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Regionalkonferenz Schaulaufen der CDU-Kandidaten

In Halle haben sich drei Kandidaten für den CDU-Bundesvorsitz vorgestellt. Die meisten Fragen der Mitglieder kamen zur Migrationspolitik.

Von Michael Bock 22.11.2018, 21:11

Halle l Eine Stunde vor Beginn der Veranstaltung in Halle 4 der Messe. Die letzten Vorbereitungen laufen. Mikrofone werden gecheckt. Staubsauger-Einsatz auf dem Podium. Leise Musik rieselt durch die Lautsprecher. Herr Ritzendorf verteilt DIN-A4-Blätter. Darauf stehen seine politischen Ziele. Und der Satz: „Natürlich will ich die Wahl gewinnen.“

Andreas Ritzendorf, seit Januar CDU-Mitglied, Unternehmer und Arzt, hat sich auch für den CDU-Bundesvorsitz beworben. Er ist bei allen acht Regionalkonferenzen dabei. Als Zuhörer. Seebach in Thüringen, jetzt Halle, dann Böblingen, Düsseldorf, Bremen, Berlin. „Einmal quer durch die Republik“, sagt er und lacht.

Er selbst darf nicht reden. Das ist den drei aussichtsreichsten Kandidaten vorbehalten: Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, Gesundheitsminister Jens Spahn und Friedrich Merz, von 2000 bis 2002 Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Jens Spahn ist bereits am frühen Nachmittag bei der Bundesdelegiertenversammlung der Senioren-Union in Magdeburg aufgetreten. „Ich spüre Aufbruch und Freude an der Debatte“, hat er die Stimmung in der CDU beschrieben. „Das überrascht uns selbst ein wenig.“ Er hat über verlorenes Vertrauen gesprochen. Und als Ziel ausgegeben, dass die Union bei Wahlen wieder die 40-Prozent-Marke anstrebt.

Um 17.58 Uhr ertönt in der Messehalle ein Gong. Es wird plötzlich still in der mit etwa 600 Parteimitgliedern proppevollen Halle. Nur noch leises Murmeln. Doch die Gäste müssen erstmal warten. Merz kommt ein wenig später – der Verkehr. „Wenn die A 143 fertig wäre, wäre Friedrich Merz pünktlich gewesen“, sagt die Moderatorin und lächelt. 18.15 Uhr – der Einzug der Polit-Gladiatoren in Halle 4. Händeschütteln, Applaus. Sachsen-Anhalts neuer Landeschef Holger Stahlknecht übernimmt die Begrüßung. Den Kandidaten gibt er für den Abend mit auf den Weg: „Seien Sie so gut, dass für uns die Wahl zur Qual wird.“

Die Reihenfolge der Redner wird ausgelost. So viel sei vorweggenommen: Die Bewerber behandeln sich äußerst respektvoll. Kramp-Karrenbauer zieht die Nummer eins. 10 Minuten hat jeder Kandidat. Sie würdigt die Arbeit von Angela Merkel, die 18 Jahre Bundeschefin war. Mit Blick auf verlorene Landtagswahlen und miese Umfragewerte sagt Kramp-Karrenbauer aber auch: „Es gibt niemanden, der mit der Situation zufrieden ist, wie sie ist.“ Die CDU müsse sich „ein Stück weit verändern und erneuern“. Es sei Kraft nötig für die anstehenden Veränderungen: Globalisierung, Digitalisierung, demografischer Wandel. Bei diesen rasanten Veränderungen sei es wichtig zu wissen, wo man hingehöre. Heimat sei nicht altmodisch, Heimat werde auch nicht unmodern. Für ihre kämpferische Rede bekommt sie viel Beifall.

Später wird sie zur Migrationspolitik selbstkritisch sagen, es habe eine „nicht kontrollierte Einwanderung und keine vernünftige Integrationspolitik“ gegeben.

Friedrich Merz, immer wieder von Applaus unterbrochen, sagt: „Wir stehen vor der großen Herausforderung, Volkspartei zu bleiben.“ Mit Blick auf die Migrationspolitik sagt er: „Integration ist keine Einbahnstraße. Wer zu uns kommt, muss unsere Regeln beachten.“ Er sagt auch: „Wir haben ein großes Herz, aber nicht Mittel für alle.“ Applaus. Er kommt auch auf den „Kontrollverlust“ im Jahr 2015 zu sprechen. „Ein Rechtsstaat darf zu keinem Zeitpunkt die Kontrolle darüber verlieren, was mit diesem Rechtsstaat passiert und wer in diesen Staat kommt.“

Zuletzt hat Merz mit Äußerungen zum Asylrecht in Deutschland eine bundesweite Debatte ausgelöst. Der 63-Jährige sagte am Mittwochabend auf einer Regionalkonferenz in Thüringen: „Deutschland ist das einzige Land auf der Welt, das ein Individualrecht auf Asyl in seiner Verfassung stehen hat.“ Er sei schon seit „langer Zeit der Meinung, dass wir bereit sein müssten, über dieses Asylgrundrecht offen zu reden, ob es in dieser Form fortbestehen kann, wenn wir ernsthaft eine europäische Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik wollen.“ In Halle stellt Merz klar: „Ich bin für die Beibehaltung des Grundrechts auf Asyl. Punkt.“

In Sachsen-Anhalts CDU gibt es viel Sympathie für Merz und seine Positionen. Der Landesverband bewegt sich nach der Wahl von Innenminister Holger Stahlknecht zum neuen Landeschef nach rechts. Einen Vorgeschmack hat der Landesparteitag am vorigen Sonnabend geliefert. Die Delegierten lehnten eine Unterzeichnung des UN-Migrationspakts ab und stellten sich somit gegen Bundeskanzlerin Merkel.

Jens Spahn hält fast eins zu eins dieselbe Rede wie vor den CDU-Senioren. „Wir hatten zwischen CDU und CSU zu viel erbitterten Streit um zu wenig“, sagt er. Die Causa Maaßen hätte in drei Stunden erledigt sein müssen. Bei der Regionalkonferenz geht er zusätzlich auf „Multikulti“ ein. Spahn sagt: „Nicht alles, was anders ist, ist per se eine Bereicherung. Antisemitismus und Ehrenmord kann ich nicht als Bereicherung empfinden.“

Klar positioniert er sich zur AfD. „Wir wollen mit der AfD keine Koalition. Wir wollen ihre Wähler zurückgewinnen.“

Bereits am Wochenende hatte Spahn für Schlagzeilen gesorgt. Der 38-Jährige fordert eine Abstimmung auf dem CDU-Bundesparteitag über den Umgang mit dem UN-Migrationspakt und schließt eine Verschiebung der Unterzeichnung nicht aus. Holger Stahlknecht hat der Bundesregierung gestern erneut mangelhafte Kommunikation des Migrationspakts vorgeworfen. Er hätte sich gewünscht, dass das Auswärtige Amt eine wesentlich offensivere Kommunikationsstrategie geführt hätte, sagte er im Landtag.

Kramp-Karrenbauer verteidigt den Migrationspakt leidenschaftlich. „Der Pakt hilft uns auf Dauer mehr, als dass er uns schadet“, sagt sie gestern. Ihr Credo in der Asyldebatte ist, dass am Grundgesetz nicht leichtfertig herumgeschraubt werden solle. In einer Zeit, wo nur ein Prozent der Flüchtlinge über das deutsche Asylrecht anerkannt werde, müsse vielmehr darüber geredet werden, wie eine konsequente Rückführung nicht bleibeberechtigter Menschen durchgesetzt werden könne.

Der neue CDU-Bundesvorsitzende soll am 7. Dezember in Hamburg gewählt werden. 1001 Delegierte, davon 18 aus Sachsen-Anhalt, sind zur Wahl aufgerufen.