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Müllskandal Skurriler Auftritt im Finzelberg-Prozess

Die Aufklärung der Bestechlichkeitsvorwürfe im Müllskandal zieht sich hin. Es kommen aber regelmäßig verblüffende Geschichten ans Licht.

15.02.2016, 23:01

Magdeburg l Unsicher betritt sie den Gerichtssaal. Die Zeugin ist nervös. Die einstige Büroangestellte soll erklären, wie die Geschäfte der Sporkenbach Ziegelei GmbH Möckern abgelaufen sind.

Das heute insolvente Unternehmen betrieb die Tongruben im Jerichower Land, in denen Hausmüll illegal eingelagert worden ist. Im Zuge dessen sollen Bestechungsgelder an den damaligen Landrat Lothar Finzelberg (parteilos) geflossen sein – die Unternehmer Edgar E. und Siegfried K. müssen sich deshalb seit Oktober mit Finzelberg vor Gericht verantworten. Die Büroangestellte bearbeitete damals die Rechnungen – und sie ist die Lebensgefährtin des Angeklagten Edgar E.

Vor Gericht berichtet sie vom unbeschwerten Leben mit ihrem Partner. Am Wochenende sei man regelmäßig auf Reitturniere gefahren, dort habe man Siegfried K. getroffen – und später auch Uwe S., den heutigen Kronzeugen. Er will die Bestechungsgelder im Auftrag der Unternehmer an Finzelberg übergeben haben.

Die 43-Jährige erzählt, dass sie eine gute Reiterin sei und gerät ins Schwärmen über die vielen „Erfolgspferde“, die aus dem Stall von Edgar E. in Rietzel stammen. Als Richter Gerhad Köneke dann aber von ihr wissen will, wie die Geschäfte der Tongrubenfirma gelaufen sind, wird die Zeugin plötzlich ganz still. „Pferdesport ist teuer. Da haben sie mit ihrem Lebensgefährten doch sicher mal über die Geschäfte gesprochen?“, will der Richter wissen. „Nein“, antwortet sie. „Nie.“ Auch nicht, als der Müllskandal dann im Jahr 2008 aufgeflogen ist? „Nein.“

Richter Köneke – sonst eher ein ruhiger Vertreter seiner Art – wird ungeduldig. „Es gab Durchsuchungen. Fragt man da nicht mal nach, ob es eine Schieflage gibt?“ Die Zeugin: „Nein.“ Auch bei den Treffen mit Siegfried K. sei es nur „um Gott und die Welt“ gegangen. Über die Geschäfte habe sie nie gesprochen.

Dann kommt die Krönung. Als der Richter wissen will, warum Edgar E. nach der Insolvenz von Rietzel nach Berlin gezogen sei, sagt die Lebensgefährtin, das wisse sie nicht! Während sich der Richter sehr beherrschen muss, können sich die Menschen im Zuschauerraum das Lachen nicht mehr verkneifen.

Ein skurriler, aber kein seltener Auftritt im Korruptionsprozess. Entweder verweigern die Zeugen die Aussage oder sie berichten von undurchsichtigen Millionen-Geschäften mit Firmen und Pferden im Jerichower Land. In 14 Verhandlungstagen hat bisher nur Kronzeuge Uwe S. den Vorwurf der Bestechung erhärten können. Aufgrund seiner kriminellen Vergangenheit wird er von der Verteidigung jedoch als unglaubwürdig eingestuft.

Nachdem Uwe S. im November schon mehrfach ausgesagt hat, soll er am 7. März erneut befragt werden. Dass der Prozess ein schnelles Ende findet, ist unwahrscheinlich: Die Kammer hat inzwischen Verhandlungstermine bis Januar 2017 angesetzt.