB-Strukturen der sozialistischen Wirtschaft.

Erst im Dezember 1958 konnte die „152“ erfolgreich zum ersten Mal abheben. Am 4. März 1959 startete der Jet erneut – und zerschellte nach 55 Minuten Flug bei Ottendorf-Okrilla. Die vier Besatzungsmitglieder fanden den Tod. Dieses Unglück läutete den Abschied von der Luftfahrtindustrie ein, noch bevor diese aus dem Entwicklungsstadium herausgekommen war. 1960 gab es nochmals zwei Versuchsflüge von „152“-Maschinen. Es waren die letzten, auch weil die Sowjetunion nun ihre eigenen Flugzeuge baute. (sh)