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Mobilfunk Sachsen-Anhalt ist weiter Funkloch-Land

Sachsen-Anhalt ist noch immer ein großer Mobilfunk-Flickenteppich - vor allem in der Altmark. Mobile Stationen könnten Abhilfe schaffen.

Von Jens Schmidt 02.04.2019, 01:01

Magdeburg l „Also wir wer .... die wirtschaftli ........ orstellen ...
„Hallo? --- Herr Schröder? Hallo?“ Auflegen. Neu wählen.
„Ja, Volksstimme wieder. Sie waren plötzlich weg.“ „Ja, ich bin im Zug. Das ka... noch öfte-----sieren....“ Schon passiert. Auflegen. Warten.
André Schröder, Finanzminister von Sachsen-Anhalt, sitzt im Zug nach Magdeburg. Es läuft der Versuch eines Telefoninterviews im Jahr 2019. Fast jeder Satz zerhackt. Jedes dritte Wort verschluckt.
Beim fünften Anlauf klappt es. Der Minister steht jetzt auf einem Bahnsteig.
Gerade läuft die Versteigerung für 5G. Das superschnelle Internet der fünften Generation. Viele wären froh, wenn sie erstmal ordentlich mobil telefonieren könnten. Oder ins flotte Internet kämen. LTE – das Netz der Vorgänger-Generation würde den meisten ja reichen.
Die Anbieter – also Telekom, Vodafone und Telefonica – verweisen auf Hunderte Masten und Millionen-Investitionen. Die Anbieter vermieten sich auch gegenseitig Masten, um effektiver voranzukommen. Doch selbst an großen Bundesstraßen (B 189) oder selbst in kleinen Städten (Genthin) klaffen je nach Anbieter immer noch Lücken. Zumal: Von der ersten Anfrage über Standort-Debatten und Baugenehemigung bis zum Betriebsstart vergehen oft zwei bis drei Jahre, ehe ein Masten samt Antennen steht.
Die Versorger versprechen: Bis Ende 2020 sind 99 Prozent der Deutschen mit LTE versorgt. Das Ende der Löcher ist damit aber nicht in Sicht. Denn ein Prozent Unversorgte bedeutet für Sachsen-Anhalt: 22.000 Menschen hocken weiter im LTE-Loch. Das sind etwa 50 kleine Dörfer, davon betroffen sind dann auch wieder Straßen.
Ulrich Thomas kriegt beim Thema Mobilfunk Farbe ins Gesicht. „Ich finde das unsäglich.“ Thomas kommt aus dem Harz, dort ist der Empfang wegen der Berge besonders schlecht. Er ist Vize-Chef der CDU-Landtagsfraktion. In Magdeburg versucht er Druck zu machen, damit sich die Lage endlich bessert. Zunächst schaltete seine Fraktion 2018 eine Funkloch-Finder-App. Jeder, der Probleme hatte, konnte eine Meldung senden. 60.000 gingen ein. Sein Vorschlag: mobile Antennen.
Die Technik steckt in einer Art Container. Der wird per Lkw genau dorthin gestellt, wo keine festen Masten stehen und auch so bald keine hinkommen. In kleine Dörfer. An den Rand einer Kleinstadt. Oder in touristische Gebiete. Wo wenige wohnen, aber dennoch viele unterwegs sind. Thomas zählt die Vorteile auf: keine Baugenehmigung, schneller Aufbau, kein Streit mit Eigentümern weil Gemeindeland wie Schulhöfe oder der Platz am Dorgemeinschaftshaus genutzt wird – und: geringere Kosten. Ein Container schlägt mit gut 100.000 Euro zu Buche. Ein Mast auf der Wiese kostet das Dreifache. Nachteil: Wo wenige Leute wohnen, können die Anbieter wenig verdienen. Dann ist selbst ein Container teuer. Kann das Land die Anbieter zwingen? Nein. Aber vielleicht locken. Mit Geld – natürlich. Fördergelder fürs Lochstopfen. Vorbild ist Bayern. Dort spendiert die Landeskasse den Gemeinden 80 Millionen Euro: Die Kommunen bauen die fehlenden 500 Masten, die Versorger mieten diese.
In Magdeburg stehen die Haushaltsverhandlungen für 2020/21 an. Die CDU plant einen „Großangriff“: 10 Millionen Euro will sie lockermachen, um die LTE-Löcher zu stopfen. Denn bislang gab es Fördergeld allein für das „verkabelte“ Internet - das mobile ging immer leer aus. Das Wirtschaftsministerium von Armin Willingmann (SPD) wollte 2019 schon 5 Millionen Euro fürs mobile Netz springen lassen. Doch da die Ausgaben aller Ressorts überzeichnet waren, setzte das Ministerium selbst den Rotstift an.
Erbauer mobiler Antennen-Container gibt es in überschaubarer Zahl, wenn man im Internet danach sucht. Einer sitzt in Magdeburg. „Mit einer 30-Meter-Antenne können wir 10 bis 15 Kilometer abdecken“, sagt Ralf Freywald, Chef der Firma „Funklochstopfer“. Er baut mit seiner 7-Mann-Firma seit einigen Jahren mobile Anlagen. Auch kleine 10-Meter-Antennen sind machbar. „Für ein kleines Dorf in der Altmark würde das reichen.“ Schließlich will sich nicht jeder einen Riesen-Masten auf den Dorfanger stellen.Die Magdeburger bauen den fahrbaren Untersatz samt Hydraulik, Antenne und Lüftung. Danach kommen die Telekommunikations-Anbieter und installieren ihre Sendetechnik.
Bislang wurden die Mobilen meist bei Großveranstaltungen gebucht. Oktoberfest, Konzerte; immer dann, wenn in kürzester Zeit Tausende mit ihren Smartphones ins Netz wollen. Oder etwa bei Großeinsätzen von Feuerwehr oder THW. Vodafone etwa setzt derzeit 50 fahrbare Antennen ein. Auch dann, wenn etwa eine feste Antenne ausfällt.
Aber Dutzende Mobilcontainer, um in Dörfern und Städten flächendeckend Funklöcher zu stopfen? Das wäre neu. Und verlockend für die Antennen-Branche. Sicher: Der Auftrag würde ausgeschrieben. Aber Freywald rechnet sich gute Chancen aus.
Fahrbare Antennen in den Gemeinden? Unter den Telekommunikations-Anbietern herrscht Skepsis. Erst sollen sie in die Container Technik installieren – und in zwei, drei Jahren kommt dann doch ein fester Mast? Ein Ingenieur sagte der Volksstimme: „Einbauen, ausbauen – das ist zu teuer. Wir brauchen Planungssicherheit.“
Auch das zuständige Wirtschaftsministerium bremst die Erwartungen. Den Mobilfunk will man künftig gerne fördern, sagt Staatssekretär Thomas Wünsch (SPD). „Hierbei soll es aber vorrangig um die Errichtung stationärer Masten gehen.“ Fraktionsvize Thomas hält dagegen: „Wenn doch ein Mast gebaut wird – zieht der Container eben weiter. Ins nächste Funkloch.“ Da die Anbieter mit ihren Masten ohnehin nie 100 Prozent abdecken wollen, gäbe es immer einen Bedarf.
Erste Bürgermeister sind neugierig. „Für uns wäre eine mobile Antenne hoch interessant“ sagt Marcus Weise, Stadtoberhaupt von Harzgerode. Vor allem für Ortsteile wie Alexisbad oder Straßberg, wo Hänge und Täler den Empfang erschweren. „Was früher Wasser und Strom waren, sind heute Mobilfunk und schnelles Internet“, sagt Weise.
Im Harz will die Firma „Funklochstopfer“ nun eine Pilotanlage hinstellen. Der genaue Standort wird noch gesucht. Am 23. April wird sie präsentiert. CDU-Mann Thomas will Bürgermeister einladen. Auch aus Berlin wird Besuch erwartet: Der fürs Internet zuständige Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) schickt seinen Staassekretär.
Selbst wenn alle mitmachen: Finanzer, Netz-Anbieter, Bürgermeister – es wird noch einige Jahre dauern, ehe mobile Antennen stünden. Denn: Idealerweise werden sie an ein Glasfasernetz angeschlossen, um eine hohe Leistung zu bieten. Die Landesregierung von Sachsen-Anhalt will zwar alle Schulen ans Glasfaser andocken; doch das dauert. Mindestens bis Ende 2021.
Mobilfunk der 1. Generation 1958 bis 2000
Dazu zählten das:
A-Netz (1958 bis 1977): 10.500 Kunden. Es war handvermittelt; verließ man den Empfangsbereich, brach das Gespräch ab. Ein Telefon (zunächst mit Röhren) kostete 5000 Mark. Monatliche Grundgebühr: 65 bis 270 Mark.
B-Netz (1972-1994): 27.000 Kunden. Nun wählte man die Nummer selbst und konnte auch ohne Amt angerufen werden. Aber: Ein Festnetz-Anrufer musste wissen, wo der Mobilkunde ist - um die richtige Vorwahl zu wählen.
C-Netz (1985-2000): 850.000 Kunden. Nun gab es Funkzellen. Die Gespräche brachen nicht mehr ab, da sie von Zelle zu Zelle „weitergereicht“ wurden. Jeder Mobiltelefonbesitzer konnte ohne Orts-Vorwahl erreicht werden. Die einheitliche Vorwahl war: 0161. Die Telefone, groß wie eine Handtasche, hatten immerhin schon eine LED-Anzeige.
2-G-Netz: seit 1992
Seit der zweiten Generation ist es digital. Übertragen werden Sprache, aber auch kurze Texte (SMS). Basis ist der europäische Standard „Groupe Spéciale Mobile“: kurz GSM. Mobiltelefone kosten anfangs zwischen 2000 und 3000 Mark.
Neben der Telekom (D1-Netz) kam 1992 erstmals in Deutschland mit Mannesmann auch ein privater Anbieter (D2-Netz) auf den Markt. Er wurde später von Vodafone übernommen. Ab 1994 folgte dass E-Netz mit den Anbietern E-Plus und O2. Die Preise für Handys und Gespräche fielen deutlich.
GPRS seit 2001: Nun werden Datenpakete übertragen. Erste einfache „WAP“-Internetseiten sind abrufbar.
Mit EDGE wird das System ab 2006 stark verbessert: Ein Lied herunterzuladen dauert jetzt etwa 3 Minuten - und nicht mehr 13 Minuten. EDGE gilt als Startschuß fürs mobile Breitband.

3-G-UMTS: seit 2004
Ab dieser Generation kann man mit Mobiltelefonen auch durch Internetseiten surfen. Das Tempo der Datenübertragung nimmt zu. Einen Song aufs Handy zu laden dauert 2 Minuten. In der höchsten Ausbaustufe nur noch wenige Sekunden. Ein Fünf-Minuten-Video (HD) herunterzuladen dauert zwischen 5 Minuten und (schnelle Variante) 30 Sekunden. 
4G LTE: seit 2010
Das flotte, mobile Internet, das sich heute jeder möglichst flächendeckend wünscht. Die Sprachqualität steigt, das Tempo beim Rufaufbau auch, und durchs Internet geht es ruckelfrei. Auch datenschwere Nachrichtenseiten öffnen sich blitzschnell. Spitzentempo: 12 Sekunden für das Herunterladen eines 5-Minuten-HD-Videos.
Noch schneller ist der Standard LTE Advanced.
5G: geplant ab 2020
Datenübertragung in Echtzeit, also nahezu verzögerungsfrei; etwa für autonomes Fahren.