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Magdeburg Sprengstoff-Labor im Mietshaus

Prozess am Landgericht: Ein Magdeburger soll mit Eigenbau-Rohrbombe einen Automaten gesprengt haben.

Von Matthias Fricke 10.02.2021, 00:01

Magdeburg l Mitten in der Magdeburger Innenstadt: Polizisten sperren am 5. Februar 2019 die Hauptmagistrale Otto-von-Guericke-Straße am Hasselbachplatz ab. Der Grund: Spezialisten des Entschärfungsdienstes des Landeskriminalamtes (LKA) müssen aus einer Wohnung jede Menge Chemikalien, unfertige Rohrbomben, Zünder und auch 100 Gramm des hochexplosiven TATP-Sprengstoffes bergen. Diesen nutzten zum Beispiel auch die Attentäter von Paris und Brüssel.

Das Gemisch, Triacetontriperoxid, lässt sich nach Angaben von Experten leicht aus frei erhältlichen Chemikalien zusammenstellen. Der Sprengstoff ist extrem instabil und reagiert schon auf leichte Erschütterungen. Auch aus diesem Grund werden an dem Tag die Häuser und Straßen im Umkreis von 250 Metern evakuiert. Feuerwehr und Rettungsdienst sind im Großeinsatz. Straßenbahnen werden umgeleitet. In explosionssicheren Behältern transportieren die Experten die Chemikalien schließlich ab.

Die Sicherstellungen aus der Wohnung des 39-jährigen Angeklagten Paul G. zählt Staatsanwalt Dr. Matthias Linge nun, zwei Jahre später, zum Prozess-auftakt gestern vor dem Magdeburger Landgericht in einer langen Liste auf.

Insgesamt werden dem gelernten Koch sieben Straftaten, vom Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion bis zum gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, vorgeworfen. Der Angeklagte äußert sich am ersten Prozess­tag zu den Vorwürfen aber nicht.

So soll er einen Fahrkartenautomaten mit einer selbstgebauten Rohrbombe in der Nacht zum 27. Januar 2018 am Bahnhaltepunkt Schanzenweg in Magdeburg aufgesprengt haben. „Die Bombe hatte aber offensichtlich nicht die Wirkung, die sie haben sollte“, erklärt eine Polizistin vom Kriminaldauerdienst (KDD) in Magdeburg. Sie stellte damals am Automaten auch Teile der Rohrbombe und Panzertape (starkes Klebeband) sicher. Das Geld befand sich beim Eintreffen der Polizisten noch im Automaten. Die Bahn bezifferte den Schaden später auf 3400 Euro. Zwei Tage nach der Sprengung des Automaten soll der Angeklagte erneut in Magdeburg zugeschlagen haben. Er zündete laut Anklage nachts in der Innenstadt einen aus einer Spraydose selbstgebastelten Sprengsatz.

Nur kurze Zeit soll Paul G. ebenfalls auf der Straße einen ähnlichen Sprengsatz gezündet haben. Darin befand sich weiße Farbe. Mehrere Fahrzeuge waren dabei getroffen worden. Die Farbspritzer und Metallteile wurden noch 20 Meter weiter festgestellt.

Am 1. Februar 2018 gegen 5.40 Uhr folgte die nächste Sprengung: Diesmal wurde durch eine Rohrbombe eine Briefkastenanlage eines Wohnhauses komplett zerstört. Metallteile flogen bis auf die andere Straßenseite. Verletzt wurde zum Glück niemand. Allerdings sah ein Zeuge den Mann flüchten und konnte ihn kurzzeitig ergreifen, aber nicht festhalten. Laut Linge soll der Angeklagte das Opfer noch kurz mit seinem Auto mitgeschleift haben, wobei dieses stürzte und Hämatome erlitt. Bei einer ersten Durchsuchung beim Angeklagten am 20. Februar 2018 fanden die Ermittler zwei Rohrbomben, Sprengschnüre und Ähnliches. Bei der weiteren Hausdurchsuchung, ein Jahr später, am 5. Februar 2019, fanden die Beamten erneut Chemikalien.

Der Angeklagte war bereits 2011 zu sechs Jahren Haft wegen Einbrüchen, schweren Raubes, Drogenbesitzes und Aufbrüchen von Zigaretten­automaten in Bayern verurteilt worden. Ihm drohen nun bei einer Verurteilung zwischen mindestens einem und bis zu 15 Jahren Haft. Der Prozess wird am 17. Februar fortgesetzt.