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Mordprozess Li Angeklagtem droht lebenslange Haft

Im Prozess um die ermordete chinesische Studentin Yangjie Li ist eine Vorentscheidung gefallen. Für Sebastian F. gilt kein Jugendrecht.

Von Bernd Kaufholz 03.04.2017, 10:48

Dessau l Vier Stunden lang breitete Dr. Bernd Langer am Montag vor der 2. Großen Jugendkammer des Dessauer Landgerichts das Seelenleben des Angeklagten Sebastian F. aus. Der Facharzt für Psychiatrie und forensische Psychotherapie hatte den 21-Jährigen im Sommer 2016 bei drei Sitzungen begutachtet. Dabei hatte sich F. „äußert auskunftsfreudig gezeigt“, sagte Langer. Er habe „schnell und viel geredet und oft Kraftausdrücke benutzt“.

Zu Beginn seines Gutachtens schilderte er Kindes- und Jugendzeit des Angeklagten. Diese seien geprägt gewesen durch verschiedene Partner seiner Mutter, von denen er mehrere als gewalttätig kennengelernt habe. F., der „in hohem Maße hyperaktiv“ und „dissozial verhaltensauffällig“ gewesen sei, habe früh Kontakt zur Kinder- und Jugendpsychiatrie gehabt. Langer charakterisierte den Angeklagten als „außergewöhnlich kalten Menschen“, der zwar Gefühle anderer wahrnehmen könne, sich jedoch darüber hinwegsetze. Er habe keinerlei Betroffenheit mit seinem Opfer und Schuldgefühl gezeigt. Scham und Reue kenne er nicht. Seine Leere und Langeweile habe er mit Sex ausfüllen wollen. Dabei hätten auch sadistische Praktiken und Rituale eine Rolle gespielt – allerdings ohne Krankheitswert.

Seit der Kindheit zeige sich bei F. ein „in hohem Maße sexualisiertes Verhalten“. Der Gutachter sprach von „Omnipotenz-Fantasien“, was auch der Wunsch nach Sex mit mehreren Frauen belege sowie die Aussage, „drei-, viermal beim Sex mit der Chinesin gekommen“ zu sein. Das Fazit des Psychiaters war, dass trotz einer Persönlichkeitsstörung die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zu jeder Zeit vorhanden war. Er sehe weder eine verminderte Schuldfähigkeit und schon gar nicht eine völlig aufgehobene Schuldfähigkeit.

Auch zur Frage, ob Jugendrecht oder Erwachsenenstrafrecht bei F. angewandt werden sollte, legte sich der Gutachter fest. „Die Entwicklung ist bei F. abgeschlossen. Veränderungen durch erzieherische Maßnahmen, wie sie das Jugendrecht vorsieht, sehe ich nicht.“ Sollte sich die Kammer an diese Empfehlung halten und der 21-Jährige als Mörder verurteilt werden, bleibt dem Gericht nur, eine lebenslängliche Strafe auszusprechen.

Zur Frage einer Unterbringung in der Sicherungsverwahrung hat sich der Arzt noch keine abschließende Meinung gebildet. Von den zehn Voraussetzungen, die vorliegen müssen, um einen Straftäter auch nach der Haft noch hinter Gittern zu belassen, seien einige erfüllt, andere nicht oder ließen sich noch nicht abschließend beantworten. Die Tendenz sei jedoch, dass von F. auch „weiterhin rechtswidrige Taten zu erwarten“ seien. Besonders in Bezug auf Gewalt- und Sexualdelikte.

Zum Tatvorwurf selbst habe sich F. ihm gegenüber bei der Begutachtung am 26. Mai 2016 geäußert. „Er hat von einvernehmlichem Sex mit einer ihm unbekannten Chinesin gesprochen. Seine Partnerin (die mit­angeklagte Xenia I.) sei auf die Idee gekommen einen ,Dreier‘ zu machen.

Der Grund sei gewesen, dass es in der sexuellen Beziehung zwischen ihnen nicht mehr so geklappt habe. Am Tatabend sei Xenia I. auf die Straße gegangen und wenig später mit der Chinesin zurückgekommen. Die Studentin sei einverstanden mit einmaligem Sex ohne Verpflichtungen – keine Namen, kein Wohnort – gewesen. Der Angeklagte habe dann sehr ausführlich den Sex geschildert, so der Psychiater. Dabei sei es im gegenseitigen Einverständnis auch  „etwas härter“ zugegangen („Kein Blümchen-Sex“). Aber Schläge, Fesselungen und gewollte Verletzungen habe es nicht gegeben. Im Gegenteil: Als F. gemerkt habe, dass Li eine Sex-Praktik Schmerzen bereitet, habe er sofort aufgehört.

Nach einer Stunde habe er die Frau zur Tür gebracht. Ein paar Tage später habe er sie auf der Straße wiedergesehen. Da sei sie von jemandem angeschrien worden. Xenia I. habe zwar an dem „Dreier“ teilgenommen, sich jedoch „mehr herausgehalten“. Bei F. gebe es die Tendenz, die Verantwortung auf Xenia I. zu verlagern, stellte Langer fest. Am 24. und 25. April wird das Gutachten zu Xenia I. vorgestellt.