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Mitteldeutschland Die Kirche verordnet sich Offenheit

Landesbischöfin Ilse Junkermann stört sich an verriegelten Gotteshäusern - doch in den Gemeinden gibt Ängste.

Von Hagen Eichler 15.01.2016, 00:01

Magdeburg l Mehr als 4000 Kirchen und Kapellen stehen in Mitteldeutschland, der Unterhalt kostet Millionen. Geöffnet sind die Gotteshäuser jedoch allenfalls am Sonntagvormittag. Wer zu anderen Zeiten einen Moment der Stille sucht oder als Tourist kommt, bleibt ausgesperrt. Ilse Junkermann, evangelische Landesbischöfin in Magdeburg, fordert nun ein Umdenken. Ihr ehrgeiziges Ziel: Bis Ende 2017 sollen evangelische Kirchen „in der Regel“ geöffnet sein.

Derzeit ist es genau andersherum: Verlässlich geöffnet sind nur 3,5 Prozent der Gotteshäuser. Hinzu kommen weitere, die zumindest auf Bitten aufgeschlossen werden. „Die Kirche ist aber nicht das Vereinsheim für die wenigen Mitglieder. Wir sind Kirche für andere“, mahnt Junkermann.

Der Appell richtet sich an die Gemeindekirchenräte, die die Entscheidung treffen müssten. Doch dass morgens der Küster aufschließt und die Kirche dann bis zum Abend unbeaufsichtigt bleibt, kann sich kaum jemand vorstellen. „Dafür reicht der Mut in den Gemeindekirchenräten nicht aus, und das kann ich auch verstehen“, sagt Peter Gümbel, Pfarrer in Burg.

Ohnehin sei die Nachfrage gering. Die beiden Burger Kirchen, ein romanisches und ein gotisches Kleinod, sind im Sommer werktags vier Stunden unter Aufsicht geöffnet. „Das ist ein hoher Aufwand, mancher Freiwillige sitzt stundenlang in der kühlen Kirche ohne einen einzigen Besucher“, berichtet Gümbel.

Hinzu kommt die Sorge vor Dieben. Kostbare gotische Altäre, Skulpturen, Kruzifixe, Leuchter, Teppiche, Spendenkästen – in Kirchen steht vieles, was Langfinger interessiert. Auch die Magdeburger Wallonerkirche ist deshalb nur stundenweise und unter Aufsicht geöffnet – jedenfalls das Hauptschiff. „Der Hohe Chor mit dem spätgotischen Flügelalter bleibt sicherheitshalber verschlossen, das ist uns zu gefährlich“, sagt Hans Schoene, Vorsitzender des Gemeindekirchenrats im Kirchspiel Altstadt-Martin.

Die Landeskirche will im Februar ein zwölfseitiges Papier mit Sicherheitstipps veröffentlichen. „Kunstgüter kann man verschließen oder als Dauerleihgabe in ein Museum geben. Orgeln sollte man sichern, Emporen absperren“, empfiehlt Brigitte Andrae, Präsidentin des Landeskirchenamts.

Sollte dennoch etwas passieren, werde es keine Schuldzuweisung geben, versichert Landesbischöfin Junkermann. Das Risiko sei bei offenen Türen da, räumt sie ein. Doch Opfer von Dieben und Randalierern zu werden, sei keine Katastrophe. „Eine Katastrophe wäre, wenn wir das Evangelium nicht mit den Mitteln verkünden, die uns zur Verfügung stehen.“

Viele Menschen seien auf der Suche, sie bräuchten einen Ruheort. „Und in einer Kirche ist man in Gemeinschaft mit den Vorfahren, die die Kirchen gebaut haben, dort getauft wurden und geheiratet haben.“

Für den Offenheits-Appell, den das Kirchenparlament bereits abgesegnet hat, sieht Junkermann indes auch einen profanen Grund: In die Sanierung der Kirchen sei viel öffentliches Geld geflossen, betont sie. Deshalb gebe es nun auch ein öffentliches Interesse.