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Polizei Wo Bürger ihren Dampf ablassen

Die Leiterin der Zentralen Beschwerdestelle der Polizei, Angela Rohschürmann, über tägliche Konflikte, Lob und Tadel.

Von Matthias Fricke 25.07.2019, 01:01

Im Schnitt gibt es zweimal am Tag Beschwerden über die Polizei. Ist das nicht deprimierend?
Angela Rohschürmann: Das kann man so nicht sagen. Es gibt mal mehr mal weniger gemeldete Probleme. Wir können sehr oft weiterhelfen, so dass am Ende auch alle zufrieden sind. Außerdem, wenn wir schon bei der Statistik sind, haben sich nur knapp 14 Prozent der Beschwerden als berechtigt herausgestellt. Ich nenne Ihnen mal ein Beispiel: Da kam eine Mutter unter Tränen zu uns und sagte, dass sie ganz dringend jemanden sprechen müsse. Wir haben sofort eine Tasse Kaffee gekocht uns alles angehört. Der Lebenspartner der Frau fragte uns: Sie haben wohl nichts zu tun? Ich fragte ihn, warum? Er sagte, na weil ihm das in einer Behörde noch nie vorgekommen sei. Aber genau das ist unser Job: Ersteinmal zuhören und dann wertfrei analysieren worum es überhaupt geht.

Und worum ging es?
Die Frau war nicht einverstanden damit, bei wem sich ihre 17-jährige Tochter aufhält. Und eben die Tochter kam in eine Personenkontrolle der Polizei und wurde wieder laufen gelassen, ohne dass ihr jemand Bescheid gab. Aus der Sicht der Mutter ist ihr Ärger vielleicht verständlich. Sie hatte Angst und Sorgen. Die Polizisten haben aber rechtmäßig gehandelt, schließlich gab es keine Vermisstenanzeige. Sie konnten von alldem gar nichts wissen. Am Ende konnten wir alles erklären und die Beschwerde war erledigt. Auch solche kleinen Fälle zeigen, dass die Beschwerdestelle sich in den vergangenen zehn Jahren zu einem Erfolgsmodell entwickelt hat.

Wie meinen Sie das?
Im Laufe der letzten Jahre hat sich unser Referat mit seinen sieben Mitarbeitern in eine Richtung entwickelt, die einmalig in Deutschland ist. Für einige Länder sind wir sogar Vorbild. Diese kommen und lassen sich beraten, wie wir vorgehen.

Welche sind das?
Die Niedersachsen haben unser Modell sogar eins zu eins übernommen. Die Sachsen waren hier, in Hessen waren wir zur Gesetzesberatung und Berlin sowie Nordrhein-Westfalen haben bereits angefragt.

Was ist denn das besondere?
Wir sind eben nicht nur eine klassische Beschwerdestelle, sondern sehen uns als Übersetzer in beide Richtungen. Oft liegt es nämlich an der Kommunikation. Auf der anderen Seite nutzen wir unsere Erkenntnisse zur Qualitätsverbesserung der Polizeiarbeit. Wir versuchen immer zu vermitteln.

Haben Sie da ein Beispiel?
Ein Fahrlehrer kam in Magdeburg in eine Geschwindigkeitskontrolle. Er konnte es nicht fassen, dass er an dieser Stelle geblitzt worden ist. So fuhr er noch mal durch die Stelle und wurde wieder geblitzt. Weil er ein Beweisfoto haben wollte, fuhr er sogar ein drittes Mal mit der Geschwindigkeit durch die Messstrecke. Ums Geld ging es schon gar nicht mehr. Er war sich hundert Prozent sicher, dass er dort das entsprechende Tempo fahren darf. Wie kann die Polizei dort falsch messen? Wir hätten das einfach schriftlich beantworten können, dass es vor einigen Jahren eine Gesetzesänderung gab und eine Kreuzung eben nicht automatisch als Aufhebung eines Tempolimits gilt. Aber wir vereinbarten mit ihm und den zuständigen Polizisten ein Gespräch. Der Fahrlehrer kam nicht alleine, sondern brachte einen Vertreters des Fahrlehrerverbandes mit. Da kam dann der Aha-Effekt. Und es kam noch besser. Der Fahrlehrer meinte, dass man doch jetzt im guten Kontakt sei und der Polizist für die Fahrschule doch mal mit einem Regulierstab für den anschaulichen Unterricht vorbeikommen könne. Am Ende gingen alle zufrieden raus.

Welche Probleme gibt es am häufigsten?
Es ist die gesamte Bandbreite, die man sich vorstellen kann.

Wie können Sie denn konkret helfen?
Im ersten Angriff, wie es im Polizeijargon heißt, hören wir erst einmal genau zu und nehmen unser Gegenüber ernst. Für viele ist das schon ungewöhnlich im Umgang mit Behörden. Dann geht es ums handwerkliche. Wir müssen unterscheiden, gibt es nur Missverständnisse oder tatsächliche Fehler. Diese können am Ende zu Disziplinarverfahren führen, die dann aber von den Behörden oder Inspektionen selbst verfolgt werden. Im vergangenen Jahr gab es davon drei.

Gab es auch Strafanzeigen gegen Polizisten?
Insgesamt wurden 27 Strafverfahren gegen Bedienstete eingeleitet. In keinem Fall haben sich diese aber als begründet herausgestellt.

Gehen Sie auch vor Ort?
Wenn es erforderlich ist, natürlich auch das.

In 50 Fällen kam es auch zu Veränderungen der Arbeitsabläufe. Was meinen Sie damit?
Es sind manchmal Kleinigkeiten und furchtbar Unspektakulär. Sie haben aber dennoch mitunter große Wirkung. Ein Beispiel: Gegen die Zentrale Bußgeldstelle gab es in einem engen Zeitfenster auffällig viele Beschwerden über mangelnde telefonische Erreichbarkeit. Wir haben das gesamte System analysiert und sind am Ende darauf gestoßen, dass auf den Briefköpfen irreführende Angaben waren. Es wurde umgestellt, seit dem gibt es keine Beschwerden mehr.

Gibt es eigentlich auch Lob?
Das ist sogar deutlich häufiger als man denkt. Wenn die Menschen zufrieden sind, freuen sich die Polizisten. Aber bitte, bringen sie keinen Kaffee oder Präsentkorb auf die Dienststelle. Wir sind nämlich auch gleichzeitig die Stelle für Korruptionsvorbeugung.