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Lebenshilfe beklagt fehlende Vereinbarungen für interdisziplinäre Frühförderstellen Ministerium: Bald Hilfen für Kinder unter einem Dach

Von Silke Janko 06.10.2011, 06:26

Rund 2000 Kinder im Vorschulalter erhalten eine Frühförderung in Sachsen-Anhalt, um ihnen die besten Startchancen für den Schuleintritt zu geben. Der Landesverband Lebenshilfe e.V. beklagt, dass noch keine sogenannten interdisziplinären Frühförderstellen existieren, die entwicklungsauffälligen Kindern Hilfen unter einem Dach anbieten.

Stendal/Magdeburg. Der fünfjährige Danny puzzelt mit Rehabilitationspädagogin Kathrin Scherff in der Frühförderstelle der Lebenshilfe Osterburg im Stendaler Stadtteil Stadtsee. Der Kleine lernt in dem Spielzimmer nicht nur, sich zu konzentrieren. Ganz nebenbei wird dabei auch das Sprechen geübt, indem er aufgefordert wird, zu beschreiben, was er auf dem Puzzle sieht.

Seine Mutter Mandy Schartau geht mit ihrem Sohn einmal wöchentlich in die Frühförderstelle. Danny ist eines von rund 2000 Kindern in Sachsen-Anhalt, die wegen Entwicklungsauffälligkeiten eine Frühförderung erhalten. Im Landkreis Stendal ist die Selbsthilfevereinigung Lebenshilfe der Hauptanbieter. "Noch zu Jahresanfang konnte Danny keine Sätze sprechen, war laut und ungeduldig", beschreibt die Mutter die Auffälligkeiten. "Puzzeln - das ging eigentlich gar nicht. Jetzt klappt es schon ganz gut."

Der Mutter war schon aufgefallen, dass ihr Danny sich nicht altersgemäß entwickelt hatte. "Der Kinderarzt hatte immer gemeint, das kommt noch." Bis aus dem Kindergarten die Empfehlung zur Frühförderung kam. Darüber hinaus erhält das Kind einmal wöchentlich eine logopädische Behandlung.

Dieser Weg könnte der vierfachen Mutter erspart bleiben: Wenn denn in Sachsen-Anhalt die Frühförderung aus einer Hand in sogenannten interdisziplinären Frühförderstellen angeboten würde, in denen sowohl Ärzte, Heilpädagogen, Ergotherapeuten, Physio- und Psychotherapeuten unter einem Dach zusammenarbeiten.

Das Sozialgesetzbuch IX schreibt seit dem Jahr 2001 diese interdisziplinäre Frühförderstellen vor, von denen es allerdings deutschlandweit nur sehr wenige gibt. "Die Landesrahmenempfehlung aus dem Jahr 2007 zur Einrichtung dieser interdisziplinären Frühförderstellen ist bis heute nicht umgesetzt", erläutert Regina Bahlke, Geschäftsführerin der Lebenshilfe Osterburg. Offenbar scheitert es daran, dass die beiden Kostenträger - Krankenkassen und Sozialämter - nicht unter einen Hut zu bringen sind. Die Sozialämter rechnen die heilpädagogischen Leistungen über die Eingliederungshilfen beim Land ab.

"Wir stoßen auf taube Ohren", erläutert Marcus Hoppe, Geschäftsführer des Lebenshilfe-Landesverbandes. Dabei wäre ein Frühförderangebot aus einer Hand für die Eltern von Vorteil: Die Wege zum Haus- oder Kinderarzt würden entfallen, der jetzt eine Verordnung ausschreiben muss. Stattdessen würde das Kind von einem Expertenteam begleitet werden, das einen Behandlungsplan erstellt. Ziel der Frühförderung ist es grundsätzlich, das Kind schulfähig zu machen.

"Wir haben seit zehn Jahren das Gesetz. Passiert ist nichts", so Hoppe. Besonders prekär ist es in der dünnbesiedelten Altmark. Von den 119 Kindern, die die Lebenshilfe im Landkreis Stendal betreut, wird zwar etwa jedes zweite Kind zu Hause aufgesucht. Unzureichende öffentliche Verkehrsanbindungen verhindern aber, dass nicht jedes Kind auch wirklich eine Frühförderung erhält. "Die Eltern müssen hartnäckig bleiben", ist die Erfahrung von Regina Bahlke.

Hoppe sieht ein Gefälle zwischen dünnbesiedelten Gebieten und Ballungszentren. In ersteren haben entwicklungsauffällige Kinder einen Nachteil. "Der Zugang zur Frühförderung muss aber so niedrigschwellig wie möglich sein", so Hoppe.

Nach Angaben des Sozialministeriums sind die Verhandlungen mit den Kassen "auf der Zielgeraden". Man hoffe, dass in Kürze die erste interdisziplinäre Frühförderstelle eröffnet werden könne, hieß es. Im vergangenen Jahr hatte das Land sieben Millionen Euro für die Frühförderung über Eingliederungshilfen für rund 2100 Kinder gezahlt.