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Natur Gute Aussichten für den Seeadler

Im Jahr 2015 gab es in Sachsen-Anhalt 37 Brutpaare unter den Seeadlern. Noch nie war der Brutbestand im Land höher.

01.08.2017, 08:03

Bleckede (dpa) l Das mit dem Seeadler ist eine Erfolgsstory des Naturschutzes. Mehr als 700 Paare des einst fast ausgerotteten Greifvogels brüten wieder in Deutschland. Seit einigen Jahren geht es den Adlern wieder deutlich besser, nicht nur an der Elbe wie hier bei Bleckede in Niedersachsen. Der größte einheimische Greifvogel gleitet über die Bäume am Ufer. Bald folgt ein zweiter, rasch gewinnen die beiden an Höhe. Der weiße Schwanz verrät: Es sind ausgewachsene Tiere.

"Die Elbe ist in den vergangenen Jahren wieder zu einem fischreichen Fluss mit einem großen Spektrum an Fischarten geworden", sagt Franz Höchtl, stellvertretender Leiter des Biosphärenreservats "Niedersächsische Elbtalaue". "Da sich die Seeadler zu einem großen Teil von Fischen ernähren – daneben von Wasservögeln und im Winter auch Aas – ist ihr Tisch entsprechend reich gedeckt", erläutert der Agrarbiologie. Auch die Weiträumigkeit mit den wenig besiedelten und relativ störungsarmen Flächen sowie dem breiten Elbstrom und seinen Nebengewässern sei entscheidend.

"Die chemische Wasserqualität der Elbe hat sich seit der Wendezeit erheblich verbessert", betont Höchtl. Aber gebe es noch Probleme bei der Belastung mit chlorierten Kohlenwasserstoffen, insbesondere Dioxinen, die sich im Sediment angereichert haben. Dennoch: "Die Elbe mit ihren Auen ist insgesamt ein vergleichsweise naturnaher Fluss", so Höchtl. Das gelte trotz der industriellen Einleitung von Schadstoffen der vergangenen Jahrzehnte und der Bedeutung des Flusses als Bundeswasserstraße samt den damit verbundenen, zum Teil über 100 Jahre alten Umgestaltungsmaßnahmen.

"Wir gehen von bundesweit über 700 Brutpaaren aus", sagt Lars Lachmann, Vogelexperte beim Naturschutzbund Nabu in Berlin. Ornithologen zählten nur die Brutpaare, dazu kämen aber die noch nicht geschlechtsreifen Vögel und nichtbrütende Paare. "Bei einem langlebigen Vogel wie dem Seeadler kann man davon ausgehen, dass auf jedes Brutpaar einige nichtbrütende Vögel kommen." So dürfte es neben den Brutpaaren noch eine vierstellige Zahl an Nichtbrütern geben.

"Seit den 60er-Jahren hat sich der Bestand mehr als verzehnfacht", sagt Lachmann. Damals habe es in der Bundesrepublik noch gerade vier Paare gegeben, in der DDR waren es etwa 60. "Zur Erholung haben das Verbot des Insektizids DDT und die Unterschutzstellung der Greifvögel entscheidend beigetragen". Auch Horstbewachungen hätten geholfen.

"Das Verbreitungsgebiet wächst", freut sich Lachmann. "So breitet sich die Art Richtung Westen nach Niedersachsen aus. Im Süden haben die Seeadler Bayern erreicht." Allein in Niedersachsen dürften mit den noch nicht geschlechtsreifen Vögeln wieder rund 200 Seeadler unterwegs sein, schätzt Peter Görke, er ist Seeadler-Betreuer des Landes. Landesweit gibt es 55 Reviere, noch 1997 waren es nur zwei. "An der Elbe sind Seeadler mittlerweile bis Cuxhaven zu sehen – der Fluss ist das niedersächsische Kerngebiet", so Görke. Auch an der ostfriesischen Nordseeküste seien erste Brutreviere.

Allein im Biosphärenreservat "Niedersächsische Elbtalaue" leben aktuell sechs Brutpaare. Das Gebiet ist Teil des weit größeren Unesco-Biosphärenreservates "Flusslandschaft Elbe" in insgesamt fünf Bundesländern an 400 Kilometern entlang des Stromes – neben Niedersachsen auch Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein sowie Brandenburg. Das sind auch die gewässerreichen Bundesländer, die der Seeadler bevorzugt.

Gut 80 Prozent des deutschen Bestandes leben im Nordosten, mehr als 360 Brutrevierpaare waren es 2015 allein in Mecklenburg-Vorpommern. Die etwa 200 erfolgreichen Paare sollen rund 300 Jungvögel gehabt haben. Die Bestandstendenz sei weiterhin leicht steigend, heißt es im Umweltministerium. "Bei uns in Mecklenburg-Vorpommern sind die Seeadler hauptsächlich in den Großseenlandschaften mit ausgedehnten Waldstrichen und hohem Gewässeranteil zu Hause", sagt Minister Till Backhaus (SPD) in Schwerin. "Zunehmend werden aber auch die großen Flusstäler von Peene, Trebel und Recknitz sowie das Hinterland der Küste, wie beispielsweise auf der Insel Usedom, besiedelt." Auch die wenigen Kilometer an der Elbe sind beliebt.

Auch Brandenburg ist Seeadler-Land. "Wir hatten 2015 193 mit Paaren besetzte Reviere", berichtet Torsten Langgemach von der Staatlichen Vogelschutzwarte Brandenburg. In Sachsen-Anhalt wurde zuletzt 2015 mit 48 Revierpaaren und davon 37 Brutpaaren mit Nest der höchste je dort ermittelte Brutbestand gezählt. "Wir haben in diesem Jahr in Schleswig-Holstein 106 Paare mit einem Revier", sagt Christian Holm, Vorsitzender der dortigen Projektgruppe Seeadlerschutz. Das würde zusätzlich rund 150 Jungvögel in diesem Jahr ergeben. Die Brutpopulation in Sachsen soll im vergangenen Jahr 69 Brutpaare und zusätzlich 17 Revierpaare umfasst haben. In Thüringen seien es erst zwei Brutpaare, heißt es beim dortigen Nabu.

"Die Gefährdung besteht weiter in illegaler Verfolgung", sagt Lachmann. Jedes Jahr würden bundesweit im Durchschnitt acht getötete Seeadler gefunden. "Dazu kommen Horstzerstörungen, wie sie in letzter Zeit leider in der Umgebung von geplanten Windkraftanlagen zunehmend vorkommen." Auch in fertig gestellten Anlagen käme es regelmäßig zu Todesfällen. "Häufige Todesursache von tot aufgefundenen Seeadlern ist die Bleivergiftung", sagte Lachmann. "Weil die Adler auch angeschossene Tiere erbeuten oder Aas zu sich nehmen, verschlucken sie dabei häufig Schrotkugeln." Sei die Munition nicht bleifrei, so führe dies über kurz oder lang zum Tod. In Feuchtgebieten sei die bleihaltige Munition bereits verboten, auch im Staatswald dürfe sie meist nicht mehr verwendet werden.