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Nagetier Die Rückkehr des Elbebibers

Vor 100 Jahren war der Biber an der Elbe fast verschwunden. Dank strengem Schutz breiten sich die Nager wieder mehr in Sachsen-Anhalt aus.

27.06.2017, 23:01

Oranienbaum (dpa) l Unscheinbar kuschelt sich der Biber in eine Kuhle am Gewässerrand. Ein paar Zweige schützen die Schlafstelle des Nagers. Heiko Engel, Ranger im Biosphärenreservat Mittelelbe, wirft dem Tier einen Apfel zu. Nach wenigen Augenblicken greift der Biber nach der Frucht und beginnt zu essen. "Normalerweise sucht sich der Biber seine Nahrung selbst", sagt Engel. Hier in der Biberfreianlage des Biosphärenreservats helfen die Mitarbeiter schon mal ein bisschen nach.

Besucher können die Nagetiere von einem kleinen Turm aus beobachten – besonders gut klappt das in der Dämmerung. Es gibt auch einen Biberbau, in den Besucher durch eine Glasscheibe hineinschauen können. Der Biber, der sich an diesem Sommertag in der Anlage aufhält, nutzt allerdings lieber einen ungestörteren Platz im nahen Gehölz.

In fast ganz Deutschland war der Biber verschwunden – nur hier an der Mittelelbe in Sachsen-Anhalt blieben immer ein paar Tiere, erzählt Annett Schumacher. Die Biologin kümmert sich seit 16 Jahren um die Nagetiere an der Elbe.

Gerade einmal rund 200 Exemplare des Elbebibers – einer Unterart des Europäischen Bibers – waren nach Angaben des Naturschutzbundes (Nabu) zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch übrig. Die Tiere wurden intensiv gejagt, galten sie doch als beliebte Fastenspeise, weil als Wasserbewohner angeblich ein Fisch. Auch auf das Fell und das Drüsensekret, das Bibergeil, hatten es viele abgesehen.

Inzwischen gibt es jüngsten Zählungen zufolge allein in Sachsen-Anhalt wieder rund 3400 Elbebiber. Dank strengem Schutz kehren die Nager nach und nach zurück. Im gesamten Elbegebiet sind es laut Schumacher rund 10 000. Die Tiere breiteten sich immer weiter aus und seien längst nicht nur an der Elbe zuhause. Mittlerweile sei etwa fast die komplette Saale bis nach Thüringen besiedelt. Auch an vielen kleineren Flüssen und Bächen tauchen die Tiere auf.

Und hier beginnt mancherorts das Problem. "Durch die Bautätigkeit des Bibers werden Flächen überflutet oder unterhöhlt", sagt Steffen Pingen vom Deutschen Bauernverband. Das führe zunehmend zu Konflikten mit der Landwirtschaft. Besonders Äcker an kleineren Gewässern sind betroffen, weil der Biber hier Dämme baut und das Wasser mitunter stark aufstaut, so dass es über die Ufer tritt. An relativ tiefen Fließgewässern wie der Elbe baut der Biber dagegen gar keine Dämme. "Hier reicht der Wasserstand aus, dass der Eingang zur Biberburg unter Wasser liegt", erklärt Schumacher.

Der Bauernverband fordert eine Entschädigung für die Landwirte, wenn es zu Überflutungen durch den Biber kommt. Zudem müsse darüber nachgedacht werden, die Bestände zu regulieren. "Vielerorts ist der Biber nicht mehr gefährdet", sagt Pingen. Dort müsse ein Bestandsmanagement stattfinden. Durch Umsiedlung oder Entnahme – also Abschuss – müssten die Bestände kontrolliert werden. "Dies kann auch im Rahmen des bestehenden Naturschutzrechts erfolgen". Naturschützer und Landwirte müssten gemeinsam nach Lösungen suchen.

Naturschützer betonen den Nutzen des Bibers. "Der Biber ist eine Schlüsselart", sagt Schumacher. Wo er auftauche, bringe er andere Arten im Schlepptau mit, die sich in den vom Biber gestalteten Flussauen wohl fühlen. Dazu zählten etwa Kranich, Schwarzstorch oder zahlreiche Fischarten. Der Biber helfe somit kostenlos beim Natur und Artenschutz mit und trage auch dazu bei, Vorgaben der EU zum Gewässerschutz zu erfüllen.

Konflikte mit der Landwirtschaft gebe es, aber die ließen sich lösen. Das Biosphärenreservat ist als Referenzstelle für den Biber an der Lösung solcher Konflikte beteiligt. In Sachsen-Anhalt gibt es Schumacher zufolge etwa 130 bis 140 Fälle pro Jahr. "Den Biber umzusiedeln bringt meist nichts – er kommt in der Regel zurück". Häufig werde daher versucht, die Dämme etwas abzutragen oder mit Drainagen zu versehen, damit der Wasserstand sinkt. In der Regel akzeptiere der Biber das.

Noch hat der Elbebiber nicht alle Lebensräume zurückerobert. Entlang der Elbe und ihrer Nebengewässer in Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen und Brandenburg ist laut Schumacher noch genug Platz. Unbegrenzt weiter steigen werde die Zahl der Biber aber nicht. In seinem Revier duldet der Nager keinen Rivalen. Jungtiere müssen sich spätestens nach zwei Jahren ein eigenes Revier suchen. Wenn sich dann nichts Passendes mehr findet, erreiche die Population ein Gleichgewicht, erklärt die Biologin.