Notfallsanitäter: Toter Zweijähriger hatte viele Hämatome
Bedrückende Stille herrscht im Gerichtssaal. Erfahrene Retter schildern, wie sie den toten Tim im Sommer 2020 in der Wohnung der Mutter aufgefunden haben. Die 36-Jährige und ihr Ex-Lebensgefährte sagen auch dazu als Angeklagte kein einziges Wort.

Halle (dpa/sa) - Im Prozess um den gewaltsamen Tod eines Zweijährigen haben Ersthelfer und Notarzt dem Landgericht in Halle erschütternde Details über den Zustand des Jungen geschildert. Der kleine Junge hatte den Angaben nach an Armen und Beinen auffällig viele und große Hämatome sowie Striemen und auch ältere Spuren von Gewalt, selbst im Gesicht.
Die wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen und fahrlässiger Tötung angeklagte Mutter und deren Ex-Lebensgefährte, der wegen Mordes an dem Jungen angeklagt ist, schweigen bisher zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft. Sie sitzen in Untersuchungshaft. Der 30-jährige Angeklagte soll im Juni und Juli 2020 den zweijährigen Tim in der Wohnung der 36 Jahre alten Mutter des Jungen in Querfurt (Saalekreis) mehrfach aus einer sadistischen Grundeinstellung heraus gequält, erniedrigt und sexuell missbraucht haben.
Er soll laut Staatsanwaltschaft den Zweijährigen totgeschlagen und -getreten haben, um die Taten zu verdecken. Diese soll er gefilmt haben. Seit Beginn des Prozesses, am 14. Dezember 2020, verbirgt der Mann sein komplettes Gesicht unter seinen Haaren und einem Mundschutz. Die angeklagte Mutter des Zweijährigen, die eine Tochter hat, starrt im Wesentlichen regungslos vor sich hin.
Als er den Zweijährigen gesehen habe, sei ihm sofort klar gewesen, dass es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um ein Gewaltverbrechen handelt, beschrieb der Notarzt den ersten Augenblick des Einsatzes vom 11. Juli 2020 als Zeuge vor Gericht. Er arbeite seit 30 Jahren im Rettungsdienst, seit 2009 als Notarzt. Die Leichenstarre des Jungen war schon vorhanden, wie der Mediziner sagte. "Ich habe das Ärmchen angefasst, es war schon steif", sagte er mit stockender Stimme.
Die Mutter habe in ihrem Wohnzimmer auffällig teilnahmslos, auf Abstand auf der Couch gesessen, wo ihr totes Kind lag. "Da war nichts, das habe ich noch nicht erlebt", sagte ein 62 Jahre alter Rettungsassistent, der mit dem Notarzt im Einsatz war, auf die Frage des Vorsitzenden Richters Janb Stengel über das Verhalten der Frau. Der Fernseher sei eingeschaltet gewesen. Der Lebensgefährte der Frau habe nebenan in einem Zimmer geschlafen, auch dann noch als die Polizei eintraf, sagte der Zeuge kopfschüttelnd.
Ebenso schilderte zuvor ein Notfallassistent die Situation vor Gericht. Das Kind sei nur spärlich bekleidet gewesen, sichtlich übersät mit Hämatomen, an Beinen und Armen und auch im Gesicht. "Es waren so viele, so große blaue Flecken, so stößt sich kein Kind", sagte der 37-Jährige. An einem Mundwinkel des Jungen sei gegorenes Blut gewesen. "Er war schon sehr, sehr kalt. Da war leider nichts mehr zu machen", sagte der Ersthelfer sichtlich bewegt. Aus väterlichem Instinkt habe er das tote Kind zugedeckt, sagte er und wischte sich Tränen aus den Augen.
Die Mutter des Jungen habe den Einsatzkräften erklärt, sie habe den Zweijährigen gegen 23.00 Uhr ins Bett gelegt, gegen 11.00 Uhr am 11. Juli 2020 leblos in der Wohnung gefunden. Der Notruf der Frau sei gegen 12.30 Uhr in der Leitstelle eingegangen. Fünf Minuten später seien erste Rettungskräfte vor Ort gewesen. Der Prozess wird am 18. Januar fortgesetzt. Das Gericht hat Termine bis Februar anberaumt.