1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Magdeburger Kinderuni lehrt, wie man Theater macht: "Schon zu Ende? Schade! Das war cool!"

Rund 500 kleine Theaterfans genießen im Opernhaus eine köstliche Lektion Magdeburger Kinderuni lehrt, wie man Theater macht: "Schon zu Ende? Schade! Das war cool!"

Von Katja Tessnow 25.03.2013, 02:17

Der Inspizient sagt, wann der Vorhang fällt. Der Sänger muss schön seine Stimme stützen, der Tänzer auch fechten können und der Schauspieler "immer gehorchen". Dies und noch viel mehr lernten am Sonnabend rund 500 Kinder im Opernhaus.

Magdeburg. Viel Beifall und am Ende viel Bedauern ernteten die Akteure auf der Opernhausbühne am Sonnabend zur für Theatererlebnisse ungewöhnlichen Mittagsstunde. Das Bedauern des Publikums hatte ausschließlich einen Grund: den Schluss der dreiviertelstündigen Veranstaltung, die nach Meinung vieler Gäste ruhig hätte weitergehen können. Keine Spur von Langeweile war zuvor aufgekommen, als Sänger, Musiker, Tänzer, Schauspieler, Bühnenmeister, Inspizient, Maskenbildnerin und Ankleiderin, Beleuchter und Tonmeisterin zeigten, was sie drauf haben. Die Lektion der Kinderuni, die sich am Sonnabend vor die Hörsaaltore mitten hinein ins Bühnenhaus am Universitätsplatz begab, stellte sich dieses Mal nur einer Frage: Wie macht man Theater? Darüber lässt sich eine Menge erzählen.

Schauspielerin Iris Albrecht gab eine ausnehmend unterhaltsame, lehrreiche, witzige - kurz, eine begnadete - "Dozentin" ab. Ihre Theaterkollegen unterstützten sie nach Kräften. Die "Vorlesung" erwies sich als Genuss für die jungen Gäste ebenso wie für deren Eltern oder Großeltern, die das Geschehen - so sie einen Platz ergattert hatten - auf dem Rang verfolgten. Das Parkett war Kindern vorbehalten.

Iris Albrecht begrüßte die Kinder zunächst in Zivil vor dem Vorhang und wunderte sich, dass nichts passiert. Inspizient Mario belehrte die Runde, dass hier ohne seine Ansage gar nichts läuft: "Vorhang auf!" Und wieder - ein Nichts. Jetzt hat die "Mutter" der Magdeburger Kinderuni, Dr. Rosemarie Behnert, ihren großen Auftritt: Sie schwebt an Seilen auf die Bühne hinab und begrüßt die Kinder. Später wird die Frau gestehen, dass "man hier im Theater seine Grenzen kennenlernt ...". Der "Seiltanz" hat sie wohl schon ein paar Nerven gekostet, aber gemerkt hat das Publikum davon reinweg nichts. Bühnenmeister Peter tritt hinzu, lässt Prospekte auf- und abfahren und die Bühne drehen. Langsam wird\'s Theater.

Albrecht erklärt den Kindern, dass es mehr als 400 Leute mit zahlreichen Berufen und Berufungen bedarf, die Bühnen des Theaters Magdeburg zu bespielen. Nur die Struwwelkinder haben dazu heute keine Lust. Heide Kalisch und Jeremias Koschorz treiben in ihrer Rolle als ausbündige Gesellen - immer auf der Flucht und zum Schabernack bereit - ein köstliches Spiel, das die ganze Kinderuni-Lektion durchzieht und wie Albrechts Moderationen und Interviews mit Kollegen zu einer wirklichen runden Inszenierung verbindet.

Albrecht lässt es dunkel (Applaus!) und hell werden, erklärt Lichtwechsel und badet das Publikum in blaugrünen Wellen, als säße es im Meer. Dann legt sie ihre Mikrofonstimme in die Hand der Tonmeisterin. Die treibt damit ein wildes Spiel aus tief und hoch, verzerrt, mit Hall und Echo. Während die Kinderunistudenten mit offenen Mündern das Spektakel verfolgen, interessieren sich die Struwwelkinder noch immer kein Stück dafür. Vielleicht hilft Musik?

Kammersängerin Ute Bachmaier lässt ihren Sopran als "Königin der Nacht" (Zauberflöte) erklingen und zelebriert neben der wohl berühmtesten Arie der Opernliteratur nicht minder beeindruckend ein schlichtes Volkslied in zwei Versionen. "Komm lieber Mai und mache" - einmal mit professionell gestützter Stimme und einmal wie unter der Dusche. Man lerne: Singen will hart erlernt sein, jedenfalls so weit es einen Opernsaal erfüllen soll (wobei die Bachmaier auch unter der Dusche sehr hübsch klingt). Johannes Stermann (Bass) lässt die Arie des "Sarastro" ("In diesen heilgen Hallen") folgen und erklärt im Anschluss, dass eine besonders tiefe Stimme oft aus einem besonders großen Menschen tönt, weil der nicht nur über lange Beine, sondern meist auch über lange Stimmbänder verfügt. Inzwischen sind selbst die Struwwelkinder fasziniert. Sie verfolgen - von den schönen Stimmen in den Bann gezogen - jetzt ebenso aufmerksam die Szenerie wie der gesamte Saal: Ein Bläserquintett stellt sich als Botschafter des in Wahrheit 81-köpfigen Orchesters vor. Tänzer fechten in einer Szene aus "Romeo und Julia". Ballettmeisterin Olga erklärt, dass der Tanz ein "Roman ohne Worte" ist ("Tänzer dürfen ja nicht sprechen.") und dass es einer etwa achtjährigen Ausbildung bedarf, bis man diese Kunst beherrscht.

Zum Finale wird\'s garstig. Jetzt steht das Schauspiel im Mittelpunkt und Iris, die "Dozentin", hat heute überhaupt keine Lust, auch noch ein Kostüm überzustreifen ("Das ist immer so eng!") und eine Rolle zu spielen ("Nein, heute habe ich keine Lust!"). Nichts da! "Ein Schauspieler muss immer gehorchen und alles machen, was der Regisseur sagt", erklärt das plötzlich zur Befehlsgeberin gewandelte Struwwelmädchen alias Schauspielerin Heide. Sie lässt den Struwweljungen (Jeremias) Liegestütze machen und dabei Dialekt sprechen. Dann muss er einen Schrank spielen, dann wieder eine Schlange. Jetzt dürfen die Kinder ihre Forderungen stellen und die finden Gefallen an schweren Aufgaben. Eine Schildkröte soll gespielt werden, eine Prinzessin. Jeremias macht alles mit und gut. Zum Schluss fordert Guilian - ein 10-Jähriger aus Reihe eins: "Mach Darth Vader!" Der Saal tobt. Alle kennen den dunklen Lord aus "Star Wars". Jeremias baut sich auf und brummt: "Ich bin dein Vater!" Jetzt kennt der Saal kein Halten mehr. Und Schluss! Ach was? Kinder sind empört. Jetzt schon? Diese Kinderuni-Lektion hat lauter neue Theaterfans geboren.