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Mordprozess Li Verteidiger fordern Jugendstrafrecht

Die Verteidiger des Angeklagten im Dessauer Prozess um die ermordete chinesische Studentin sehen den Mord als nicht erwiesen an.

Von Bernd Kaufholz 01.08.2017, 09:30

Dessau l Die Pflichtverteidiger des Angeklagten Sebastian F. haben in ihren Schlussvorträgen eine Haftstrafe von zehn Jahren beantragt. Dem Angeklagten wird vorgeworfen am 11. Mai 2016 die chinesische Studentin Yangjie Li in Dessau brutal vergewaltigt, stundenlang schwer misshandelt und anschließend zum Sterben liegen gelassen zu haben.

Bei der geforderten zehnjährigen Haftstrafe gehen die Verteidiger davon aus, dass F. nach Jugendrecht zu bestrafen sei. Rechtsanwalt Klaus Rumph begründete dies mit der "verzögerten und noch nicht abgeschlossenen Entwicklung" des 21-Jährigen. Es fehle dem Angeklagten an der "geistigen und sittlichen Reife". Gutachter Dr. Bernd Langer hatte während des Prozesses allerdings von Anwendung des Jugendrecht abgeraten und keine weiteren Entwicklungsmöglichkeiten für F. gesehen.

Verteidiger Rumph verwies in seinem Plädoyer besonders auf die mehrfachen stationären und ambulanten Behandlungen des Angeklagten, der bereits seit seinem siebten Lebensjahr auffällig gewesen sei. Auch die familiären Bedingungen, der Streit der Eltern, deren Scheidung und das ständige Einstellen auf neue Partner der Mutter hätten die Reife verzögert.

Die Pflichtverteidiger der Angeklagten Xenia I. forderte in ihren Plädoyers wegen Vergewaltigung im besonders schweren Fall eine Jugendstrafe von drei Jahren. Dabei berücksichtigten die Anwälte eine aus ihrer Sicht "Reifeverzögerung" der 21- Jährigen, die als Kind mehrfach vom Stiefvater sexuell missbraucht worden war.

Sowohl für eine Mittäterschaft, als auch für Beihilfe beim Mord gebe es keine Beweise. Die Angeklagte sei davon ausgegangen, dass Li nach der Vergewaltigung nach Hause gegangen sei. Sie habe sie nach dem Geschehen hockend am Sofa gesehen. Von schweren Verletzungen oder starkem Bluten sei nichts zu sehen gewesen. Sie habe auf Geheiß von F. sogar noch Fragen an Li gestellt, die diese beantwortet habe.

Beihilfe komme deshalb nicht in Frage, weil die Haupttat durch F. bereits beendet worden sei. Vom Tode Lis habe Xenia I. erst erfahren, als sie später wieder aus der Wohnung gekommen sei und ihr F. Die Tat gestanden habe.

In ihren Ausführungen bezogen sich die Verteidiger mehrfach auf die Einlassung ihrer Mandantin während des Prozesses. Dabei hatte I. geschildert, dass sie F. Immer wieder sexuell erniedrigt, sie geschlagen und gewürgt habe. Deshalb habe sie auch Todesangst gehabt, sich gegen die Vergewaltigungspläne ihres Partners zu stellen.

Rechtsanwalt Marco Bennewitz nutzte das Plädoyer, um auf den Tatanteil der Angeklagten I. einzugehen. Wie bereits am Montag Staatsanwältin Heike Kropf listet er die objektiven Spuren auf, die eine klare Sprache sprächen und welche die Aussagen der 21-Jährigen widerlegen, dass sie mehr "passive Betrachterin" des Horrorszenarios gewesen sei. Er nannte unter anderem das Haarbüschel in der linken Faust der Toten sowie ein Vielzahl von DNA-Spuren, die I. zuzuordnen seien."Frau I. ist nicht das ängstliche Häschen, das unter der brutalen Herrschaft ihres Partners stand und nur gezwungenermaßen mitgemacht hat."

Die Tat selbst sei aus Sicht der Verteidigung auch kein Mord gewesen, sagte Bennewitz. Dafür fehlten die im Strafgesetzbuch eindeutig definierten Mord-Merkmale. Außerdem sei der Eintritt des Todes nicht eindeutig.

Es sei auch möglich, dass Li unmittelbar bei oder direkt nach der Vergewaltigung an der Fettembolie in den Lungenblässchen gestorben ist, die aufgrund der massiven Gewalteinwirkung entstanden war. Die Anwälte sahen lediglich eine Vergewaltigung mit Todesfolge. Am Dienstagnachmittag sollen die Verteidiger von Xenia I. plädieren.

Rechtsanwalt Sven Peitzner, der im Prozess vor dem Landgericht die Interessen des Vaters der ermordeten chinesischen Studentin Yangjie Li vertritt, wandte sich während seines Schlussvortrages am Dienstagvormittag mehrere Male direkt an die Angeklagten Sebastian F. und Xenia I. In einem sehr persönlich gehaltenen Plädoyer forderte Peitzner lebenslange Haft für F. und eine Jugendstrafe zwischen zehn und 15 Jahren für I. 

Damit schloss er sich den Anträgen des Nebenklagevertreters Tilman Scheffel an, der diese Bestrafung für die Vergewaltigung und Ermordung der 25-jährigen Studentin ebenfalls gefordert hatte. Jeder Satz von Peitzners sachlichem, durch die bildhafte Schilderung jedoch nicht weniger emotionalem Schlussvortrag war eine schallende Ohrfeige für das "Mörderpaar", wie er es nannte.

In Richtung der 21-jährigen I. verwies er auf die verschenkte Möglichkeit, reinen Tisch zu machen: "Sie haben sich als Opfer dargestellt. Aber Sie sind nicht das kleine Heimchen. Sie wussten genau, was passiert, was F. vorhat."

Kritisch bewertete Peitzner das Verhalten von F.s Mutter und Stiefvater. Sowohl, was die Aussagen beziehungsweise Nichtaussage betrifft, als auch die Eröffnungsparty des Gartenlokal "Freundschaft" in Dessau einen Tag nach der Trauerfeier für die getötete Studentin.

Am Freitag soll das Urteil im Mordprozess um die getötete Studentin Li gesprochen werden.