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Organspende Ein Leben geht, ein anderes bleibt

Tag der Organspende: An der Magdeburger Uniklinik werden jedes Jahr mehrere Lebertransplantationen durchgeführt.

Von Bianca Oldekamp 02.06.2018, 01:01

Magdeburg l „Ich kann doch jetzt nicht sterben.“ Dieser Gedanke war einer der ersten, den Elke Gustedt aus Wolmirstedt hatte, als ihre damaligen Ärzte der 62-Jährigen im Januar dieses Jahres erklärten, dass sie aufgrund ihrer unheilbaren Leberzirrhose nicht mehr lange leben würde.

Eine Leberzirrhose, also das Endstadium chronischer Leberkrankheiten, entwickelt sich in der Regel über mehrere Jahre oder sogar Jahrzehnte. Nahezu alle chronischen Erkrankungen der Leber enden in der Leberzirrhose. Bei Elke Gustedt kamen für diese gleich mehrere Ursachen zusammen: eine Gelbsucht in der Kindheit und eine lange unentdeckte Diabetes-Erkrankung hatten die Leber der 62-Jährigen so sehr geschädigt, dass ihre damaligen Ärzte sie aufgegeben hatten.

Doch Elke Gustedt selbst hatte sich noch lange nicht aufgegeben. Und auch ihre Familie wollte und konnte das Urteil der Ärzte nicht tatenlos hinnehmen. Mittlerweile wird Elke Gustedt im Magdeburger Universitätsklinikum behandelt. „Im anderen Krankenhaus hätte man mich sterben lassen“, blickt sie Ende Februar auf einen Monat zurück, in dem sie intensiver denn je behandelt wurde – und eine postmortale Organspende erhalten hat.

Den Kontakt zum Uniklinikum Magdeburg hatte Elke Gustedts Tochter in ihrer Verzweiflung gesucht. Sie schilderte Prof. Dr. Roland Corner, Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Gefäß- und Transplantationschirurgie, die Situation ihrer Mutter. „Ich bin dann sofort hergekommen und innerhalb von nicht mal einer Woche wurde mir geholfen“, erzählt die Patientin.

Konkret wurde Elke Gustedt am 31. Januar 2018 auf der Intensivstation des Magdeburger Uniklinikums aufgenommen. „Als Folge der Lebererkrankung ging es Frau Gustedt zu diesem Zeitpunkt sehr schlecht. Wir mussten aber zunächst Diagnostik betreiben“, erklärt Dr. Therese Reinstaller. Sie arbeitet als Fachärztin für Viszeralchirurgie an der Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Gefäß- und Transplantationschirurgie des Uniklinikums in Magdeburg und behandelt Elke Gustedt seither.

Schon bevor die Diagnostik abgeschlossen war, stand fest: Das Risiko, dass Elke Gustedt an ihrer Leberzirrhose in den nächsten drei Monaten stirbt, lag zwischen 70 und 80 Prozent. Deshalb wurde kurzfristig eine Transplantationskonferenz einberufen. Im Rahmen dieses Treffens kamen alle an einer Transplantation beteiligten Fachärzte aus den Abteilungen Chirurgie, Gastroenterologie, Infektiologie, Intensivtherapie und Radiologie zusammen. Gemeinsam planten die Ärzte weitere Schritte, um Elke Gu­stedt bestmöglich behandeln zu können. Eine Lebertransplantation – die von den vorherigen Ärzten der Wolmirstedterin nie in Betracht gezogen worden sei – war unumgänglich, um das Überleben der Patientin zu ermöglichen.

Elke Gustedt musste auf die Warteliste für Organtransplantationen gesetzt werden. Doch das ist erst möglich, wenn eine Mindestdiagnostik abgeschlossen ist, im Körper also zum Beispiel kein bösartiger Tumor wächst.

Nachdem Elke Gustedt dem Plan der Ärzte, sie auf die Warteliste zu setzen, zugestimmt hatte und die Mindestdiagnostik abgeschlossen war, ließ Therese Reinstaller ihre Patientin am 6. Februar um 13 Uhr auf die von der Stiftung Eurotransplant verwaltete Liste setzen.

Neben der Verwaltung der Liste ist die Organisation Eurotransplant auch für die Zuteilung von Spenderorganen in Belgien, Deutschland, Kroatien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Ungarn und Slowenien zuständig. Entscheidend für diese sind beispielsweise Blutgruppe und Gewebetyp von Spender und Empfänger, aber auch wie lange jemand schon auf der Warteliste steht. Weil auf der zentralen Warteliste zur Zeit ungefähr 15.000 Patienten stehen, kann fast jedes Spenderorgan einem geeigneten Empfänger zugeordnet werden, und das sogenannte „Perfect Match“ ist häufig möglich.

Eine dieser „perfekten Übereinstimmungen“ gab es auch im Fall von Elke Gustedt – und das zur Überraschung aller nach gerade mal drei Stunden, nachdem sie auf die Warteliste gesetzt wurde. „Bei Frau Gu­stedt hängt das unter anderem mit der Blutgruppe zusammen“, erklärt Ärztin Therese Reinstaller.

„Ich habe das im ersten Moment gar nicht richtig geschnallt“, erzählt Elke Gustedt. „Das kam erst später und eigentlich kommt das jetzt erst so richtig“, gesteht sie Ende Februar. Zu diesem Zeitpunkt war sie aufgrund starken Muskelschwunds durch die vorangegangenen monatelangen Krankenhausaufenthalte ans Bett gefesselt und von der Operation geschwächt.

Nachdem Eurotransplant die neue Leber Patientin Elke Gustedt zugeteilt hatte, musste es schnell gehen. Während Elke Gustedt für die Operation vorbereitet wurde, kam das Organ im Uniklinikum an. Um 21.30 Uhr waren alle Beteiligten im Operationssaal und eine Stunde später begann dann die OP. Im Anschluss an den vierstündigen Eingriff, der reibungslos verlaufen ist, ging es für Elke Gustedt zurück auf die Intensivstation – Standard nach einer Organtransplantation.

Das Magdeburger Uniklinikum ist eines von insgesamt 23 Transplantationszentren in Deutschland, die das Organ Leber transplantieren, und das einzige solche Zentrum in Sachsen-Anhalt. Im Jahr 2017 wurden in Magdeburg acht Lebertransplantationen durchgeführt. In diesem Jahr sind es bisher fünf.

Und eine dieser Transplantationen wurde eben an Elke Gustedt durchgeführt. „Es war Glück, dass wir so schnell ein so gutes Organ hatten“, sagt Dr. Therese Reinstaller rückblickend. „Es ist meist so, dass wenn die Abläufe so zügig funktionieren, die Erholung der Patienten ebenfalls besser klappt.“ Und das war auch bei Patientin Elke Gustedt der Fall.

Obwohl sie nicht nur aufgrund der Leberzirrhose, sondern auch wegen der monatelangen Krankenhausaufenthalte nach der erfolgreichen Transplantation geschwächt war, geht es Elke Gustedt mittlerweile wieder gut. Bis Mitte März lag sie im Uniklinikum – länger als andere Transplantationspatienten. Denn durch fehlende Muskeln konnte Elke Gustedt zunächst nicht laufen. Auf eigenen Wunsch und mit dem Einverständnis der behandelnden Ärzte um Dr. Therese Reinstaller ging es für Elke Gustedt nach ihrem Krankenhausaufenthalt jedoch nicht direkt in eine Reha-Klinik. „Ich wollte erst wieder laufen können“, erklärt sie. Und die täglichen Ergo- und Physiotherapieeinheiten konnte sie auch zu Hause bekommen, weshalb sie für zunächst vier Wochen zurück in die eigenen vier Wände nach Wolmirstedt ging.

Die dreiwöchige Reha im thüringischen Bad Berka startete Mitte April. Elke Gustedt hatte sich in den vier Wochen zwischen Klinik- und Rehaaufenthalt zurück auf die Beine gekämpft. Und statt der gemütlichen Variante Fahrstuhl, entschied sie sich in der Kur lieber für die Treppen. „Ich hatte viel Ehrgeiz“, erklärt sie.

Für die Nachbehandlung ihrer Lebertransplantation geht es für Elke Gustedt aktuell einmal im Monat zurück an die Magdeburger Uniklinik. Solange die Blutwerte in Ordnung sind, hat die Wolmirstedterin nichts zu befürchten. „Nur einmal war ein Wert aufgrund des Medikaments, das verhindert, dass mein Körper die neue Leber abstößt, zu hoch“, berichtet sie in dieser Woche. Nachdem das Medikament reduziert wurde, sei auch der Wert wieder in Ordnung.

Ihr zurückgewonnenes Leben verbringt Elke Gustedt mit ihrem Mann. Sie hat wieder Zeit gemeinsam mit ihm zu frühstücken, einzukaufen oder zum Frisör zu gehen. Einfach Dinge, die Elke Gustedt während ihrer Krankenhausaufenthalte nicht machen konnte. „Dass wieder alles normal ist und es zu genießen, ist einfach schön. Und das habe ich vor allem meinen neuen Ärzten zu verdanken“, fasst Elke Gustedt ihre Geschichte zusammen.