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Ottojaner Beim Karneval hat es gefunkt

Die "Ottojaner"-Regenten Katharina I. und Steffen III. aus Magdeburg sind auch privat ein Paar und regieren noch bis zum Aschermittwoch.

Von Manuela Bock 11.02.2018, 19:01

Magdeburg l In dem Magdeburger Café ist alles wie immer. An den Tischen sitzen Menschen und unterhalten sich. Kuchen wird serviert. Es duftet nach Kaffee. Niemand ahnt, dass gleich zwei Majestäten den Raum betreten werden. Die Audienz beginnt, als Steffen Kielwein eintritt. Er hat eine Tüte dabei, in der „Orden“ klimpern. Und eine Prinzenrolle. „Jeder Vergleich mit den gleichnamigen Keksen ist zufällig und nicht gewollt“, sagt er beim fragenden Blick auf die bunte Papprolle. Sie gehört zu seinen Insignien als Prinz der „Ottojaner“, dem Karnevalsverein der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, der seit 1954 zum Feiern einlädt.

Die fünfte Jahreszeit läuft. Bis zum Aschermittwoch am 14. Februar dauert die Regentschaft von Steffen Kielwein. Als Steffen III. regiert der 28-jährige Magdeburger die „Ottojaner“ und ihr Partyvolk. An seiner Seite hat er Katharina I. Im wahren Leben kennt man die 26-jährige Magdeburgerin als Katharina Gnensch – und ein Besuch in ihrem Arbeitsumfeld empfinden ihre Patienten selten als lustig. „Wer mich als Zahnärztin sieht, denkt nicht sofort daran, dass ich eine Prinzessin bin“, sagt sie belustigt. Das Prinzenpaar wirft sich über die Tassenränder immer wieder verliebte Blicke zu. Katharina und Steffen sind eben nicht nur das Prinzenpaar, sie verbindet auch eine echte märchenhafte Geschichte. Sie haben sich beim Fasching kennen- und liebengelernt. Die Krönung: Bald wird geheiratet.

Mit der Karnevalszeit verbinden die Magdeburger also etwas ganz Besonderes. Das Paar ist in der hiesigen Welt der Verkleidungsfreudigen sowieso besonders. Prinz und Prinzessin zählen zu den jüngsten, die je einen „Ottojaner“-Thron erklommen haben. „Das gefällt uns sehr“, meint Steffen Kielwein. „Wir symbolisieren zugleich einen Generationswechsel im Verein.“

In seiner 64-jährigen Geschichte hat der Magdeburger Verein Höhen und Tiefen erlebt. Zu den Tiefen zählte, dass er aus dem angestammten Feier-Ort, dem Amo-Kulturhaus, wegen Umbauarbeiten weichen musste. In diesem Jahr kehren die „Ottojaner“ zurück und haben ihr Feier-Motto darauf eingestellt. Die Party am 10. Februar steht unter dem Titel „Otto auf AMOuröser Weltreise“.

In der Vereinsgeschichte finden sich viele Namen, die für die Organisation solcher Veranstaltungen stehen. Jetzt treten einige der „Stamm-Organisatoren“ in die zweite Reihe. Die nächste Generation tritt an, den Faschingsspaß in der fünften Jahreszeit in Magdeburg zu übernehmen. Manche sind Vereinsmitglieder, einige helfen einfach mit.

Dazu zählt auch Katharina Gnensch. Ihre Karnevalslaufbahn beginnt als Sechsjährige, 1998 tanzt sie zum ersten Mal beim Kinderkarneval der „Ottojaner“. Das geht viele Jahre so weiter. „Wir haben in einem Tanzstudio immer neue Tänze eingeübt und aufgeführt“, erinnert sich Katharina I.

Bei einer solchen Aufführung hat es zwischen ihr und Steffen Kielwein gefunkt. „Freunde hatten immer viel mit dem Verein zu tun und nahmen mich 2008 zum Karneval-Auftakt mit“, so der Magdeburger. In der Gruppe fällt dem zufälligen Gast die brünette 16-Jährige ins Auge. Daraus entwickelt sich eine romantaugliche Love-Story. Die beiden finden zusammen, mögen sich auf Anhieb. „Es wird richtig kitschig“, meint die Prinzessin und lächelt bei der Erinnerung. Um allein zu sein, gehen sie damals aus der Festung Mark, einem geschichtsträchtigen Veranstaltungsort in Magdeburg, und setzen sich auf eine Mauer. Das Alleinsein ist von kurzer Dauer. Eine Band gesellt sich zu ihnen, spielt für die frisch Verliebten Akkordeon-Musik, darunter die romantische Melodie aus „Die fabelhafte Welt der Amélie“. „Wer könnte da schon widerstehen?“, scherzt der Prinz.

Ihre Liebe im echten Leben war keine Voraussetzung, zum Prinzenpaar ernannt zu werden. „Die Regentschaft kann auch ein Paar wahrnehmen, das sich unbekannt ist, es sollte vor allem die Liebe zum Karneval in sich tragen“, erklärt der amtierende Prinz. Diese Liebe teilen die beiden Majestäten. Steffen Kielwein gehört zu den Stammgästen bei den Karnevalsfeiern der „Ottojaner“, seine Katharina tanzt, bis sie 18 ist, bei diesen Anlässen. Als beide in Leipzig studieren – sie Zahnmedizin und er Geografie – legen sie faschingstechnisch eine kurze Pause ein.

Aber die Leidenschaft bleibt. Warum? „Wir halten nichts von den ellenlangen Büttenreden, wie sie manchmal im Fernsehen zu sehen sind“, meint Steffen Kielwein, der Regionalplaner, den seine Kollegen witzelnd schon mal gern als „Hoheit“ ansprechen. „Wir mögen einfach, wenn Menschen ausgelassen feiern und den Alltag loslassen.“ Katharina ergänzt: „Es ist schön, mal kreativ zu sein und sich zu verkleiden, meist sind die Menschen losgelöster, wenn sie in eine andere Rolle schlüpfen.“ Sie würden keine politischen Botschaften verbreiten und nicht zum großen Nachdenken anregen wollen. „Wir möchten einfach gute Laune unters Volk bringen“, so die Prinzessin.

Und das tun sie. Als man sie im Freundeskreis anspricht, ob sie nicht für die Session 2017/18 als Prinzenpaar agieren möchten, sagen sie zu – und werden sofort genommen. Sie repräsentieren den Verein, rühren die Werbetrommel, erzeugen Aufmerksamkeit. Zu ihren Aufgaben gehört, befreundete Vereine zu besuchen, außerdem stimmt sich das Prinzenpaar mit dem Orga-Team der „Ottojaner“ ab. In der Turnhalle helfen die Majestäten am Wochenende mit, große Stoffbahnen für die Bühnenbilder zu bemalen. Am Rosenmontag werden sie beim Festumzug in der sachsen-anhaltischen Karnevalshochburg Köthen auf dem „Ottojaner“-Truck stehen und „Kamelle“ werfen.

Die größte Herausforderung der Majestäten wird jedoch die Rede bei der heutigen Party werden. Als Prinzenpaar sollen die beiden jungen Magdeburger das Feiervolk auf die kommenden lustigen Stunden einstimmen und die „Kussfreiheit“ verkünden – jeder darf jeden jederzeit küssen.

Dafür müssen sie sich natürlich richtig in Schale werfen. Gerade sind Steffen und Katharina dabei, sich Kostüme auszusuchen. Einiges werden sie bestellen, manches selbst basteln. „Das ist genau das, was ich schätze, wir müssen kreativ werden“, so Katharina Gnensch. „Manche Besucher denken sich großartige Verkleidungen aus, das ist faszinierend.“ Sie lachen beide, als sie sich an einen „Spongebob“ und an „Milch und Schokolade“ erinnern. „Die konnten sich in den Verkleidungen zwar kaum bewegen, waren aber auf vielen Selfies zu sehen“, erzählt Steffen Kielwein. Für die Verkleidung investieren sie selbst „ein bisschen was“. Ansonsten unterstützt sie der Verein. „In Köln muss das Prinzenpaar richtig in die Tasche greifen, das ist bei uns zum Glück nicht so“, weiß der Magdeburger Prinz.

Sie tragen dagegen ihre Erinnerungen und die Insignien der Faschingsmacht. Steffen Kielwein zeigt seine Prinzenkette, die Armbinden und zum Schluss kommt noch mal die Prinzenrolle auf den Tisch. Diese wird an jedes neue Prinzenpaar beim Amtsantritt überreicht. Das amtierende Prinzenpaar befüllt die buntbeklebte große Papprolle mit nützlichen Dingen für die nächsten Würdenträger. Handwärmer sind darin, Schnäpse und Ohropax – alles, was bei kalten, lauten Terminen wichtig ist, um die Stimmung zu erhalten.

Aber darum macht sich das Paar keine Sorgen. „Wenn wir das Prinzenpaar sind, blenden wir alles aus, was die gute Laune stört“, sagt Katharina. Und ihr Prinz nickt hoheitsvoll.