Krisengipfel im Kanzleramt: Bund und Länder vereinbaren Milliardenfonds für Flutopfer Mehr als 800 Millionen Euro für Sachsen-Anhalt
Bund und Länder wollen den Opfern der Hochwasserkatastrophe mit bis zu acht Milliarden Euro helfen. Sachsen-Anhalt kann auf finanzielle Unterstützung von mehr als 800 Millionen Euro hoffen.
Berlin/Magdeburg l Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) ist nach dem gut zweistündigen Gespräch der Regierungschefs mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sehr zufrieden: "Wir haben die nationale Solidarität hinbekommen", sagt er der Volksstimme. "Das ist eine wahnsinnige Leistung."
Seit gestern steht fest: Es wird - wie schon nach der verheerenden Flut 2002 - einen nationalen Fonds geben. Diesen finanzieren Bund und Länder je zur Hälfte. Der Bund muss dafür neue Schulden machen.
Der Fonds wird voraussichtlich erstmals über eine Bundesanleihe finanziert. Vorteil des "Deutschlandbonds": Die Länder profitieren von den mickrigen Zinsen des Bundes (rund 0,5 Prozent), können sich so billiger mit frischem Geld eindecken und mehrere Millionen Euro für Zinszahlungen sparen. Bis zum 5. Juli soll das für den Fonds erforderliche Gesetz beschlossen sein.
Sachsen-Anhalts Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) sagt der Volksstimme: "Das ist ein großer Solidaritätsbeweis vom Bund und den Ländern." Den Anteil Sachsen-Anhalts an dem Hilfsfonds beziffert er auf rund 120 Millionen Euro - verteilt über zehn Jahre. Das Land muss also pro Jahr zwölf Millionen Euro schultern.
Bis zum 25. Juni will Bullerjahn ein Konzept vorlegen, wie im laufenden Landeshaushalt Mittel für die Flutfolgen aufgebracht werden können. So wird bereits erwogen, weniger Schulden als zunächst geplant zu tilgen. Bislang sind dafür 25 Millionen Euro vorgesehen. Bullerjahn: "Unser Ziel ist es nach wie vor, keine neuen Schulden zu machen."
"Wir wollen nach wie vor keine neuen Schulden machen."
Finanzminister Jens Bullerjahn
Sachsen-Anhalt wird aus dem Hilfsfonds viel Geld bekommen. Nach der Flut 2002 erhielt das Land vom Bund und von den Ländern knapp 800 Millionen Euro. "Diesmal wird es mehr sein", sagt Bullerjahn.
Noch eine gute Nachricht für Sachsen-Anhalt: Der Bund will sich an jedem Soforthilfeprogramm der Länder zur Hälfte beteiligen. In Sachsen-Anhalt ist bereits ein 20-Millionen-Euro-Programm angelaufen. Und, auch das ist eine frohe Botschaft: Der Bund will von den Ländern kein Geld für die Leistungen seiner Einsatzkräfte haben. Der Einsatz von Bundeswehr, Bundespolizei und Technischem Hilfswerk in den Flutgebieten hat bisher rund 55 Millionen Euro gekostet.
Für eine rasche Auszahlung von Fluthilfen haben Bund und Länder die Weichen gestellt. Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) unterzeichnete "Fluthilfeabkommen" mit Sachsen, Thüringen, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt. Damit können Bundesgelder schnell bereitgestellt werden.
Die Kanzlerin betont, die Deutschen dürften stolz auf die Solidarität nach der Flut sein. "Ich darf sagen, dass unser Land einmal mehr seine große Stärke in dieser Stunde zeigt. Nämlich immer dann, wenn es darauf ankommt, auch wirklich zusammenzustehen." Bundesregierung und Länder würden nun prüfen, wie Maßnahmen zum Hochwasserschutz vereinfacht und beschleunigt werden könnten.
In Sachsen-Anhalt werden indes Hilfsprogramme aufgelegt.
WIRTSCHAFT: Das Land zahlt hochwassergeschädigten Unternehmen bis zu 100000 Euro. Nach Angaben von Wirtschaftsminister Hartmut Möllring (CDU) erhalten Unternehmen für Schäden bis zu 50000 Euro, bei Existenzgefährdung bis zu 100000 Euro.
Beim Hochwasser 2002 hatten die betroffenen Firmen eine Soforthilfe von bis zu 15000 Euro bekommen. Die Schadensabwicklung soll die Investitionsbank Sachsen-Anhalt übernehmen.
LANDWIRTSCHAFT: Für Landwirte ist zunächst ein Sofortgeld von maximal 5000 Euro je betroffenen Betrieb vorgesehen. Die Flut hat im Land nach bisherigen Schätzungen Schäden von rund 180 Millionen Euro angerichtet. Mit derzeit mehr als 100000 Hektar sind zehn Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche des Landes betroffen. Agrarminister Hermann Onko Aeikens (CDU) sagt: "Die Verheerungen auf den landwirtschaftlichen Flächen sind schon jetzt beispiellos."
JUSTIZ: Die Justizminister der Länder diskutieren eine Pflichtversicherung für Hausbesitzer gegen Elementarschäden wie Hochwasser oder Erdrutsche. Nach einem Treffen mit ihren Länderkollegen in Saarbrücken sagt Sachsen-Anhalts Justizministerin Angela Kolb (SPD) der Volksstimme: "Wir sind für diese Idee offen." Sie kündigt Gespräche mit der Versicherungswirtschaft an, die solche Pläne bislang ablehnt. Bis November sollen erste Ergebnisse vorliegen.