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Reichsbürger Stahlknecht gegen Waffenverbot

Sachsen-Anhalts Innenminister kann den meisten Vorschlägen im Umgang mit "Reichsbürgern" nichts abgewinnen.

27.10.2016, 06:02

Magdeburg (dpa) l Nach den jüngsten Vorfällen mit sogenannten Reichsbürgern hat Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht ein generelles Waffenverbot für die Anhänger abgelehnt. Es müsse stets im Einzelfall geprüft werden, ob eine Unzuverlässigkeit vorliege, sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Alles andere sei Gesinnungsjustiz. Zuvor hatte sein bayerischer Amtskollege Joachim Herrmann (CSU) angekündigt, er wolle allen "Reichsbürgern" generell die Waffenerlaubnis entziehen und ihnen das Halten von Kampfhunden verbieten.

Vor einer Woche hatte ein Anhänger im mittelfränkischen Georgensgmünd bei einem Einsatz des Spezialeinsatzkommandos (SEK) einen Beamten erschossen. Ende August gab es bei einer Schießerei zwischen SEK und einem "Reichsbürger" in Reuden im Burgenlandkreis mehrere Verletzte. Der Landtag befasst sich am Freitag in einer aktuellen Debatte zur Inneren Sicherheit mit der Bewegung.

Stahlknecht kritisierte Vorschläge wie den von Herrmann, aber auch einen Vorstoß der Deutschen Polizeigewerkschaft als Aktionismus. Diese hatte gefordert, den Anhängern den Führerschein zu entziehen. Wer die Rechtsordnung ablehne, dürfe auch keine auf dieser Ordnung beruhenden Erlaubnisscheine besitzen, hieß es zur Begründung.

"Nur zu sagen, weil es eine Gruppe von Menschen gibt, entziehen wir jetzt mal den Führerschein, ist kein rechtsstaatliches Argument", kommentierte Stahlknecht. Der Rechtsstaat müsse mit Ruhe auf die neue Qualität der Gewalt reagieren. "Und nicht damit, dass irgendeiner die Tür aufmacht und sofort, ohne einmal etwas geprüft zu haben, eine schlaue Idee in die Republik hinausposaunt und bei der Bevölkerung das Gefühl entsteht, wir reagieren alle unabgestimmt."

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Rüdiger Erben, sieht das anders: „Waffen zu besitzen ist zunächst einmal verboten, wenn der Staat nicht ausnahmsweise die Erlaubnis erteilt“, sagte er in einer Mitteilung. Für Menschen, die das Gewaltmonopol des Staates nicht anerkannten, sollte es keine Genehmigung geben.

"Reichsbürger" sind keine einheitliche Gruppe. Sie eint nur die Ideologie, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht existiert, sondern das Deutsche Reich fortbesteht. Einige erklären sich auch selbst zu Herrschern unabhängiger Gebiete innerhalb Deutschlands. Die Anhänger fielen in der Vergangenheit vor allem dadurch auf, dass sie Steuern und Abgaben nicht zahlen wollten. In Sachsen-Anhalt sind rund 80 "Reichsbürger" bekannt, die Dunkelziffer liegt wahrscheinlich höher. Bundesweite Zahlen liegen derzeit nicht vor.

Nach den jüngsten Ereignissen sei eine Neubewertung der Bewegung notwendig, sagte Stahlknecht. Unter anderem will er abwarten, was eine Arbeitstagung aller Verfassungsschutzbehörden Anfang November zum Thema ergibt. "Wenn man zum Ergebnis käme, dass das ein in sich vernetzter Zusammenschluss von Personen ist, dann kann man den zum Beobachtungsobjekt machen." Dann sei auch der Einsatz verdeckter Ermittler denkbar. Derzeit lägen jedoch keine Erkenntnisse über eine solche Vernetzung vor. Daher würden nur die 20 "Reichsbürger" in Sachsen-Anhalt beobachtet, die Rechtsextremisten seien.

Anders stellt sich die Situation laut Stahlknecht bei Anhängern im Staatsdienst dar: "Wer sich als "Reichsbürger" bekennt, kann nicht Beamter oder Angestellter des Öffentlichen Dienstes sein, weil er einen Treueeid auf diesen Staat geschworen hat." Zuvor war bekannt geworden, dass drei Polizisten vom Dienst suspendiert wurden, weil sie sich zu den "Reichsbürgern" bekannt hatten. Ein weiteres Verfahren läuft noch. Die Konsequenz daraus kann nach Stahlknechts Auffassung jedoch nicht sein, alle Staatsbediensteten zu fragen, ob sie zu dieser Idee nachhängen. "Da darf man nicht in Gesinnungsschnüffelei verfallen."

Stattdessen müsse der Rechtsstaat bei bekannten Anhängern konsequent handeln. Nach der eskalierten Zwangsräumung in Reuden gehöre dazu auch die Überlegung, die Polizei besser auszustatten und bei der Durchsetzung von staatlichen Forderungen grundsätzlich das SEK einzusetzen, um auf Gefährdungslagen vernünftig vorbereitet zu sein.