Wildunfälle Pieptöne gegen Rehe und Wildschweine
Wildunfälle sind das höchste Unfallrisiko auf Sachsen-Anhalts Straßen. Neue Akkustik-Warner sollen Abhilfe schaffen.
Magdeburg l Bei Apenburg in der Altmark rennt ein Damhirsch auf die Straße - es ist Sonntagnachmittag, hell - dennoch hat die Autofahrerin keine Chance: Aufprall, Verletzungen, 3000 Euro Schaden. Ein paar Tage zuvor, bei Brettin, läuft im Dunkeln ein Reh über die Straße: der Mercedes-Fahrer bremst, weicht aus, knallt gegen einen Baum. Zum Glück kommt er mit dem Schrecken davon. 14.000 Mal im Jahr kollidieren in Sachsen-Anhalt Autofahrer mit Reh, Wildschwin oder Hirsch. Seit zwei Jahren rangieren Wildunfälle mit einem Anteil von 20 Prozent auf Rang eins der Ursachenliste. 2017 kamen dabei zwei Menschen ums Leben.
Bisher wurde versucht, mit Lichtreflexen das Problem zu lindern. Blaue Reflektoren an Straßenpfosten sollen Tiere davon abhalten, der Straße zu nahe zu kommen. Nach Einschätzung von Fachleuten verloren viele Reflektoren aber an Wirkung, da sich Tiere an die Reflexe gewöhnt hatten. Nun versucht das Verkehrministerium eine neue Technik: Pfeiftöne sollen jetzt helfen, die Tiere abzuschrecken. Gestern wurden an der B 184 bei Dessau die ersten dieser neuen Wildwarner aufgestellt. „Eine bundesweit bisher einmalige technische Lösung“, sagte Verkehrsminister Thomas Webel (CDU).
Das Besondere: Da sich die Frequenz mit der Temperatur ändert, soll ein Gewöhnungseffekt verhindert werden. Und: Die Geräte arbeiten auch tagsüber im Hellen. Sie erkennen Fahrzeuge nicht nur am Licht sondern auch an ihren Fahrgeräuschen. Zusätzlich zum Pfeifton werden Lichtblitze ausgelöst. Außerdem geht ein rotes Licht an, um Flugwild zu warnen. Die Technik wurde in Österreich entwickelt und dort an einigen Stellen ausprobiert.
Manche Experten sind dennoch skeptisch. Tiere seien anfangs zwar vom Pfeifton irritiert: „Wenn es aber eine Weile feststellt, dass davon keine Gefahr ausgeht, blendet es das aus“, sagt der Leiter der Unfallforschung der Versicherer, Siegfried Brockmann. Es sei aber richtig, neue Methoden auszuprobieren.
Sachsen-Anhalts Verkehrsministerium testet die neue Technik auf vier besonders unfallträchtigen Strecken. An der B 184 zwischen Tornau und Jütrichau werden jetzt auf zwei Kilometer Länger 138 Wildwarner installiert. Bis November folgen zwei Straßen in der Altmark und eine weitere im Landkreis Börde. Die Anlagen kosten 60.000 Euro. 55.000 Euro zahlt das, 5000 Euro trägt der ADAC.
In Sachsen-Anhalt kletterte die Zahl der Wildunfälle 2017 auf den Rekordwert von 14331. Im ersten Halbjahr 2018 wurden 6371 Wildunfälle gezählt - etwas weniger als im Vergleichszeitraum 2017.