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Nach Anschlag Schutzkonzept für Jüdische Gemeinden

Nach dem Terroranschlag von Halle beraten Jüdische Gemeinden und das Innenministerium über Sicherheitsfragen.

17.10.2019, 18:40

Magdeburg (dpa) l Mehr als eine Woche nach dem Terroranschlag von Halle, der zwei Todesopfer und zwei Schwerverletzte gefordert hat, werden immer mehr konkrete Konzepte für die Sicherheit von jüdischen Einrichtungen diskutiert. So soll die Landespolizei gemeinsam mit den Jüdischen Gemeinden Dessau, Halle und Magdeburg eine Konzeption zum Schutz des jüdischen Lebens in Sachsen-Anhalt erstellen. Darauf verständigten sich Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) und Vertreter der Gemeinden am Donnerstag in Magdeburg, wie das Innenministerium mitteilte. In die Gespräche einbezogen werden soll dabei auch der Sicherheitsbeauftragte des Zentralrats der Juden in Deutschland.

Zudem soll ein aus dem Jahr 2006 stammender Staatsvertrag zwischen der Landesregierung und der Jüdischen Gemeinschaft ergänzt werden. In einer gesonderten Vereinbarung soll die Übernahme von Kosten für Schutzmaßnahmen an Gebäuden geregelt werden. Weil eine solche Vereinbarung bislang nicht bestand, hatte das Innenministerium eine Bitte der Jüdischen Gemeinde zu Dessau abgelehnt, Kosten für Sicherungsmaßnahmen in Höhe von 17.000 Euro zu übernehmen.

Vor gut einer Woche hatte ein schwer bewaffneter Mann versucht, in die mit mehr als 50 Gläubigen besetzte Synagoge in Halle zu gelangen. Als das scheiterte, erschoss er zwei Passanten. Ein 27-jähriger Deutscher hat die Tat aus antisemitischen und rechtsextremen Motiven gestanden.

Neun Tage nach dem Terroranschlag wollen am Freitag (16.00 Uhr) Angehörige und Freunde eines der beiden Todesopfer in Merseburg Abschied nehmen. Zu der Trauerfeier in der Stadtkirche St. Maximi wird auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) in der Heimatstadt des 20-Jährigen erwartet. Auch Fans des Fußball-Drittligisten Hallescher FC wollen sich von ihrem Freund verabschieden, mit dem sie bei Spielen des Vereins gemeinsam auf der Tribüne standen.

Der Landesverband Sachsen-Anhalt der Deutschen Polizeigewerkschaft forderte unterdessen, Objektschutzmaßnahmen von der regulären Polizei auf Wachpolizisten zu übertragen. Wachpolizisten werden in Sachsen-Anhalt nach einer dreimonatigen Kurzausbildung auf zwei Jahre angestellt. Sie tragen keine Waffe und kontrollieren zum Beispiel Tempo- und Verkehrsverstöße. Die Einheit gibt es seit mehr als zwei Jahren. Sie wurde eingeführt, um die Landespolizei für andere Aufgaben zu entlasten.

Die Tat bewegt die Menschen in Halle und Umgebung nach wie vor. So hat die Telefonseelsorge Halle eine steigende Zahl von Anrufen registriert. Die Anrufer äußerten sich besorgt über die Geschehnisse und befürchteten, dass ähnliche Taten erneut passieren könnten, sagte die Leiterin der Einrichtung in Halle, Dorothee Herfurth-Rogge. "Manche können die Bilder einfach nicht vergessen und rufen dann bei uns an."

Die Innenminister von Bund und Ländern beraten am Freitag vor dem Hintergrund des Attentats bei einer Sonderkonferenz über Maßnahmen zur Bekämpfung des Rechtsextremismus. Wie aus dem Teilnehmerkreis verlautete, soll bei dem Treffen in Berlin außerdem über bundesweit einheitliche Vorkehrungen zum Schutz von Synagogen beraten werden.

Auch zwei Vorschläge, die in den vergangenen Tagen zwischen dem Bundesinnenministerium und dem Justizressort diskutiert wurden, sollen wahrscheinlich besprochen werden. Die Bundesregierung will die Betreiber von Plattformen im Internet wohl verpflichten, Morddrohungen und andere strafrechtlich relevante Inhalte den Behörden zu melden. Außerdem steht demnächst womöglich eine weitere Änderung des Waffenrechts an. Hier geht es darum, zu unterbinden, dass Rechtsextremisten legal an Waffen kommen können. Um das zu erreichen, soll die Behörde, die eine Waffenerlaubnis erteilt, in Zukunft immer vorher beim Verfassungsschutz nachfragen, ob der Antragsteller womöglich als Extremist aufgefallen ist.