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Personalmangel10.000 Euro Kopfprämie für Pfleger

Die Krankenhäuser in Sachsen-Anhalt ziehen im Kampf um Personal alle Register - auch finanziell.

Von Janette Beck 19.10.2019, 01:01

Magdeburg l Sachsen-Anhalt steckt in der Demografie-Falle: Die Bevölkerung wird immer älter, kranker und pflegebedürftiger. Auf der anderen Seite wird die Lücke zwischen dem benötigten und tatsächlich vorhandenen Pflegepersonal immer größer. Aus der Not heraus ziehen finanzkräftige Krankenhäuser alle Register und setzen im Kampf um Fachkräfte auf zugkräftige monetäre Lockmittel. So werden bei der Asklepios-Klinik in Weißenfels Neueinsteigern für einen Vertrag über anderthalb Jahre 10.000 Euro Antrittsprämie gezahlt. Dazu gibt es einen Dienstplan nach Wunsch. Bei der Median Klinik in Magdeburg ist von einem „Startgeld“ von 5.000 Euro die Rede. Andere Häuser zahlen ihren Mitarbeitern für die Anwerbung neuen Personals einen Vermittlungsbonus.

Auch die fünf sachsen-anhaltinischen Helios-Kliniken der Region Ost (Köthen, Burg, Neindorf, Zerbst, Vogelsang) verzeichnen einen „regional spürbaren Engpass“. Derzeit gebe es 15 offene Stellen, erklärt Martin-Thomas Wachter, Abteilungsleiter PR/Marketing. Doch anders als das benachbarte Helios-Park-Klinikum in Leipzig, das 6000 Euro locker macht, werde bewusst auf Kopfgeld für neue Beschäftigte verzichtet – „aus Kollegialität und Rücksicht auf unser Stammpersonal“. Vielmehr setzt man hier auf Prämien für Mitarbeiter, die neues Personal anwerben.

Auch im Krankenhaus St. Marienstift in Magdeburg werden Mitarbeiter belohnt, die neue Mitarbeiter anwerben. „Dafür gibt es 1000 Euro“, erklärt Geschäftsführer und Pflegedirektor Johannes Brumm. Fachkräfte mit Antrittsprämien zu ködern, sei indes nicht der richtige Weg: „Das wertet den Beruf des Pflegers nicht auf, sondern ab.“

Henry Rafler, Vorsitzender des Landespflegerates, sieht die Entwicklung mit Sorge. „Wir wissen, dass in Ballungszentren immer öfter mit Kopfgeld und Antrittsprämien geworben wird.“ Verhindern könne man das nicht, „denn jeder Träger kann selbst entscheiden, wie er um Personal wirbt“. Über kurz oder lang wirke sich das Ganze negativ auf die gesamte Branche aus, warnt er. Die Not wird nicht nur in den kleinen Häusern, die nicht die finanziellen Ressourcen haben, größer. Das Ende der Kette seien die Altenheime und ambulanten Pflegedienste. „Sie sind die großen Verlierer.“

Sabine Kösling, Landesvorstandsvorsitzende des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste sieht durch Antrittsprämien für Pflegekräfte „die Versorgung in der Altenpflege gefährdet, wo solche nicht bezahlt werden können“. Das Landessozialministerium sieht die Abwerbeprämien in der Pflegebranche „kritisch“. Gleichwohl sind sie laut Sprecherin Ute Albertsmann „völlig legitim“ und haben sich „als Instrument im Personalmarketing an manchen Orten mittlerweile etabliert“.

Rund 110.000 Sachsen-Anhalter sind pflegebedürftig. Oft übernehmen Angehörige die Betreuung, doch in der Mehrzahl der Fälle sind Profis gefragt. Doch die sind Mangelware. „Der Fachkräftemarkt im Pflegebereich ist leergefegt“, erklärt Kay Senius, Chef der Landesarbeitsagentur, dazu. „Eine offene Stelle ist hier im Schnitt 160 Tage unbesetzt.“

Das Landessozialministerium konstatiert mit Blick auf „Kopfgeldzahlungen“ (siehe Seite 1), dass der Kampf ums Fachpersonal inzwischen „mit harten Bandagen“ geführt werde. Arbeitgeber sollten aber weniger auf kurzfristige Prämien, „sondern langfristig auf eine hohe Arbeitgeberattraktivität setzen, die sich herumspricht. Das ist nachhaltiger.“

Während sich die kleinen Häuser und Pflegeeinrichtungen Antrittsprämien gar nicht leisten können, verzichten einige große Kliniken wie das Uniklinikum Magdeburg, das Harzklinikum und die Helios-Unternehmen der Region offensichtlich auch darauf. Sie gaben an, keine Kopfgelder an neues Personal zu zahlen. Stattdessen, so heißt es, versuche man mit Tariflohn, einer individuellen Dienstplangestaltung, einem guten betrieblichen Gesundheitsmanagement oder Familienfreundlichkeit zu punkten.

Gundula Kopp, Pflegedirektorin des Harzklinikums, sieht ein überzeugendes Argument zudem darin, dass man ein kommunales Haus ist. „Die damit verbundene Unternehmenskultur sorgt für externe Bewerbungen.“ Ein weiterer Vorteil ist die eigene Ausbildung. „Allein in diesem Sommer haben wir 22 sehr gut ausgebildete Absolventen unserer Krankenpflegeschule übernehmen können, die jetzt im Pflegebereich tätig sind.“ Professor Hans-Jochen Heinze, Sprecher des Vorstandes am Uniklinikum Magdeburg, verweist auf die aus seiner Sicht gute Bezahlung.

Zu einem Tariflohn komme ein hausinterner Pflegebonus von 120 Euro pro Monat. Hinzu käme: Die aufgebaute Poolstruktur gewährt den Mitarbeitern eine freie Wahl des Schichtsystems (Ein-, Zwei- oder Dreischichtsystem). Zudem liegt der Fokus auf der Steigerung der Azubi-Zahlen. Die derzeit zur Verfügung stehenden 75 Ausbildungsplätze werden durch die Kooperation mit dem Malteser Hilfsdienst künftig auf 115 erhöht. Durch ein 2017 gestartetes Pilotprojekt konnten außerdem 15 ausländische Pflegekräfte gewonnen werden, so Heinze.

Auch die ambulanten und stationären Einrichtungen der Altenpflege beklagen einen Notstand. Doch vor allem die kleinen, privaten Unternehmen sehen sich im Kampf um Personal nicht auf Augenhöhe mit den Krankenhäusern. Denn denen werde die volle Finanzierung aller Stellen zu den höchsten Tarifen vom Gesetzgeber garantiert, „während wir in der Altenpflege mit den Pflegekassen um jede Stelle und jeden Cent kämpfen müssen“, klagt Sabine Kösling, Landesvorstandsvorsitzende des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste.

Um sich als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren und zu zeigen, „dass wir es mit guter Bezahlung ernst meinen“, hat „Humanas“ zum 1. Oktober die Betriebsordnung geändert. Das Unternehmen aus Colbitz, das in seinen 13 Wohnparks mehr als 300 Mitarbeiter beschäftigt, hat die Wochenarbeitszeit von 40 auf 38,5 Stunden gesenkt – und das bei vollem Lohnausgleich. „Dies entspricht einer Gehaltserhöhung von 3,89 Prozent“, erklärt Humanas-Gründer und Mitgesellschafter Jörg Biastoch. Damit liege man in der untersten Gehaltsgruppe 91 Cent über dem Mindestlohn Pflege. Zudem wurde der Urlaubsanspruch von 24 auf 25 Tage erhöht. Außerdem werden rund 50 Prozent mehr Mitarbeiter je Standort beschäftigt als in anderen vergleichbaren, stationären Pflegeheimen.

Hier der Kommentar zum Thema.