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Polizei Wenn es bei Einsätzen kracht

Wenn Polizisten Türen auframmen, trägt in der Regel das Land die Kosten. Seit 2016 waren dies allein rund 1,4 Millionen Euro.

Von Matthias Fricke 25.07.2020, 01:01

Magdeburg l Gleich an drei Wohnungen gleichzeitig stehen in der Altmarkstadt Salzwedel am 21. Februar 2018 um 8.05 Uhr Polizisten der Landesbereitschaftspolizei bereit. Dann rummst es fast zeitgleich. Die Beamten verschaffen sich mit einem richterlichen Beschluss in der Tasche gewaltsam Zutritt. Beschuldigt sind drei junge Männer, bei denen Drogen im größeren Stil vermutet werden. Die Polizisten gehen bei dem Einsatz zur Beweissicherung nicht gerade zimperlich vor. Alle drei neuen Wohnungseingangstüren in den beiden betroffenen Häusern werden zerstört. 60 Cannabispflanzen, Marihuana, 100 Ecstasy-Tabletten und Arzneimittel stellen die Beamten sicher. Für die Polizei ein erfolgreicher Schlag, wie später auch Staatsanwalt Thomas Kramer aus Stendal bestätigt. Die jungen Männer wurden teilweise bereits verurteilt. Zwei Verfahren laufen noch vor dem Schöffengericht.

Zurück bleibt an diesem Tag der Vermieter mit seinen unbrauchbaren Türen. Diese muss er nun neu kaufen und durch die Handwerker ersetzen lassen.

Die Kosten über 3000 Euro hat die Salzwedeler Wohnungsbaugesellschaft dem Land Sachsen-Anhalt in Rechnung gestellt.

Doch das Land zahlte erst nach angestrebter Schadensersatzklage im Sommer vergangenen Jahres. Erst beim Verhandlungstermin schwenkten die Anwälte ein. Geschäftsführer der Salzwedeler Wobau, Christian Märtens: „Dabei hatte ich erst damit gehadert, ob ich die Klage überhaupt einreiche, weil wir ein sehr gutes Verhältnis zur örtlichen Polizei haben. Aber sonst wären wir darauf sitzen geblieben.“ Kollateralschäden wie in Salzwedel sind offensichtlich kein Einzelfall. Wenn die Polizei irgendwo fremdes Eigentum in Mitleidenschaft zieht, haftet das Land in der Regel dafür.

Nach Angaben des Innenministeriums wurden in diesem Rahmen in den vergangenen vier Jahren rund 1,4 Millionen Euro für von Polizisten verursachten Schäden gezahlt. Das sind jedes Jahr rund 350 000 Euro – etwa der finanzielle Umfang eines Einfamilienhauses.

„Die meisten Schadensersatzansprüche resultieren aus Verkehrsunfällen mit Polizeibeteiligung“, erklärt Lars Fischer vom Innenministerium. Danach folgen gleich Beschädigungen von Türen und Fenstern im Rahmen von Durchsuchungen. „Die Betroffenen machen ihre Schadensersatzansprüche uns gegenüber geltend und reichen diesbezüglich Kostenvoranschläge ein. Diese prüfen wir und zahlen bei Bestehen eines Anspruchs“, sagt Ellen Huchel, Dezernatsleiterin Recht in der Polizeiinspektion Zentrale Dienste Sachsen-Anhalt. Bei der Ermittlung des Zeitwertes gehe man großzügig vor. Die Juristin: „Wir gehen bei einer Tür zum Beispiel von einer Nutzungsdauer von 70 Jahren aus und ermitteln daraus den Zeitwert.“

Vor allem bei Einsätzen des Spezialeinsatzkommandos (SEK), bei denen auch die Ramme oder Kettensäge zum Einsatz kommen, müssen die Beamten oft auch rabiater vorgehen. In diesen Einheiten gibt es zum Beispiel speziell ausgebildete „Zugangstechniker“. Peter Meißner vom Bund Deutscher Kriminalbeamter erklärt: „Wenn das SEK zum Einsatz kommt, dann meist weil der Gebrauch einer Schusswaffe befürchtet wird. Da kommt es oft auf den Überraschungseffekt und schnellen Zugriff an. Das Leben und die Gesundheit ist schließlich wichtiger, als eine zerstörte Tür, die wieder ersetzt werden kann.“

Und dies wird zumindest dem Vermieter im Rahmen der „Staatshaftung“ in der Regel auch ersetzt. Der Magdeburger Verbraucherschutzanwalt Ronni Krug erklärt: „Dem Vermieter steht grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch aus einem sogenannten enteignetem Eingriff zu, wenn bei einer rechtmäßigen Durchsuchung im Rahmen eines Ermittlungsverfahren gegen den Mieter Schäden verursacht worden sind. Der Vermieter kann ja schließlich nichts dafür, wenn sein Mieter Drogen oder Waffen in der Wohnung lagert.“

Anders ist es, wenn der Vermieter zum Beispiel durch andere Mieter auf das kriminelle Treiben des Nachbarn hingewiesen wurde. „Wenn der Vermieter dann trotzdem die Wohnung vermietet oder einen Mietvertrag abschließt, kann der Staat nicht in Haftung genommen werden“, sagt er. Das gelte auch für selbstgenutztes Wohnungseigentum. Die Schäden, die aus einem rechtmäßigen Einsatz resultieren, müsse der Betroffene in diesem Fall selbst tragen. Krug: „Es sei denn die Polizei hat sich in der Tür geirrt und unrechtmäßig einen Schaden angerichtet. Dann haftet das Land dafür.“

Bei den Feuerwehren gilt übrigens ein sogenanntes Haftungsprivileg. Kai-Uwe Lohse, Vorsitzender des Landesfeuerwehrverbandes: „Wenn wir von einer konkreten Gefahr ausgehen müssen, dass zum Beispiel eine hilflose Person hinter einer verschlossenen Wohnungstür liegt oder der Rauchmelder in der Wohnung anschlägt und wir die Tür gewaltsam öffnen müssen, wird der Schaden in der Regel nicht ersetzt.“ Der Gedanke dahinter: Die Feuerwehr soll zupacken und nicht zaudern.

Das bedeutet, dass die meisten auf dem Schaden sitzen bleiben. Denn laut Gesamtverband der Deutschen Versicherer (GdV) übernehmen die Kommunen nur die durch Fehler der Feuerwehr verursachten Schäden. Die Hausratsversicherung und Gebäudeversicherung haftet hingegen nur für die versicherten Gefahren – wie Feuer, Sturm und Leitungswasser.