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Reform Sachsen-Anhalts Polizei wird umgebaut

Bis Ende 2020 rechnet das Innenministerium mit genug Personal. Bis dahin sollen die Behörden in Sachsen-Anhalt umgebaut werden.

Von Matthias Fricke 04.01.2019, 00:01

Magdeburg l Erstmals hat Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) an alle der aktuell 5580 aktiven Polizisten im Land eine E-Mail geschickt und darin auch Details für Investitionen genannt. Der Volksstimme liegt das Schreiben vor. Immerhin stehen in den nächsten Monaten für Sachsen-Anhalts Polizisten Veränderungen bevor:

Umbau: Die stärksten Auswirkungen gibt es in der Altmark und im Jerichower Land. Der künftig gemeinsame Bereich wird mit der eigenen Inspektion aufgewertet. Zurzeit arbeiten dort 500 Polizisten, bis Ende 2020 sollen es 720 werden. Die zuständige Abteilungsleiterin im Innenministerium, Christiane Bergmann, zeigt sich optimistisch: „Das werden wir in den zwei Jahren auch schaffen.” Aktuell wird in der ehemaligen Notrufzentrale in Stendal ein neues Lage- und Führungszentrum aufgebaut. Die Kosten sollen sich laut Innenministerium allein dafür auf rund 1,4 Millionen Euro belaufen. Aktuell gehen die Notrufe 110 noch in Magdeburg ein, werden dort noch entgegengenommen und dann an die Stendaler weitergeleitet. Eingesetzt werden die Polizeifahrzeuge schon jetzt von Stendal aus.

Bis Ende 2019 soll die neue Leitstelle vollständig arbeitsfähig sein. Künftig wird es dann auch wieder vier Notrufzentralen im Land geben. Auch die anderen drei sollen modernisiert und neuen technischen Standards angepasst werden.

Service: Neu ist ab 1. Januar auch die Polizeiinspektion „Zentrale Dienste”. Zu ihr gehören nun das Technische Polizeiamt, die Landesbereitschaftspolizei, die Diensthundführerschule und die Wasserschutzpolizei. Auch diese Polizeiinspektion erhält ein eigenes Lagezentrum, von dem aus die Service-Einheiten eingesetzt werden. Wann immer zum Beispiel Spezialhunde im Land benötigt werden, können sie dort von den Beamten angefordert werden. Das Gleiche gilt für schwere Technik, die Taucher oder IT-Spezialisten. Bisher mussten die Polizisten dafür in verschiedenen Dienststellen herumtelefonieren.

Personal: Dies ist aktuell für die Polizei das größte Problem. Mit 5580 Polizisten ist ein absoluter Tiefststand erreicht, der die Beamten an die Belastungsgrenze führt. In einem der Volksstimme vorliegenden anonymen Schreiben von Polizeibeamten heißt es: „Im Moment fühlt sich Polizei an wie Fließbandarbeit. Es bleibt keine Zeit, zu ermitteln, für ein zusätzliches oder intensiveres Gespräch mit dem Bürger.” Um die Streifenbereiche überhaupt noch besetzen zu können, greifen einige Reviere seit Monaten zu einem Zug, der politisch so nicht gewollt war. „Regionalbereichsbeamte füllen in festen Schichten den Einsatzdienst und damit den Streifenbereich auf”, heißt es darin weiter. Abteilungsleiterin Christiane Bergmann dazu: „Die Situation ist angespannt, uns ist das bewusst. Solche Aushilfen sollten aber, wenn, nur in Notfällen erfolgen.” Das sei kein Flächenproblem, sondern nur Einzelfälle.

Allerdings werde sich mit der steigenden Zahl der Beamten die Lage verbessern, meint Bergmann. Schon Ende dieses Jahres sollen wieder 5900 Polizisten im Einsatz sein und für 2020 liegt die Prognose bei 6236. Danach werde man im Jahr 2021 die Zahl 6466 erreichen. Weil für die endgültige Umsetzung der neuen Struktur 6400 Beamte die erklärte Voraussetzung ist, wird die Reform deshalb auch erst Ende nächsten Jahres abgeschlossen sein.

Um das zu erreichen, hat das Land erstmals auch die Aussteiger an der Fachhochschule berücksichtigt und für das vergangene Jahr 530 und dieses Jahr 550 Polizeischüler statt der geplanten 500 eingestellt. Perspektivisch sind 7000 Beamte vorgesehen. Bis dahin erhofft sich das Innenministerium auch weiter Unterstützung durch Bewerber von ehemaligen Feldjägern der Bundeswehr und der Neueinstellung von 80 Wachpolizisten. Außerdem werden in diesem Jahr noch 50 Stellen in der Polizeiverwaltung, darunter ein Großteil im Bereich der Computer- und Informationstechnik, neu ausgeschrieben.

Kriminalpolizei: Sie soll durch einen Umbau in den Revieren entlastet werden. So gibt es künftig in den großen Polizeirevieren in Magdeburg, Halberstadt, Salzlandkreis, Börde, Halle, Anhalt-Bitterfeld, Saalekreis und dem Burgenlandkreis ein neues Sachgebiet „Zentrale Anzeigenbearbeitung“. Dort sollen alle Fälle, die zeitnah der Staatsanwaltschaft übermittel werden können, bearbeitet werden. Das betrifft vor allem Massendelikte wie Ladendiebstähle, Leistungserschleichungen oder Beleidigungen, bei denen vom Anzeigenerstatter ohnehin ein Verdächtiger mitgeliefert wird. Der Vorteil: Die anderen Ermittler werden von solchen Fällen entlastet.

Für die restlichen Reviere ist diese Abteilung optional.

Außerdem gibt es in den größeren Revieren ein neues Sachgebiet „Intensivtäter”. Dort soll nicht das Tatort-Prinzip gelten, sondern die Fälle Personen zugeordnet werden. Der Vorteil: Wird ein Intensivtäter zum Beispiel innerhalb einer Woche in Berlin, Dessau, Magdeburg und Halle erwischt, landen alle diese Fälle auf einem Tisch. Die Staatsanwaltschaft kann sie alle gleichzeitig bewerten und anklagen. Früher hatten sich unterschiedliche Dienststellen darum gekümmert.

Dennoch knirscht es aktuell bei der Kriminalpolizei. Die Polizisten beklagen: „Durch die desaströse Personalpolitik der letzten Jahre wurden freie Dienstposten nicht mehr nachbesetzt. Absolventen der Polizeischule werden in erster Linie den Einsatzdiensten zugeordnet. So können erfahrene und ausscheidende Ermittler ihren Erfahrungsschatz nicht mehr weitergeben.” Auch dem Innenministerium mache die hohe Altersstruktur in der Kriminalpolizei Sorge. So sagt der Referatsleiter Polizei im Innenministerium, Karl-Albert Grewe: „Wir hoffen nun auch auf die Absolventen der Fachhochschule.” Seit einem Jahr wird dort erstmals eine Spezialisierung für die Kriminalpolizei innerhalb des Studiengangs angeboten.

Kriminaldauerdienst: Das ist die schnelle Eingreif­truppe der Kriminalpolizei, die bei Verbrechen die ersten Ermittlungen am Tatort beginnt und die Sicherungen der Spuren organisiert. Diese Einheit wird es in den Polizeiinspektionen Halle und Magdeburg fest geben. In Dessau und Stendal bleibt es optional, ob es ein Bereitschaftssystem oder einen Dauerdienst gibt.

Landesbereitschaftspolizei: Ab September 2019 wird eine vierte Hundertschaft in Halle aufgebaut. Zurzeit sind drei Hundertschaften in Magdeburg-Prester stationiert, in Halle gibt es seit 2016 einen Zug (etwa 30 Beamte). „Wir haben den BLSA (Liegenschaftsmanagement des Landes, Anm. d. Red.) gebeten, dafür ein passendes Objekt für uns zu finden”, erklärt Bergmann. Bis Ende nächsten Jahres soll auch das spätestens abgeschlossen sein. Zudem gibt es umfangreiche Sanierungen am Standort Prester. Ab erstem Quartal dieses Jahres sollen dort mehrere Gebäude saniert werden.

Investitionen: 2019 will das Innenministerium eine Rekordsumme von 45 Millionen Euro allein für die Ausrüstung ausgeben. Dazu gehören unter anderem Schutzwesten, Schlagschutzhelme, Ausstattungen von Funkstreifenwagen, die Anschaffung von neuen Waffen. So werden in diesem Jahr 800 neue Dienstpistolen angeschafft. 700 alte Waffen sollen zudem umgerüstet und modernisiert werden. Dafür sollen dieses Jahr 5,2 Millionen Euro und bis 2021 noch weitere 6,2 Millionen Euro ausgegeben werden.

Auf der Beschaffungsliste steht auch ein zweiter neuer Hubschrauber. Neben den bereits gezahlten 9,6 Millionen Euro sollen in den nächsten Jahren weitere Mittel fließen. Die Wasserschutzpolizei erhält dieses und nächstes Jahr unter anderem zwei neue Boote (1,5 Millionen Euro).

Interaktive Funkstreifenwagen: Inzwischen gibt es 104 solcher speziell ausgerüsteten Fahrzeuge im Land. Sie sollen es ermöglichen, alle Arbeiten aus dem Auto heraus vorzunehmen, die vorher nur im Büro möglich waren. In diesem Jahr sollen für 3,5 Millionen Euro weitere Fahrzeuge angeschafft werden. Hinzu kommen 90 weitere neue andere Dienstfahrzeuge in diesem Jahr für 6,2 Millionen Euro. Die Ausstattung mit 2000 neuen Handfunkgeräten und Zubehör wird bis 2020 rund 3,24 Millionen Euro kosten.

Gebäude: Für und 15,4 Millionen Euro soll der Komplex des Landeskriminalamtes (LKA) in der Lübecker Straße erneuert und modernisiert werden. Hinzu kommt die Fortsetzung des Mammut-Umbaus an der ehemaligen Polizeidirektion Nord in der Sternstraße in Magdeburg. Baustart war hier mit dem Abriss einer Sporthalle im November vergangenen Jahres. In den nächsten fünf Jahren sollen dort 155 Millionen Euro verbaut werden. In den Polizeirevieren Haldensleben (Börde) und Weißenfels (Burgenlandkreis) sind Sanierungen mit Investitionen von mehr als 1,5 Millionen dringend nötig. Stahlknecht: „Derzeit stimmen sich Innen- und Finanzministerium über eine Aktualisierung der ressortübergreifenden Prioritätenliste ab.” Abgesehen davon soll es schon jetzt kleinere Baumaßnahmen geben.