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Parteitag Linke will sich wieder mehr kümmern

Sachsen-Anhalts Linke setzt im Wahlkampf auf das Thema soziale Gerechtigkeit. Andreas Höppner ist neuer Parteivorsitzender.

Von Michael Bock 22.05.2017, 01:01

Halle l Irgendwie steckt er den Genossen noch ganz schön in den Knochen, der Schock der Landtagswahl 2016. Da stürzte die in Sachsen-Anhalt erfolgsverwöhnte Linke auf 16,3 Prozent der Wählerstimmen ab – 2011 hatte sie noch 23,7 Prozent geholt. Die Stimmung beim Landesparteitag wirkt zunächst irgendwie gedrückt.

Wulf Gallert, einst Spitzenkandidat, jetzt Vizepräsident des Landtags, ist es, der das als Erster anspricht. „Was uns noch fehlt, sind Begeisterung und Elan“, ruft er den Delegierten zu. Matthias Höhn, Landtagsabgeordneter und Bundesgeschäftsführer, verfolgt die Diskussionen zeitweise aus der hinteren Reihe. Nach der Landtagswahl, so sagt er am Rande des Parteitags, sei die Linke „in ein mentales Loch gefallen“. Da krabbelt sie langsam raus. Höhn formuliert es so: „Es hat gedauert, bis sich der Landesverband wieder sortiert hat.“

Mit einem neuen Mann an der Spitze will die Linke nun punkten. Der heißt Andreas Höppner, er kommt aus der Altmark, gilt als bodenständig und kämpferisch. Der 49-Jährige, bereits seit 2011 Parteivize, hält eine Weckruf-Rede. Die Partei müsse offener und angriffslustiger werden, schärfer Position beziehen und auch kontrovers streiten. „Viele unserer Parteitage sind im Vergleich zu mancher Betriebsversammlung, die ich mitgemacht habe, geschmeidige Familienfeiern“, sagt Höppner.

Da ist er, der konflikterfahrene Betriebsrat und Gewerkschafter, der so leidenschaftlich für die Jobs beim Tiefkühlwarenhersteller Fricopan gekämpft hat. Höppner hat den Ruf, auch dahin zu gehen, wo es wehtut. Ihm wird nachgesagt, die Finger in die Wunde zu legen. Er gilt als Mann des offenen Wortes. Klar, verständlich. Höppner sagt: „Ich bin manchmal sehr direkt. Aber mit Rumeierei erreicht man keine Menschen.“ Und: „Wenn mir Gegenwind richtig ins Gesicht bläst, laufe ich zu Höchstform auf.“

Die Linke müsse wieder mehr zur „Kümmererpartei“ werden, fordert er. Das war einst ihr Markenzeichen. Doch die Kümmerer sind älter geworden – und weniger. Derzeit liegt das Durchschnittsalter der Mitglieder bei 65 Jahren. Ihre Zahl sank binnen fünf Jahren um 727 auf knapp 3880.

Höppner, verheiratet, drei Kinder, verkörpert es noch, das Kümmerer-Image. Der 49-Jährige ist fest an der kommunalen Basis verankert. Seit zwei Jahren ist er Ortsbürgermeister in Kloster Neuendorf, einem Stadtteil von Gardelegen.

Auch Landesvize Jörg Schindler, Wittenberg, sagt: „Wir müssen näher ran an die Menschen.“ Mit „wüstem Fachchinesisch“ gelinge das nicht. Eine Delegierte macht sich da ihre eigenen Gedanken. Die Orte, an denen die Partei tage, würden immer größer, wundert sie sich. Diesmal sind die Delegierten in der repräsentativen Händel-Halle zusammengekommen. Warum nicht mal in einem sozialen Brennpunkt tagen?, fragt die Delegierte.

Höppner kommt gut an bei den Delegierten. Mit satten 92,2 Prozent Zustimmung wird er ins Amt gewählt. „Das ist ein starkes Votum“, sagt er. „Das beflügelt mich.“

„Tschüss“ sagt Birke Bull-Bischoff, die seit 2012 Landes­chefin war. Zum Abschied bekommt sie ein ungewöhnliches Geschenk. Eine Stadtführung durch Berlin – aus der Sicht eines Obdachlosen. Bull-Bischoff zieht es im September in den Bundestag.

In ihrer letzten Rede als Parteivorsitzende fordert die 53-Jährige mit Blick auf die Bundestagswahl einen Politikwechsel. „Wir wollen für Mehrheiten kämpfen, die Gerechtigkeit nicht nur als rhetorische Monstranz vor sich hertragen“, sagt sie. „Wir brauchen Mehrheiten, die dem unermesslichen privaten Reichtum ans Leder wollen.“ Sie fordert einen gesetzlichen Mindestlohn von zwölf Euro pro Stunde.

Bundestags-Vizepräsidentin Petra Pau sagt beim Parteitag, die Linke kämpfe bei der Bundestagswahl für ein „klar zweistelliges Ergebnis“. Und: „Allein die Linke ist die Alternative für Deutschland. Alle anderen tummeln sich im neoliberalen Block.“