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Rechtsextremismus Polizei holt Facebook-Hetzer aus dem Bett

Zwei Sachsen-Anhalter sollen via Facebook Neonazi-Propaganda verbreitet haben. Das Netzwerk hat große Bedeutung bei der Radikalisierung.

Von Jörn Wegner 14.07.2016, 01:01

Magdeburg l Die bundesweite Razzia gegen Hass-Postings im Internet am Mittwochmorgen hatte auch zwei Sachsen-Anhalter zum Ziel. Gegen 6 Uhr morgens verschafften sich Beamte des LKA Zugang zu den Wohnungen eines 39-Jährigen aus dem Kreis Anhalt-Bitterfeld und eines 52-Jährigen aus dem Salzlandkreis, berichtet LKA-Sprecher Andreas von Koß auf Volksstimme-Nachfrage. Es habe sich um Wohnungsdurchsuchungen gehandelt, „mit dem Ziel, Beweismittel für die Zugehörigkeit zu einer geheimen Facebook-Gruppe sicherzustellen“.

Den Tatverdächtigen wird vorgeworfen, innerhalb der versteckten Gruppe „Großdeutschland“ ausländerfeindliche und rassistische Postings abgesetzt zu haben. Des Weiteren werde wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gegen die zwei Männer ermittelt, erklärt von Koß. Die Männer wurden nicht festgenommen.

Die Staatsanwaltschaft in Kempten hat die Ermittlungen aufgenommen, da der Gruppengründer aus dem Landkreis Ostallgäu stammt. Aus dem restlichen Bayern stammten sechs Tatverdächtige, so Justizsprecher Bernhard Menzel. Auslöser für die Ermittlungen sei keine externe Anzeige gewesen, sondern Internetermittlungen der Polizei. In Bayern werde nicht nur anlassbezogen in Facebook ermittelt, erklärt Menzel. „Wenn man diese Gruppe festgestellt hat, muss man auch etwas dagegen tun“.

In Sachsen-Anhalt hat sich die Regierung im Koalitionsvertrag auf ein ähnliches Vorgehen verständigt. Auch sie möchte die Landespolizei künftig im Internet Streife laufen lassen. „Im Augenblick ist das aber nicht möglich“, sagt LKA-Sprecher von Koß. Die Personalsituation ließe dies nicht zu. Dennoch arbeitet im Land bereits ein Cyber Crime Competence Center, in dem sich fachlich versierte Beamte um Kriminalität im Internet kümmern.

Die politisch motivierte Kriminalität im Internet, sprich Volksverhetzung, Beleidigung, Bedrohung und Ähnliches, habe in den vergangenen Monaten und Jahren massiv zugenommen, sagt von Koß im Volksstimme-Gespräch. „Ungehemmt unter dem echten Namen mit offener Identität“ würde via Facebook und anderswo im justiziablen Bereich gehetzt und gedroht werden, so von Koß. „Wir stellen immer wieder fest, dass es kein großes Unrechtsbewusstsein gibt.“ So wäre vielen nicht bewusst, dass Hetze, Bedrohung und Ähnliches auch im Internet strafbar sind.

„Das Internet hat große Bedeutung in der Selbstvergewisserung“, erklärt Pascal Begrich vom Verein Miteinander. Debatten bei Facebook würden sich leicht radikalisieren, außerdem fehlten Hemmschwellen, so der Experte für die extreme Rechte. Für die Radikalisierung macht Begrich auch die Facebook-Technik verantwortlich. Der Algorithmus versorgt die Nutzer vorwiegend mit Meinungen und Themen, die sie selbst teilen.

„Es braucht Menschen, die so etwas melden, es braucht Moderatoren auf Zeitungsseiten, und es braucht eine Polizei, die dafür sensibilisiert ist“, sagt Begrich. Für die Praxis wünscht sich der Miteinander-Geschäftsführer unter anderem Internet-Streifen. „Es ist kein virtuelles Problem, sondern ein reales.“