EU-Projekt ist auf drei Jahre angelegt Magdeburger forschen am führerlosen Auto
Unbemannte Flugzeuge, führerlose Züge oder untereinander "sprechende" Automobile dürfen öffentlich bisher nur unter erheblichen Einschränkungen eingesetzt werden. Das Unfallrisiko ist noch zu groß. Wissenschaftler aus Magdeburg wollen das ändern.
Magdeburg l Im EU-Forschungsprojekt KARYON widmen sich Wissenschaftler aus ganz Europa der Frage, wie solche intelligenten mobilen Systeme sicherer und störungsunanfälliger gemacht werden können. Dabei geht es einerseits um die Wahrnehmung und Erfassung der Umgebung, andererseits um die sichere Kontrolle und Koordination der Fahrzeuge untereinander, auch bei überlasteten oder ausfallenden Kommunikationsnetzen.
Die wissenschaftlichen Mitarbeiter Christoph Steup und André Dietrich von der Otto-von-Guericke-Universität arbeiten am Forschungsprojekt mit. Als die Volksstimme sie besucht, stellen sie gerade einen fahrenden Roboter auf den Boden. Mit Hilfe von Sensoren kann er über die Flure der Fakultät für Informatik fahren, weiß, wann er in die Kurve gehen muss, wie er Menschen ausweicht. Das ist nett anzusehen, aber nicht wirklich neu. Was die Wissenschaftler hier erforschen, ist das Szenario, in dem die Sensoren des Roboters ausfallen. Wie kann sich das Gefährt dann noch sicher bewegen?
Auf dem Flur der Informatikfakultät setzen Steup und Dietrich eine Drohne ein, die über den Roboter fliegt. "Drohne und Roboter kommunizieren miteinander", erzählt Dietrich. "Wird der Sensor eines Roboters gestört, sagt die Drohne ihm, wo er langzufahren hat." Aber wie kann man sich das im Straßenverkehr vorstellen? Fliegen dann auch über allen Fahrzeugen Drohnen? "Nein", sagt Steup, "die Autos kommunizieren untereinander." Man müsse sich die Situation so vorstellen: Kommt es beim menschlichen Fahrer auf der Autobahn zu einem Unfall, geben die Autofahrer via Warnblinkanlage den Hintermännern Bescheid, damit niemand auffährt. "Mit unseren unbemannten Systemen würden die Autos automatisch abbremsen."
An der Fakultät für Informatik am Lehrstuhl für Eingebettete Systeme und Betriebssysteme widmen sich die Wissenschaftler unter der Leitung von Professor Jörg Kaiser zwei Schwerpunkten zur Sicherheit von unbemannten Fahrsystemen. Zum einen möchte man eine zuverlässige Sensorik entwickeln, zum anderen soll das Fahrsystem die Umgebung wahrnehmen, um kritische Situationen bewerten können.
Sollte ein Mensch auf der Straße stehen, befiehlt der Sicherheitskern dem Fahrzeug rechtzeitig abzubremsen. "Der Vorteil dabei ist, dass ein Computer schneller reagiert, als der menschliche Fahrer", sagt Prof. Kaiser. "Ein Mensch hat den Störfaktor Adrenalin, ein Computer kennt keinen Stress." Außerdem stellt der Sicherheitskern defekte Systeme aus, um kritische Situationen zu vermeiden. Er ist der Kopf des Sicherheitssystems.
Christoph Steup und André Dietrich steuern den Roboter wieder in ihr Labor. Sie werden ihre Systeme erst in einem Jahr so weit entwickelt haben, dass Roboter und Drohne miteinander kommunizieren können. Das KARYON-Projekt begann im vergangenen Oktober und ist für drei Jahre angelegt. "Dann werden Roboter und Drohne öfter auf den Fluren der Fakultät für Informatik anzutreffen sein", sagt Christoph Steup. Und, wer weiß, vielleicht ist es dank des Konzeptes KARYON in naher Zukunft möglich, dass niemand mehr selbst sein eigenes Fahrzeug steuern muss.